Verführung
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Verführung bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch, eine Person so zu "manipulieren", dass sie etwas tut, was sie eigentlich nicht wollte (z.B. etwas kaufen). Im Speziellen bedeutet Verführung eine Form der gewaltfreien Überwindung von Widerständen zum Erreichen sexueller Befriedigung, z.B. durch das Herstellen einer erotischen Atmosphäre.
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[Bearbeiten] Sigmund Freud
Bei Sigmund Freud bedeutet die Verführungstheorie die Leugnung sexuellen Missbrauchs. Ursprünglich sah er einen Zusammenhang zwischen der Entstehung von Hysterie und dem Erleben von Missbrauch in der Kindheit. Später ersetzte er diesen Ansatz durch die Theorie, Kinder würden sich den sexuellen Missbrauch durch den gegengeschlechtlichen Elternteil wünschen, woraus er den Ödipuskomplex ableitete.
[Bearbeiten] Max Weber
Nach Max Weber ist die Verführung eine Form der Machtausübung und Herrschaft. Sie ist das Hauptmerkmal des charismatischen Charakters. Der charismatische Charakter vermag, durch seine Begeisterungsfähigkeit andere Menschen für sich und seine Ziele zu vereinnahmen. Diese Fähigkeit wird und wurde gebraucht, um Menschen zu helfen, wie es Albert Schweitzer und Mahatma Gandhi getan haben; allerdings wurden auch Diktaturen durch charismatische Personen geschaffen, z.B. durch Adolf Hitler und Benito Mussolini.
[Bearbeiten] Verführung im Alltag
Heute wird der Begriff oft im Zusammenhang mit Konsumgesellschaft und Werbung verwendet.
Ein weiterer Bereich der Verführung ist das private Leben. Hier lässt sich praktisch lernen und üben, was dann in den weiteren Kreisen des Lebens Anwendung finden kann. Bei Beziehungen kann die Verführung die Neubildung einer Beziehung zweier Menschen sein, die zur Liebesbeziehung (auch Fremdgehen oder Liebesaffäre) führt. Eine Verführung kann auch bedeuten, einen Geschlechtspartner zur Kopulation zu verleiten. Es gibt wohl keinen Bereich des Lebens, in dem nicht auch die Verführungskunst zur Anwendung kommt.
[Bearbeiten] Verführung und Überzeugung
In der Überzeugungskraft findet sich eine verwandte Form der Verführung. Die Überzeugungskraft findet ihren Anschluss über Argumente. Erklären, Begreifen und letztlich das Verstehen, sie bilden hier die Schlüsselpositionen.
Auch hier findet sich der negative Bruder der Verführung: die Manipulation. Mittels bestimmter Techniken können Menschen von Dingen oder Vorstellungen (zumindest zeitweise) begeistert werden, die für sie weder gut noch objektiv nachvollziehbar sind.
[Bearbeiten] Seduktion: Verführung als persuasionstheoretischer Spezialfall - Rhetorik der Verführung
Aus Sicht der Persuasionstheorie können wir den Begriff der Verführung (besser: Seduktion) als eine spezielle Art der Persuasion bzw. als ein besonderes Persuasionssetting (Persuasion unter besonderen Rahmenbedingungen) betrachten. Die Persuasionsleistung besteht darin, dass der Sender (der rhetorische Terminus Technicus lautet: Orator) den Adressaten von einem mentalen Zustand a) in einen Zustand b) bringt und zwar durch das Ausagieren von - verbalen oder nonverbalen - Texten (z.B: Redetexte, Schrifttexte, Bildtexte usw.). Im Fall der Verführung/Seduktion gilt es, den Rezipienten vom Zustand des a) "nicht-verliebt-Seins" in den des b) "verliebt-Seins" zu bringen. Diese Zustandsänderung bezeichnen wir als Wechsel (Metabolie), den Affekt des "verliebt-Seins" als Amor-Affekt. Hierbei muss der Amor-Affekt natürlich gerichtet sein und zwar auf den Sender (Orator).
Strategie der Amor-Affekt-Implementierung: Um unser Ziel (griechisch: Telos) - die Implementierung eines auf den Sender gerichteten Amor-Affekts beim Rezipienten - zu erreichen, kommt es zunächst auf die Erweckung dieses Affekts beim Sender an: Ein Affekt kann vom Sender beim Adressaten nur implementiert werden, wenn der Sender diesen Affekt selber verspürt bzw. zu verspüren scheint. Klassisches Beispiel ist ein Schauspieler der das Publikum zu Tränen rühren soll. Bereits die antike Rhetorik-Theorie bezeugt, dass dies nur gelingen kann, wenn der Schauspieler/Orator sich selbst in den emotionalen Zustand der Traurigkeit bringt oder gar zu weinen anfängt, sofern er das Publikum dazu bewegen will. (Vgl. Cicero: De Oratore; Quintilian: Institutio Oratoria). Da nun beim Verführenden/Sender/Orator in der Regel bereits ein gewisses Begehren der Zielperson vorliegt (die Rhetorik redet vom "Zertum"), gilt es, dieses Begehren durch rhetorisch-elokutionäres Ausagieren so weit zu steigern, dass der emotionale Zustand des "verliebt-Seins", d.h. der Amor-Affekt, glaubhaft vom Verführenden simuliert wird und sich so auf den Adressaten/Verführten überträgt. Die Simulation des Amor-Affekts durch den Sender bewirkt nicht nur die Erzeugung desselben beim Adressaten, sondern führt gleichzeitig zu einer (notwendigen) Steigerung des Affekts im Sender selbst, und dieser gesteigerte Affekt im Sender wirkt wiederum auf den Rezipienten. Das Vorhandensein bzw. scheinbare Vorhandensein des Affekts im Bewusstsein des Senders ist also notwendige Bedingung für die Implementierung des Affekts im Bewusstsein des Rezipienten: Affekterregung muss immer Affektübertragung sein: Liebe (Amor) wird erzeugt, indem man Liebe vorspielt/hochspielt (amplifiziert). Da bei diesem Prozess Sender und Adressaten sich (durch die Strategie des Senders!) emotional angleichen, kann man von einer Assimilations-Strategie (Assimilation: (lat.) "Ähnlichmachung") oder von Seduktion durch Assimilation sprechen.
Siehe auch: Hypnose, NLP, Suggestion
[Bearbeiten] Verführungskunst und sexuelle Verführung
Mit Verführungskunst bezeichnet man alle kommunikativen Strategien und Handlungen, mit denen eine Person eine andere Person für sexuelle Handlungen gewinnt. Seit langer Zeit gibt es Autoren, die hierfür Ratschläge und Systeme von Verhaltensweisen anbieten. Schon das indische Werk Kamasutra lehrt nicht nur Liebes- und Sexualtechniken, sondern enthält auch Anweisungen zur Verführung. Ein weiteres berühmtes Buch zur Verführungskunst ist das Werk Ars amatoria oder ars amandi des römischen Dichters Ovid, der wegen dieses Werkes aus Rom verbannt wurde. Grund waren nicht die ebenfalls im Buch enthaltenen Anweisungen für gelungene sexuelle Begegnungen, sondern die Abschnitte über erfolgreiches Verführen. Ars amandi war das ganze Mittelalter hindurch das maßgebliche Werk zur Verführungs- und Liebeskunst.
In neuerer Zeit wird der Begriff auch von einigen Autoren für eine Reihe von Flirt-Techniken verwendet, von denen behauptet wird, dass sie jede beliebige Frau verführen können. Die Techniken werden auch als "Aufreißen" bezeichnet. Dazu gehören u.a. Neurolinguistische Programmierung und bestimmte psychologische Tricks, die z.B. in einem Club oder auf der Straße (Street-Sarging) angewendet werden. Die Techniken sollen sich von gewöhnlichen Annäherungsversuchen abgrenzen. Dabei werden angeblich sogenannte "Urinstinkte" angesprochen, um Interesse zu wecken. Propagiert wurden diese Methoden von "Gurus" wie David DeAngelo, oder dem Kanadier Erik von Markovik. Allgemeiner bekannt wurden die Techniken durch das Buch The Game Undercover in the Secret Society of Pickup Artists von Neil Strauss [1]. Die deutsche Fassung des Buches erschien unter dem Titel Die perfekte Masche.
[Bearbeiten] Strafrecht
Bis 1994 war im Strafgesetzbuch der § 182 StGB mit der Überschrift Verführung bezeichnet.
[Bearbeiten] Literatur
[Bearbeiten] Wissenschaftliche Werke
- Wilfried Stroh: Rhetorik und Erotik; Eine Studie zu Ovids liebesdidaktischen Gedichten; In: Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft, hrsgg. v. Joachim Latacz - Günter Neumann - Ernst Siegmann, Würzburg 1979 (5).
- Vance Packard: Die geheimen Verführer, 1958, ISBN 3548340326
[Bearbeiten] Erzählende Literatur
- Baudrillard, Jean: Die Macht der Verführung. Audio-CD, 67 Minuten (Originalaufnahme in deutscher Sprache), Köln: supposé 2006.
- Greene, Robert: Die 24 Gesetze der Verführung, dtv, 2004.
- Gruber, Sabine M.: Michaels Verführung. Roman, Literaturedition, 2003
- Ovid: Liebeskunst / Ars amatoria, [Reclam]], Ditzingen 1992.
[Bearbeiten] Film
Jane Austens Roman "Überredung" wurde verfilmt und heißt in der deutschen Fassung "Verführung".
[Bearbeiten] Schach
Im Problemschach ist eine "Verführung" ein (nicht leicht aufzufindender) scheinbarer Lösungsweg für ein Schachproblem. Zur schwierigen Lösung auch noch eine schwer aufzudeckende Verführung hinein zu komponieren, gilt als meisterhaft.