Hydraulische Gesellschaft
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Eine Hydraulische Gesellschaft (altgriechisch υδραυλική, hydraulikè von ύδορ, hýdor - das Wasser und αυλός, aulós - das Rohr, die Flöte) ist nach dem Soziologen Karl A. Wittfogel (1896-1988) eine Kultur und Gesellschaft, deren (land)wirtschaftlicher und politischer Fortbestand und Entwicklungpotential entscheidend von einer erfolgreich vernetzten Wasserbau-Großtechnik (zumal von Deichbau, Kanalsystemen, Überflutungsregulierungen, Schleusen) abhängen.
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[Bearbeiten] Zentrale soziologische Merkmale
Hierfür haben sich historisch religiös durch einen Staatskult (oft mit einer mächtigen Priesterschaft) abgestützte zentralisierte typische Herrschaftsformen (“hydraulic empire”, “water monopoly empire”, “Hydraulischer Despotismus”) mit planwirtschaftlich mächtiger und fachlich für ingenieursmäßigen Wasserbau spezialisierter Bürokratie (im Sinne Max Webers) und hoher Rechtssicherheit heraus gebildet. Es erklärt z.B. den besonderen Charakter eines Gottkönigtums bei gleichzeitig früher Schriftkultur, Urbanisierung, fortgeschrittener Arbeitsteilung (sozialer Differenzierung) und hoher Entwicklung von rationaler Mathematik, Astronomie und Ingenieurswissenschaft.
[Bearbeiten] Vorkommen
Klassisch sind dafür bereits im Altertum das chinesische Kaisertum zur Zähmung des Hoangho, die im Punjab am Indus früh erscheinende Hochkultur, die Regulierung des Euphrat und Tigris in Mesopotamien (vgl. Babylonisches Reich) das ägyptische Pharaonentum am mittleren und unteren Nil und – mit Abstrichen – das Azteken- und das Inkareich in Mexiko (vgl. Tenochtitlan) bzw. Peru vor ihrer Zerstörung durch den spanischen Imperialismus. Ein eingeschränktes Beispiel innerhalb der ‘westlichen’ Kulturen sind hier die Niederlande (als die erste politische Großmacht des europäischen Bürgertums), die nicht nur auf Fernhandel und Manufaktur fußten, sondern stark auch auf die gemeinsame Kultivierung des Rheindeltas und den Kampf gegen den “Blanken Hans” (die Sturmfluten der Nordsee) und somit auf die effiziente Vereinigung von Stadtrepubliken verwiesen waren.
[Bearbeiten] Diskussion
Wittfogels Konzentration auf die Einzelzüge des “orientalischen Despotismus” mit starkem Priestertum ist mehrfach (etwa von Joseph Needham am Beispiel Chinas) kritisiert worden, der Ausdruck "Hydraulische Kultur" wird aber zur Beschreibung dieser (ideal)typischen Sozialstruktur noch heute (2006) verwendet.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Desertifikation (Wüstenwachstum) und Wüste
- Trockenlegung von Sümpfen
- Despotismus; im Marxismus: die Asiatische Produktionsweise
- Zentralverwaltungswirtschaft
- Katastrophe und Katastrophenschutz
- Hydraulik
[Bearbeiten] Literatur
- «Die hydraulische Gesellschaft und das Gespenst der asiatischen Restauration.» Gespräch mit Karl August Wittfogel, in: Mathias Greffrath (1989): Die Zerstörung einer Zukunft. Gespräche mit emigrierten Sozialwissenschaftlern. Frankfurt a.M.: Campus, 263 - 310.
- Literaturvergleich und Kritik zu Wittfogels These einer „hydraulischen Despotie“, wonach die frühen orientalischen Imperien ihre Macht primär auf der Wasserregulierungstechnik gründeten, in:
- Breuer, Stefan (1991): Max Webers Herrschaftssoziologie. Frankfurt a.M.: Campus, S. 110f. ISBN 3593344580