Alzenau (Freigericht)
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Historisches Amt in der Grafschaft Hanau-Münzenberg, Kondominium mit dem Kurfürstentum Mainz. Ältere Bezeichnung auch: Freigericht Wilmundsheim.
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[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Mittelalter
Das Freigericht hat seinen Ursprung in den Zentgerichten Somborn, Alzenau, Hörstein und Mömbris, die die Markgenossenschaft Wilmundsheim vor der Hart bildeten. Die freien Märker versammelten sich jedes Jahr in Alzenau, um den Landrichter und die Förster zu wählen und andere die Gemeinschaft betreffende Entscheidungen zu fällen. Jedes Dorf stellte, entsprechend der Anzahl seiner Freien, Schöffen, die gerichtliche Kompetenzen hatten.
Ein Drittel des Freigerichts Alzenau wurde 1358 von den Herren von Hanau von den Herren von Rannenberg erworben. 1425 wurden weitere Anteile von Hanau als „Pfand“ (heute würde man das eine dingliche Sicherheit nennen) durch Hanau von den Herren von Eppstein erworben. 1500 erhielt die Grafschaft Hanau-Münzenberg die Hälfte des Freigerichts Alzenau als Reichslehen. Die andere Hälfte gehörte dem Erzbistum Mainz, das auch die kirchliche Jurisdiktion ausübte. Deshalb breitete sich die Reformation hier auch – im Gegensatz zur Grafschaft Hanau-Münzenberg – nicht aus.
[Bearbeiten] Frühe Neuzeit
Seit der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert kam es zu Auseinandersetzungen zwischen der Herrschaft und den Untertanen, die auf ihre überkommenen Selbstbetimmungsrechte nicht verzichteten wollten, was im Gegensatz zu der Polizik der Territorialherren stand, ihre Territorien in frühstaatlichen Formen auszubauen und zu konsolidieren. Die Untertanen widersetzten sich den Anordnungen der Herrschaft. Daraufhin besetzten der Kurfürst von Mainz und Graf Reinhard IV. von Hanau 1502 das Land militärisch. Der Widerstand der Untertanen blieb jedoch ungebrochen. Deshalb kam es 1529 zu einer Bestätigung der hergebrachten Rechte.
[Bearbeiten] Im 18. Jahrhundert
Nach dem Tod des letzten Hanauer Grafen, Philipp Reinhard von Hanau, im Jahr 1736, wurde das Freigericht Alzenau seitens Mainz militärisch besetzt. In der Folge entwickelte sich ein heftiger gerichtlicher Streit zwischen den Erben der Grafschaft Hanau-Münzenberg, den Landgrafen von Hessen-Kassel und dem Kurfürsten von Mainz, der bis 1740/48 andauerte und dann durch einen Vergleich beendet wurde, dem sogenannten „Partifikationsrezess“. Danach fielen an Hessen-Kassel-Hanau: Die Pfarrei Somborn (Altenmittlau, Bernbach, Horbach, Neuses, Somborn), ohne Albstadt, der Rest an Mainz. Hessen-Kassel-Hanau verwaltete seinen Anteil durch das Amt Altenhaßlau.
Die Freigerichter kämpften auch gegenüber ihrem neuen Landesherrn um Anerkennung ihrer Privilegien und führten Prozesse vor dem Reichshofrat in Wien (1775–78) und dem Reichskammergericht in Wetzlar (1795–1806).
[Bearbeiten] Bestandteile
- Albstadt
- Altenmittlau
- Alzenau
- Bernbach
- Harbach
- Hemsbach
- Hörstein
- Horbach
- Kälberau
- Kahl (vor 1609 an Mainz)
- Michelbach
- Mömbris (vor 1609 an Mainz)
- Neuses
- Neustadt (Wüstung)
- Steinheim
- Somborn
- Wasserlos
- Welzheim
[Bearbeiten] Literatur
- Appel, O.: Politische Tätigkeit Ulrichs III. = Hanauer Geschichtsblätter 5.
- Brückner, Heinrich: Das Freigericht Willmundsheim vor der Hart in seinem rechtlichen Charakter und Ursprung. In: Archiv des historischen Vereins für Unterfranken und Aschaffenburg 68, Würzburg 1929.
- Dannebauer, Heinrich: Grundlagen der mittelalterlichen Welt, Stuttgart 1958, S. 309-328
- Demandt, K.E.: Geschichte des Landes Hessen, 2. Aufl., 1972, S. 293.
- Dietrich, Reinhard: Hanauer Deduktionsschriften, in: Hanauer Geschichtsblätter 31, Hanau 1993, S. 149ff, Nr. 5, 8, 10, 16, 18, 22, 28, 29, 43, 48, 54, 57, 79, 85, 105, 111, 114, 121, 129, 131.
- Engelhard, Regenerus: Erdbeschreibung der Hessischen Lande Casselischen Antheiles mit Anmerkungen aus der Geschichte und aus Urkunden erläutert, Teil 2, Cassel 1778, ND 2004, S. 788ff.
- Fächer, Josef: Alzenau, München.
- Fächer, Josef: Territorialentwicklung im Raum des heutigen Alzenau [Teildruck].
- Grebner, Christian: Die Beziehungen Steinheims zum Freigericht Wilmundsheim-Alzenau im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. In: Steinheimer Jahrbuch 3 (1993), S. 9ff.
- Grebner, Christian: Ein ungewöhnliches Amt ... In: Spessart 5/1996.
- Groeber, Karl: Bezirksamt Alzenau.
- Hupach, Paul: Der Freigerichter Reichshofratsprozeß in Wien (1775-1779). In: Zwischen Vogelsberg und Spessart. Heimat-Jahrbuch des Kreises Gelnhausen 1962, S. 72-74.
- Leucht, Christian Leonhard: Europäische Staats-Canzley, Bde. 70-79,81,83.
- Puchert, Helmut: Der Hessische Spessart. Beiträge zur Forst- und Jagdgeschichte = Mitteilungen der Hessischen Landesforstverwaltung 23 = Schriftenreihe des Hessischen Forstkulturhistorischen Museums Bieber 3.
- Steiner, Johann Wilhelm Christian: Geschichte und Topographie des Freigerichts Wilmundsheim vor dem Berge oder Freigerichts Alzenau, Aschaffenburg 1820. [HUHess: VII Wil S].
- Wille, Richard: Die letzten Grafen von Hanau-Lichtenberg, S. 66.