Alternativzeitschrift
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Alternativzeitschriften (auch: Untergrund-/Undergroundzeitschriften) sind wie das Medium Zeitschrift selbst nur schwer zu definieren, da die Übergänge zu Literatur- oder Studentenzeitschriften (im Gegensatz zu hochschulfinanzierten Universitätszeitschriften), Fanzines oder Stadtmagazinen oft fließend sind.
Als Teil der grauen Literatur umfasst der Begriff alle Druckerzeugnisse (nicht nur Zeitschriften, auch Flugblätter oder Wandzeitungen), die mehr oder weniger regelmäßig, in geringer Auflage (bis zu 1000 Exemplare, bei Flugblättern auch mehr) und jenseits der etablierten Vertriebswege, wie Buchhandel und Verlag veröffentlicht werden. Alternativzeitschriften werden von den Herausgebern selbst produziert und verbreitet (Selbstverlag). Sie sind aufgrund ihrer unkonventionellen Art bibliographisch kaum erfasst und schwer erhältlich.
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[Bearbeiten] Themen und Ausrichtung
Subkulturelle und soziale Bewegungen drücken über Alternativzeitschriften ihre Lebensweise und Weltsicht aus; insbesondere Politik, aber auch die Themen Freizeit, Musik, Sexualität und Gesellschaft werden behandelt (im Gegensatz zu Fanzines jedoch ohne ausdrückliche Festlegung). Die Herausgeber, entweder Einzelpersonen oder kleine Personengruppen (beispielsweise Bürgerinitiativen, Kirchenverbände, Frauen- und Friedensgruppen, politische Gruppierungen oder Vereine), bestimmen unabhängig über Inhalt und Form, weshalb es zu häufigen Wechseln in der Redaktion, thematischen Ausrichtung und Erscheinungsweise kommen kann. Beiträge werden in vielen Fällen anonym oder unter Pseudonym veröffentlicht.
Der subjektive Stil von Alternativzeitschriften hängt oft damit zusammen, dass nicht hinsichtlich finanziellen Erfolgs produziert wird, sondern aus Leidenschaft oder Überzeugung. Aus dem gleichen Grund haben Alternativzeitschriften weniger informativen Wert, sondern sind (nicht nur literarische) Dokumente, die als Quellen für die Stimmung verschiedener Generationen und den Zeitgeist dienen können. Ihre mitunter unkonventionelle Gestaltung fügt dem eine zusätzliche ästhetische Dimension hinzu.
Alternativzeitschriften sind oft werbefrei und so gut wie nie profitabel. Sie sind auf ein kleines Publikum ausgerichtet, erfreuen sich jedoch besonders in der autonomen Szene großer Beliebtheit als Instrument zur Schaffung einer Gegenöffentlichkeit. Aufgrund der selbstgewählten Position jenseits des publizistischen Mainstreams besitzen Alternativzeitschriften einen beliebig großen inhaltlichen und gestalterischen Spielraum, was sie einerseits zu Keimzellen der Avantgarde macht, andererseits zu manchen Verletzungen von Persönlichkeitsrechten sowie des Urheber- und Presserechts führt.
Seinen Höhepunkt erreichte das Genre in den 70er Jahren, als es im Zuge der Neue Soziale Bewegungen zu zahlreichen Neugründungen in deutschen Großstädten kam. Josef Wintjes galt in den 80er Jahren als Ikone der Szene. Auch heute werden immer wieder Alternativzeitschriften gegründet, die jedoch selten das erste Jahr überstehen.
[Bearbeiten] Deutschsprachige Alternativzeitschriften
Wie weit allein das politische und inhaltliche Spektrum reicht, das in Alternativzeitschriften zum Ausdruck kommt, zeigt diese Auswahl:
- 883, anarchistisch-libertäre Zeitschrift (1969-1972, zur Redaktion gehörten einige prominente RAF-Mitglieder)
- 99, herausgegeben von dem Regisseur Walter Wippersberg.
- Anschlag, linksradikale Zeitschrift (1964-1966)
- Armes Deutschland, Presseorgan der Anarchistischen Pogopartei Deutschlands (APPD)
- Contraste, Zeitung für selbstverwaltete Wirtschaftsformen
- Criticón, rechtskonservative Zeitschrift, 1970 als Antwort auf die 68er gegründet.
- Die Datenschleuder, Vierteljahresschrift des Chaos Computer Club (CCC).
- Elemente, rechtsradikale Zeitschrift, herausgegeben vom Thule-Seminar e.V.
- Graswurzelrevolution, Zeitschrift der anarchistischen Graswurzelbewegung.
[Bearbeiten] Literatur
- Jörg Becker, Christian Flatz, Emanuel Matondo, Uwe Trittmann (Hrsg.): Für eine Kultur der Differenzen. Friedens- und Dritte-Welt-Zeitschriften auf dem Prüfstand. Evangelische Akademie im Institut für Kirche und Gesellschaft, Iserlohn 2004.
- Bernd Drücke: Zwischen Schreibtisch und Straßenschlacht? Anarchismus und libertäre Presse in Ost- und Westdeutschland, Verlag Klemm & Oelschläger, Ulm 1998, ISBN 3-932577-05-1
- Contraste (Hrsg.): Reader der AlternativMedien. In: Bunte Seiten 2003+, www.contraste.org/bunte, Selbstverlag, Heidelberg 2003 (2006).
- Bernd Hüttner (Hrsg.): Verzeichnis der AlternativMedien 2006/2007 [1], Neu-Ulm, Verlag AG SPAK
[Bearbeiten] Weblinks
- Internationales Institut für Sozialgeschichte: Archiv für Alternativzeitschriften
- Mainzer Minipressen-Archiv der Alternativliteratur (enthält u.a. ca. 2.200 Zeitschriftentitel in 21.000 Heften)
- Alternativzeitschriften von A bis Z (österreichische Seite) veraltet
- Online Katalog des Archivs der sozialen Bewegungen im Umweltzentrum Münster
- Datenbank zum Verzeichnis der AlternativMedien 2006/2007 wird weiter gepflegt vom Verlag AG SPAK Neu-Ulm