Dollingersage
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Die Dollingersage ist eine Regensburger Stadtsage in der Tradition mittelalterlicher Heldendichtung, die in mehreren Versionen überliefert ist.
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[Bearbeiten] Handlung
Um 930 fordert der heidnische Ritter Craco die Regensburger Ritterschaft höhnisch zum Kampf heraus. König Heinrich I. gelingt es zunächst nicht, einen Ritter dazu zu bewegen, die Herausforderung anzunehmen. Doch schließlich findet sich der Regensburger Bürger Hans Dollinger, der zu dieser Zeit im Kerker einsitzt, im Gegenzug für seine Freilassung zum Kampf bereit. Dollinger betet in der Niedermünsterkirche am Grabe des Hl. Erhard und begibt sich zum Haidplatz, wo das Turnier stattfinden soll. Zweimal gelingt es Craco, Dollinger aus dem Sattel zu stoßen. Doch als König Heinrich dem Helden ein Kreuz an die Lippen presst, gelingt es Dollinger den Feind im dritten Anlauf zu besiegen.
[Bearbeiten] Historischer Hintergrund
Die Dollingersage gehört zu den ältesten Stadtsagen Deutschlands, doch setzt die schriftliche Überlieferung erst spät ein, so dass nicht mehr alle Änderungen im Laufe der Entstehungsgeschichte nachzuvollziehen sind. Als historischer Hintergrund bieten sich die Ungarnkriege des 10. Jahrhunderts und speziell die Schlacht auf dem Lechfeld 955 an, da der Angreifer Craco offenbar ursprünglich ein Hunne war. In späteren Überlieferungen wurde er zu einem Türken umgedeutet, was angesichts der der damals aktuellen Bedrohung des Abendlandes durch die Türkenkriege plausibel erschien.
[Bearbeiten] Die Überlieferung
[Bearbeiten] Plastik
Um 1290 entstand die früheste überlieferte Fassung der Dollingersage in der Form von Bildplastiken, die den Dollingersaal in Regensburg schmückten. Sie wurden vermutlich vom Geschlecht der Dollinger in Auftrag gegeben, einer Adelsfamilie, die aus Dolling bei Ingolstadt stammte. Das Dollingerhaus wurde 1889 abgerissen und die originalen Plastiken dabei leider zerstört. Den 1964 neuerbauten Dollingersaal in einem Anbau des Regensburger Alten Rathauses schmücken heute Gipsabgüsse der originalen Reliefs, die vor der Zerstörung angefertigt wurden.
[Bearbeiten] Das Dollingerlied
Eine gereimte Fassung der Dollingersage liegt, vermutlich nach einem längeren Zeitraum mündlicher Überlieferung, seit dem 16. Jahrhundert schriftlich fixiert vor. Sie ist in drei voneinander abweichenden Versionen überliefert:
- In einer Sammelhandschrift des Regensburger Augustiner-Eremiten Hieronymus Streitel, zwischen 1510 und 1519 entstanden. Dieser Textfassung folgt auch der Geschichtsschreiber Wiguläus Hundt in seiner Darstellung der Geschichte des Geschlechts der Dollinger.
- Auf Klapptafeln im Regensburger Dollingersaal (heute im Museum der Stadt Regensburg), entstanden ca. 1552. Diese bekannteste Textfassung wurde in modernisierter Schreibweise von Achim von Arnim und Clemens Brentano unter dem Titel „Der Dollinger. Kurzgefasste Nachrichten von denen in den Ringmauern der Stadt Regensburg gelegenen Stiftern (Regensburg 1723) S. 172“ in den ersten Band der Sammlung Des Knaben Wunderhorn (1806) aufgenommen und erfuhr dadurch weite Verbreitung.
- Bei dem fürstbischöflichen Chronisten Johann Sigismund Brechtel findet sich eine bemerkenswerte Variante des Dollingerlieds, in der Craco nicht als Türke, sondern als Hunne bezeichnet wird, und die daher möglicherweise auf ältere Quellen zurückgeht.
[Bearbeiten] Die Dollingersage in historischen Chroniken
Dollingersage und -lied finden sich ab dem späten 16. Jahrhundert in den meisten Regensburger Chroniken. Abgesehen von dem schon erwähnten Johann Sigismund Brechtel, der in seiner Chronik die Dollingersage gleich in drei Fassungen (zwei gereimte und eine Prosafassung) darstellt, herrschen in späteren Darstellungen Prosafassungen vor. Wichtige Textzeugen stammen u. a. von den Chronisten Johann Ludwig Gottfried (1642), Johann Carl Paricius (1753) und Joseph Rudolph Schuegraf (1846).
[Bearbeiten] Neuzeitliche Bearbeitungen
- Emanuel Schikaneder: Hans Dollinger oder das heimliche Blutgericht (1788)
- anonym: Das Dollingerspiel. (Puppenspiel, ca. 19. Jahrhundert)
- Sigfrid Färber: Dollinger und Krako (1954)
- Joseph Berlinger: Dollinger. Ein Spiel. (1995)
[Bearbeiten] Das Dollingerlied
(Überlieferung von 1552)
- Es rait ein Türck aus Türckhen Lanndt
- Er rait gen Regenspurg in die stat
- Da Stechen wardt von Stechen war im wolbekhant.
- Da rait er fuer des Kaysers thuer
- Ist niemant hin der kumb herfuer
- Der stechen Well vmb leib vmb Seel vmb guet vmb Ehr
- vnnd das dem Teuffl die Seel wer.
- Da warn die Stecher all verschwigen
- kainer wolt dem Türckhen nit obligen
- dem Laidigen man
- der so frefflich Stechen khan.
- Da sprach der Kayser zornigklig
- wie steht mein hoff so lästerlich
- hab ich khain man
- Der Stechen khan
- vmb leib vmb Seel vmb guet vmb ehr
- vnd das vnserm herrn die seel wer.
- Da sprang der Dollinger herfuer
- wol vmb wol vmb ich mues hinfuer
- an den laidigen Man
- der so frefflich Stechen khan.
- Das erste reuten das sie da theten
- Sie füerten gegen einander
- Zway scharffe Speer
- Das ain gieng hin das ander gieng her
- Da stach der Türck den Dollinger ab
- das er an dem rückhen lag.
- O Jhesu Christ steh mir ietz bey
- Steck mir ein Zwey sind Irer drey
- Bin ich allain vnnd fuer mein Seel in das Ewig himelreiche.
- Da reit der Kayser zum Dollinger so behendt
- er füert ein kreutz in seiner henndt
- Er strichs dem Dollinger über sein mundt
- Der Dollinger sprang auff war frisch vnnd gesundt.
- Das ander reiten das sie da theten
- da stach der Dollinger denn Türckhen ab
- Das er an dem ruckhenn lag.
- Du verheuter Teuffl nun Stehe im bey
- sind irer drey bin ich allain,
- Vnnd füer sein Seel in die bitter helle Beyn.
[Bearbeiten] Literatur
- Karl Heinz Göller, Herbert W. Wurster: Das Regensburger Dollingerlied. Mittelbayerische Druck- und Verlagsgesellschaft, Regensburg 1980, ISBN 3-921114-07-1