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Karl Bonhoeffer

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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Karl Friedrich Bonhoeffer (* 31. März 1868 in Neresheim (Württemberg); † 4. Dezember 1948 in Berlin) war ein Psychiater, Neurologe und Medizinischer Gutachter.

Mit seiner Frau Paula von Hase, einer Tochter des Theologen Karl Alfred von Hase, hatte er insgesamt acht Kinder: Karl Friedrich, Walter, Klaus, Ursula, Christine, Dietrich und dessen Zwillingsschwester Sabine sowie Susanne.


Nach ihm wurde die Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Berlin-Reinickendorf benannt.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Überblick

Bonhoeffer studierte von 1887 bis 1892 Medizin an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, in Berlin und München. Eine erste Anstellung fand er im heimatlichen Heidenheim, wenig später folgten 20 Jahre in Breslau als Leiter der Psychiatrischen Klinik und der Beobachtungsstation für „geisteskranke Verbrecher“, die nur kurz unterbrochen waren für die Zeit 1903/1904 in Königsberg und Heidelberg. 1897 habilitierte er sich an der Universität Breslau, und hier entstanden seine als wissenschaftlich anerkannten Arbeiten über Alkohol-, „Degenerations“- und symptomatische Psychosen, die seinen Ruhm begründeten und ihm 1912 das damals in Deutschland führende Ordinariat für Psychiatrie und Neurologie an der Berliner Charité einbrachten, das er bis 1938 innehatte.

Bonhoeffers Anliegen im beruflichen Bereich war es, die Psychiatrie als anerkanntes, wissenschaftliches Fach in der Medizin fest zu etablieren und weg von der reinen „Anstaltsmedizin“ weiterzuentwickeln. So hatte er die Vorstellung, dass „psychische Krankheiten“ in nervenärztlichen und Allgemeinpraxen, in Ambulatorien und Polikliniken behandelt werden sollen. Zu allen die damalige Öffentlichkeit dominierenden psychiatrischen Fragen war Bonhoeffer als Gutachter tätig, beispielsweise zur „verminderten Zurechnungsfähigkeit“ (die damals in das Strafgesetzbuch eingeführt wurde), zu Renten-, Unfall- und Kriegsneurosen, zur Bekämpfung des Morphinismus und Kokainismus usw.

Als Gutachter war Bonhoeffer während der Zeit des Nationalsozialismus an Zwangssterilisationen beteiligt. Beispielsweise empfahl er am 9. Dezember 1941 die Zwangssterilisierung des als „Halbjuden“ klassifizierten Gottfried Hirschberg. Des weiteren stellte er dem mutmaßlichen Reichstagsbrandstifter Marinus van der Lubbe ein psychiatrisches Gutachten aus, in dem er diesem geistige Zurechnungsfähigkeit bescheinigte.

Von 1934 bis 1938 soll Bonhoeffer mindestens 68 Gutachten angefertigt haben, von denen die knappe Hälfte den Vermerk „Sterilisation“ enthalten hätten. Nach Angaben seiner Biographen erfolgte aus seiner Sprechstunde heraus jedoch keine Meldung zur Sterilisation, obwohl er gesetzlich dazu verpflichtet gewesen wäre.

Bonhoeffer leistete nach Auffassung einiger Historiker in der Zeit des Nationalsozialismus Widerstand gegen das „Euthanasie“-Programm, die Tötung psychiatrisch Kranker im Rahmen der Aktion T4, indem er Kontakt mit damals Verantwortlichen und mit GegnerInnen der T4-Aktion aufnahm, zum Beispiel mit Friedrich von Bodelschwingh.

Erfolglos bemühte er sich bei der Verwaltung der Charité, die Entlassung der jüdischen Ärzte Paul Jossmann (1891-1978), Arthur Kronfeld (1886-1941), Franz Kramer (1878-1967), Erwin Straus (1891-1975) und anderer zu verhindern.

Karl Bonhoeffer unterstützte außerdem seinen 1906 geborenen Sohn Dietrich, der als protestantischer Theologe und Vorkämpfer in der Bekennenden Kirche im April 1943 aus dem Hause seines Vaters abgeholt und kurz vor Kriegsende am 9. April 1945 als Widerstandskämpfer hingerichtet wurde. Auch einige seiner anderen Kinder waren im Widerstand aktiv.

Am 18. August 1942 wurde Bonhoeffer zum außerordentlichen Mitglied des wissenschaftlichen Senats des Heeres-Sanitätswesens ernannt.

[Bearbeiten] Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses

Ein spezieller Punkt war das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“, zur Unfruchtbarmachung der „geistig Minderwertigen“, welches 1934 in Kraft getreten war. Bonhoeffer, der die Eugenik grundsätzlich befürwortete, versuchte nach Auffassung einiger Historiker, die negativen Auswirkungen des Gesetzes durch Publikationen und Lehrgänge abzumildern. Zu diesem Zweck wollte er möglicherweise den Kreis der zwangsweise zu sterilisierenden Menschen durch eine klare psychiatrische Diagnose eingeschränkt sehen.

So schrieb Bonhoeffer im Vorwort eines 1934 erschienenen Buches, das in der Zeit des Nationalsozialismus zum Standardwerk wurde:

Von der klinischen Diagnose hängt ja die Entscheidung des Erbgerichts ab, die Sicherheit der Diagnose ist die erste Voraussetzung für alles Weitere. Die Aufgabe des Arztes, insbesondere des Psychiaters, der die Diagnose zu stellen hat, ist also eine äußerst verantwortliche. Es sind nicht bloß die differentiellen Schwierigkeiten der Artdiagnose, die, wie jeder Kliniker weiß, oft nicht gering sind, z. B. bei der Frage, ob symptomatische oder schizophrene Psychose, ob endogene oder reaktive Depression, sondern vielleicht mehr noch solche der quantitativen Ausbildung der Erkrankung. Denn wo die Grenze zwischen einer erbbiologisch unbedenklichen Debilität und einem sicher auszumerzenden Schwachsinn gelegen ist, wann eine endogene Verstimmung dem Grade nach mit Sicherheit dem eigentlichen manisch-depressiven Irresein zuzuweisen ist, läßt sich nicht mit der Schärfe einer Paralysediagnose abgrenzen. […]
Durch das Gesetz [zur Verhütung erbkranken Nachwuchses] sind für die psychiatrische Forschung starke Anregungen gegeben worden. So ist eine weitere Klärung der Kenntnis der Umgrenzung und auch der Verursachung der Schizophrenien und der Epilepsien mehr denn je Erfordernis. Das Studium der Manifestationstendenz von krankhaften Anlagen, ihre Beeinflußbarkeit durch exogene Faktoren gewinnt an Wichtigkeit. Auch bisher vom Kliniker weniger beachtete Fragen, wie z. B. die der Fruchtbarkeit bei den einzelnen Erbkrankheiten, die Häufigkeit des Vorkommens von Organanomalien, welche die Konzeption ausschließen, bedürfen der Untersuchung. Die Verkoppelung von krankhaftem mit eugenisch wertvollem Erbgut in demselben Individuum stellt besondere Aufgaben.
(Die psychiatrischen Aufgaben bei der Ausführung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses - Mit einem Anhang Die Technik der Unfruchtbarmachung. Klinische Vorträge im erbbiologischen Kurs; Hrsg. in Gemeinschaft mit K. Albrecht (u.a.) von K. Bonhoeffer; Berlin: Karger Verlag, März 1934)

[Bearbeiten] Bibliographie

  • Ein Beitrag zur Kenntnis der grosstädtischen Bettel- und Vagabundentums. K. Bonhoeffer. Berlin, 1900.
  • Die akuten Geisteskrankheiten der Gewohnheitstrinker. K. Bonhoeffer. Jena, 1901.
  • Die Psychosen im Gefolge von akuten Infektionen, Allgemeinerkrankungen und inneren Erkrankerungen. In: Handbuch der Psychiatrie. Spezieller Teil, 3:1, 1-120. K. Bonhoeffer. Hrsg. G. Aschaffenburg. Franz Deuticke, Leipzig & Wien. 1912.
  • Die exogenen Reaktionstypen. Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. K. Bonhoeffer. Berlin, 1917, 58: 50-70.
  • Ergebnisse der Reiztherapie bei progressiver Paralyse. Hrsg. K. Bonhoeffer, P. Jossmann. 1932
  • Die psychiatrischen Aufgaben bei der Ausführung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses - Mit einem Anhang Die Technik der Unfruchtbarmachung. Klinische Vorträge im erbbiologischen Kurs. Hrsg. in Gemeinschaft mit K. Albrecht (u.a.) von K. Bonhoeffer. Bln. Karger Vlg. Berlin, März 1934. Faksimile Wiedergabe und Zitate des Buches
  • Die Erbkrankheiten. Klinische Vorträge im 2. erbbiologischen Kurs. Hrsg. K. Bonhoeffer. 1936
  • Die zentralen Bewegungsstörungen. Die akuten und chronischen choreatischen Erkrankungen und die Myoklonien. S.A. Kinnier-Wilson: Die zentralen Bewegungsstörungen, K. Bonhoeffer: Die akuten und chronischen choreatischen Erkrankungen und die Myoklonien. 1936

[Bearbeiten] Literatur

  • Klaus-Jürgen Neumärker: Karl Bonhoeffer. Leben und Werk eines deutschen Psychiaters und Neurologen in seiner Zeit, Leipzig:Hirzel: BSB Teubner 1990, ISBN 3-7401-0145-8

[Bearbeiten] Weblinks


[Bearbeiten] Siehe auch


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