Augsburger Reichs- und Religionsfrieden
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Der Augsburger Reichs- und Religionsfrieden wurde am 25. September 1555 auf dem Reichstag zu Augsburg zwischen Ferdinand I., der seinen Bruder Kaiser Karl V. vertrat, und den Reichsständen geschlossen. Als Reichsgesetz für das Heilige Römische Reich Deutscher Nation sicherte er den Anhängern der Confessio Augustana Frieden und ihre Besitzstände zu.
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[Bearbeiten] Geschichte
Nach der kaiserlichen Ablehnung der Confessio Augustana auf dem Augsburger Reichstag von 1530 bildete sich ein Jahr später der Schmalkaldische Bund als Bündnis der protestantischen Reichsstände. Dieser verlor 1547 den Schmalkaldischen Krieg gegen Kaiser Karl V. und musste widerwillig das Augsburger Interim annehmen, welches von allen Forderungen der Reformation bis zur endgültigen Klärung durch ein Konzil nur den Laienkelch und die Priesterehe gewährte.
Kaiser Karls Plan der Spanischen Sukzession, nach dem die Kaiserwürde an seinen Sohn Philipp II. von Spanien übergehen sollte, obwohl Ferdinand I. 1531 zum römischen König gewählt worden war, führte zum Widerstand der Fürsten, die um ihre Libertät, ihre Freiheiten, fürchteten.
Kurfürst Moritz von Sachsen erhielt 1547 von Karl V. die Kurwürde des dem Schmalkaldischen Bund angehörenden Johann Friedrich von Sachsen. Der deshalb von den Protestanten Judas von Meißen genannte Moritz wechselte danach die Seite und setzte sich an die Spitze der gegen die Spanische Sukzession aufbegehrenden Fürsten, täuschte Karl 1552 und nötigte ihn zur Flucht. Die Truppen der protestantischen Fürsten drangen bis nach Innsbruck vor.
Ferdinand I. handelte unterdessen mit den Reichsfürsten 1552 den Passauer Vertrag und 1555 den Augsburger Religionsfrieden aus.
Um die nach der Reformation in Deutschland ausbrechenden Unruhen zwischen den protestantischen und katholischen Reichsständen (Schmalkaldischer Krieg / Fürstenaufstand) zu befrieden, kamen die Fürsten und die Stände im September 1555 nach Augsburg, um einen Reichstag abzuhalten. Die Fürsten formulierten hier nicht mehr eine religiöse, sondern eine politische Kompromissformel, der beide Seiten zustimmen konnten: Wer das Land regierte, solle den Glauben bestimmen: „cuius regio, eius religio“ (wessen Land, dessen Religion) - eine Formel, die der Greifswalder Jurist Joachim Stephani 1576 treffend einführte. Das bedeutet aber nicht religiöse Freiheit der Untertanen oder gar Toleranz, sondern Freiheit der Fürsten, ihre Religion zu wählen.
Es war somit ein Sieg der Territorialherren über das Reich, der Sieg der fürstlichen „Libertät“ über die Zentralgewalt, der Sieg über die Idee des universalen christlichen Kaisertums. Der gleichzeitig vereinbarte allgemeine Landfrieden sicherte dem Reich einen inneren Frieden, bis mit Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges 1618 die Gegensätze erneut und umso heftiger und grauenvoller hervortraten.
[Bearbeiten] Inhalt
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"Mit dem Augsburger Religionsfrieden im Jahre 1555 kamen die religionspolitischen, zum Teil auch militärischen Auseinandersetzungen zwischen den evangelischen und katholischen Reichsständen zu einem vorläufigen Ende. Aus dem bisherigen Gegeneinander der evangelischen und der römisch-katholischen Religionsparteien wurde zum ersten Mal ein rechtlich abgesichertes Nebeneinander: die Anerkennung des vormals als „Ketzerei“ bezeichneten evangelischen Glaubens. Mit dem auf dem Augsburger Reichstag geschlossenen Frieden fand das Reformationszeitalter seinen Abschluss. Heutzutage gilt der Augsburger Religionsfrieden als wichtiges historisches Dokument einer modernen interreligiöser Toleranz." (Quelle: Evangelische Kirche in Deutschland, EKD, Kirchenamt Hannover, 2005)
Den weltlichen Reichsständen wird Religionsfreiheit zugesichert, allerdings nicht für den Einzelnen, sondern für den Reichsstand. Getreu dem Motto Cuius regio, eius religio (In wessen Gebiet ich lebe, dessen Religion muss ich annehmen, oder kurz: Wessen Land, dessen Glaube) bedeutete das, dass den Untertanen keine Religionsfreiheit zuteil wurde, sondern diese den Glauben ihres Landesherrn anzunehmen hatten. Das Motto selbst stammt allerdings erst aus dem 17. Jahrhundert. Untertanen, die der jeweils anderen Konfession angehörten, mussten entweder die Konfession wechseln, durften aber auch auswandern. Dieses Recht auf Auswanderung (nur bei unterschiedlichem Bekenntnis) war für damalige Verhältnisse sehr fortschrittlich, insofern es sich um das erste individuelle Grundrecht der deutschen Rechtsgeschichte handelte.
Obwohl die Reformierten erst mit dem Westfälischen Frieden 1648 wirklich gleichberechtigt mit den Katholiken und Lutheranern wurden, gilt der Augsburger Religionsfriede gemeinhin als Abschluss der durch die Reformation bedingten Auseinandersetzungen.
Für die katholischen Fürstbustiers gilt jedoch ein folgenschwerer Geistlicher Vorbehalt (lat. reservatum ecclesiasticum). Der besagt, dass wenn sich ein Bischof entschließt zu konvertieren, er seinen Titel und seine Herrschaft über das jeweilige Territorium verliert. Er muss dann seine ehemalige Diözese verlassen und es wird ein neuer Bischof eingesetzt.
[Bearbeiten] Auszug aus dem Augsburger Reichs- und Religionsfrieden vom 25. September 1555
§14 (Landfriedensformel) "Setzen demnach, ordnen, wollen und gebieten, daß fernerhin niemand, welcher Würde, Standes oder Wesens er auch sei, den anderen befehden, bekriegen, fangen, überziehen, belagern, (...) [möchte], sondern ein jeder den anderen mit rechter Freundschaft und christlicher Liebe entgegentreten soll und durchaus die Kaiserliche Majestät und Wir (der römische König Ferdinand, der für seinen Bruder Karl V. die Verhandlungen führte) alle Stände, und wiederum die Stände Kaiserliche Majestät und Uns, auch ein Stand den anderen, bei dieser nachfolgenden Religionskonstruktion des aufgerichteten Landfriedens in allen Stücken lassen sollen."
§15 (Religionsformel) "Und damit solcher Friede auch trotz der Religionsspaltung, wie es die Notwendigkeit des Heiligen Reiches Deutscher Nationen erfordert, desto beständiger zwischen der Römischen Kaiserlichen Majestät, Uns, sowie den Kurfürsten, Fürsten, und Ständen aufgerichtet und erhalten werden möchte, so sollen die Kaiserliche Majestät, Wir, sowie die Kurfürsten, Fürsten und Stände keinen Stand des Reiches wegen der Augsburgischen Konfession, und deren Lehre, Religion und Glauben in gewaltsamer Weise überziehen, beschädigen, vergewaltigen oder auf anderem Wege wider Erkenntnis, Gewissen und Willen von dieser Augsburgischen Konfession, Glauben, Kirchengebräuchen, Ordnungen und Zeremonien, die sie aufgerichtet haben oder aufrichten werden, in ihren Fürstentümern, Ländern und Herrschaften etwas erzwingen oder durch Mandat erschweren oder verachten, sondern diese Religion, ihr liegendes und fahrendes Hab und Gut, Land, Leute, Herrschaften, Obrigkeiten, Herrlichkeiten und Gerechtigkeiten ruhig und friedlich belassen, und es soll die strittige Religion nicht anders als durch christliche, freundliche und friedliche Mittel und Wege zu einhelligem, christlichem Verständnis und Vergleich gebracht werden."
§18 (Geistlicher Vorbehalt) "...Wo ein Erzbischoff, Bischoff, Prälat oder ein anderer geistliches Stands von Unser alten Religion abtretten würde, dass derselbig sein Erzbistumb, Bistumbe, Prälatur und andere Benificia, auch damit alle Frucht und Einkommen, so er davon gehabt, alsbald ohn einige Verwiderung und Verzug, jedoch seinen Ehren ohnnachteilig, verlassen, auch den Capituln, und denen es von gemeinhin Rechten oder der Kirchen und Stifft Gewohnheiten zugehört, ein Person, der alten Religion verwandt, zu wehlen und zu ordnen zugelassen sehn, welche auch samt der geistlichen Capituln und anderen Kirchen bey der Kirchen und Stifft-Fundationen, Electionen, Präsentationen, Confirmationen, altem Herkommen, Gerechtigkeiten und Gütern, liegend und fahrend, unverhindert und friedlich gelassen werden sollen, jedoch künfftiger Christlicher, freundlicher und endlicher Vergleichung der Religion unvergreifflich."
[Bearbeiten] Literatur
- Thomas Brockmann: Art. "Augsburger Religionsfrieden", in: Enzyklopädie der Neuzeit, Stuttgart 2005, Sp. 848-850. ISBN 3476019357
- Axel Gotthard: Der Augsburger Religionsfrieden, Münster 2004. ISBN 3402038153
- Carl A. Hoffmann u.a. (Hg.): Als Frieden möglich war. 450 Jahre Augsburger Religionsfrieden, Begleitband zur Ausstellung im Maximilianmuseum Augsburg (16.6.-16.10.2005), Regensburg 2005. ISBN 3795417481
- Harm Klueting: Das konfessionelle Zeitalter, Stuttgart 1989. ISBN 3800126117
- Wolfgang Wüst, Georg Kreuzer, Nicola Schümann (Hg.): Der Augsburger Religionsfriede. Ein Epochenereignis und seine regionale Verankerung (Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 98) Augsburg 2005, 416 S., 46 Abb. ISBN 3896395076
[Bearbeiten] Weblinks
- Reichsabschied als Faksimile
- Der Augsburger Reichsabschied ("Augsburger Religionsfrieden") im Volltext
- Offizielle Seite der Stadt Augsburg zum 450-jährigen Bestehen des Augsburger Religionsfriedens mit vielen Veranstaltungshinweisen
- Gerhard Rampp: Wie friedlich war der Augsburger Religionsfrieden? (MIZ Materialen und Informationen zur Zeit, Ausgabe 2-2005)