Lothar (Orkan)
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Lothar | ||
---|---|---|
Daten | ||
Entstehung: | 25. Dezember 1999 | |
Auflösung | 27. Dezember 1999 | |
Spitzenböe: | 272 km/h | |
Niedrigster Luftdruck: | 960 hPa | |
Betroffene Regionen: | Nordfrankreich, Süddeutschland, Schweiz, Liechtenstein | |
Todesopfer: | mind. 42 Menschen | |
Schadenhöhe: | etwa 6 Milliarden Euro in den betroffenen Gebieten |
Lothar ist der Name eines Orkantiefs, das sich über der Biskaya entwickelt hatte, und am 26. Dezember 1999 in nordöstlicher Richtung über West- und Mitteleuropa hinweg zog. Der Orkan richtete vor allem in der Schweiz und in Süddeutschland schwere Schäden an.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Verlauf
Aus Westen kommend traf der Sturm vormittags auf den Schwarzwald, die Schweiz und Liechtenstein in seiner ganzen Länge. Der Sturm zog in etwa zweieinhalb Stunden von 10:00 Uhr bis 12:30 Uhr über die Schweiz hinweg. Er kam vom Jura her und überquerte das Mittelland, die Zentralschweiz sowie die Nordostschweiz. Die Südschweiz und die Südostschweiz wurden verschont.
[Bearbeiten] Windgeschwindigkeiten
Auf dem Feldberg im Schwarzwald wurde das Windmessgerät der Wetterstation durch einen Stromausfall außer Betrieb gesetzt; die letzte verwertbare Anzeige war 212 Kilometer pro Stunde. Die stärksten Böen wurden auf dem Wendelstein mit 259 km/h und mit 272 km/h auf dem Hohentwiel bei Singen gemessen; in der Schweiz war der höchste gemessene Wert auf dem Jungfraujoch mit 249 km/h, auf dem Zürcher Hausberg Uetliberg 241 km/h.
Im Flachland betrugen die Böenspitzen in der Schweiz verbreitet 140 km/h, selbst in Tallagen. In Brienz waren außergewöhnliche 181 km/h gemessen worden, in Vaduz (FL) 165 km/h. In Deutschland war der höchste Wert in Karlsruhe mit 151 km/h.
[Bearbeiten] Auswirkungen
[Bearbeiten] Menschenleben
In Folge des Sturms und der Aufräumarbeiten starben mehrere Menschen. In Baden-Württemberg wurden am Sturmtag 13 Menschen getötet, in der Schweiz starben 14 Menschen. Auch Wochen nach dem Sturm kamen während der Aufräumarbeiten noch Menschen zu Tode, und zwar überwiegend im Privatwald, wo wenig geschulte Waldbesitzer und ihre Angehörigen bei den Holzbergungsarbeiten meist von unter Spannung stehenden Baumstämmen erschlagen wurden. In der Schweiz starben alleine aus diesen Gründen 15 Menschen.
[Bearbeiten] Infrastruktur
Im Kanton Nidwalden wurden 20 % aller Gebäude beschädigt. Die Autobahn 8 zwischen Heimsheim und Karlsruhe war mehrere Tage vollkommen verschüttet. Durch umstürzende Bäume und Fahrleitungsrisse wurden zahlreiche Eisenbahnverbindungen in der gesamten Deutschschweiz unterbrochen. Die SBB hielten den Betrieb jedoch entsprechend den Umständen auf den nicht betroffenen Linien aufrecht. In Deutschland musste aufgrund gerissener Fahrdrähte der Betrieb auf einigen Strecken eingestellt werden (z.B. auf der Gäubahn zwischen Stuttgart und Rottweil).
[Bearbeiten] Waldschäden
In vielen Teilen Süddeutschlands, vor allem im Schwarzwald, Schönbuch und Rammert, aber auch in Frankreich und in der Schweiz entstanden durch den Orkan sehr große Waldschäden. In Baden-Würtenberg fiel das Dreifache des Jahreseinschlages (30 Mio. fm). In Bayern fielen 4,3 Mio fm Lothar zum Opfer. Betroffen waren vor allem Nadelholzbestände; Laubholz wurde fast nur im Mischwald geworfen. In der Schweiz wurden 10 Millionen Bäume (12,5 Millionen Kubikmeter Holz) umgeworfen. In vielen Forstrevieren wurde ein Mehrfaches des jährlichen Holzeinschlags geworfen. Die Schadenssumme in der Schweiz alleine an Holz betrug 750 Millionen Franken.
Aufräumarbeiten, Versorgung der Bevölkerung und Schadenaufnahme begannen oft noch am Tag des Sturmes durch Einsatzkräfte der Feuerwehr, der Bergwacht Schwarzwald, des Deutsches Rotes Kreuz, des Technischen Hilfswerks und der Polizei. Auch die Bundeswehr, darunter auch Soldaten der deutsch-französischen Brigade aus Donaueschingen wurden herangezogen. Im Staatswald kamen später auch Helfer aus den weniger geschädigten Bundesländern, z. B. Thüringen, zum Einsatz. Spezial- und Bergefahrzeuge wurden samt Besatzung z. T. aus dem Ausland beordert. Sogar Forstunternehmen aus Schweden, Finnland und Polen arbeiteten im Frühjahr 2000 das Sturmholz auf. Durch quer liegende Stämme kam es lokal zu tagelangen Straßensperren und erheblichen Störungen des Schienenverkehrs. Außerdem wurden in Dörfern und Städten zahlreiche Dächer abgedeckt. Vielerorts kam es zu Stromausfällen aufgrund zerrissener Leitungen und zu Störungen des Festnetzes der Deutschen Telekom. Die Koordinierung der Aufräumarbeiten wurde im Gegensatz zu früheren Sturmkatastrophen durch den Einsatz von Funktelefonen erleichtert.
[Bearbeiten] Schadenssumme
Der Sturm hat in der Schweiz einen Schaden in Milliardenhöhe verursacht. Neben den 600 Millionen Franken an Waldschäden kamen noch 600 Millionen Franken an Gebäudeschäden dazu. Die geschätzte Schadenssumme aller quantifizierbaren Schäden soll rund 1,78 Milliarden Franken betragen.
[Bearbeiten] Kritik
Kritik wurde am Deutschen Wetterdienst geübt, der trotz modernster, kurz zuvor angeschaffter Computer keine Sturmwarnung herausgegeben hatte - im Gegensatz zu zahlreichen ausländischen und auch privaten deutschen Wetterdiensten.
[Bearbeiten] Mahnmale
Das Naturschutzzentrum Ruhestein richtete gemeinsam mit dem Staatlichen Forstamt Baiersbronn nahe dem Schliffkopf, direkt an der Schwarzwaldhochstraße Ende Juni 2003 den Sturmwurferlebnispfad „Lotharpfad“ ein. Entlang eines 800 m langen Lehr- und Erlebnispfades auf einem 10 ha großem Areal kann naturnahe beobachtet werden, wie nach und nach die Sturmwurffläche neu besiedelt wird. Der „Lotharpfad“ führt dabei über Stege, Leitern und Treppen und bietet Einblicke, wie Naturkräfte wirken, wie die Natur mit einer solchen Fläche umgeht und was von selbst wieder entsteht. Das Naturschutzzentrum Ruhestein bietet Führungen an.
Als Erinnerung an den Sturm wurde unter anderem in der Schweiz der Lothurm gebaut.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Werner Erb (Schriftltg.), Jutta Odenthal-Kahabka (Red.), Wolfgang Püttmann (Red.): Orkan „Lothar“. Bewältigung der Sturmschäden in den Wäldern Baden-Württembergs. Dokumentation, Analyse, Konsequenzen. Schriftenreihe der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg, Band 83. Herausgegeben vom Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum Baden-Württemberg/Landesforstverwaltung Baden-Württemberg. Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg, Freiburg im Breisgau 2004, 443 S.
- Winfried Bücking (Red.): Sturmwurfbannwälder nach „Lothar“. Forstliche Grundaufnahmen und Luftbildanalysen. Waldschutzgebiete Baden-Württemberg, Band 9. Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg, - Abteilung Waldökologie -, Freiburg im Breisgau 2006, 214 S.
[Bearbeiten] Weblinks
- Münchener Rück zu den Winterstürmen 1999
- Deutsche Rück zu den Winterstürmen 1999
- Winterstürme in Deutschland
- Informationen zu Lothar beim Deutschen Wetterdienst.
- Die Auswirkungen von Lothar in Baden-Baden
- Naturschutzzentrum Ruhestein zum Lotharpfad
- Informationen der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg über den Lotharpfad mit Bildern
- Reisebericht „Nach dem Sturm“ in der ZEIT v. 21. August 2003
- Satellitenbild von Lothar
Kategorien: Orkan | 1999 | Waldschutz