Diathese (Linguistik)
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Die Diathese (griech. διάθεσις „Aufstellung, Zustand“ ), auch Handlungsrichtung genannt, bezeichnet in der Sprachwissenschaft eine semantische Kategorie, welche das Verhältnis der an der Handlung beteiligen Objekte zueinander beschreibt: wer ist Handlungsträger (Agens), wer oder was ist Objekt der Handlung (Patiens), wer oder was ist Ziel der Handlung (Agendum?). Unterschiedliche Diathese kann Einfluss auf den Satzbau haben („Ich beschenke dich“ vs. „Ich schenke dir“). Die Diathese ist ein Sonderfall von Valenzalternation.
Wird die Diathese morphologisch oder syntaktisch realisiert - zum Beipiel durch Verb-Endungen im Lateinischen oder durch Partizipialkonstruktionen im Deutschen - spricht man vom Genus Verbi, im Deutschen meist als Aktiv („ich brauche“) und Passiv („ich werde gebraucht“) bekannt. In manchen Einzelsprachen kann ein Genus Verbi Ausdruck genau einer Diathese sein, dadurch werden die Begriffe oft als äquivalent erachtet. Dies ist aber nicht korrekt, da in den meisten Sprachen das syntaktische Genus Verbi nicht immer mit nur einer Diathese korrespondiert. Besonders deutlich wird dies in der griechischen Sprache, in der sich die grammatischen Genera Verbi weitgehend von der semantischen Diathese gelöst haben.
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[Bearbeiten] Arten der Diathese
Die Diathese beschreibt die Rolle des Satzsubjektes in einer Handlung:
- Aktiv, das Satzsubjekt ist Handlungsträger: "Hans wäscht das Auto"
- Passiv, das Satzsubjekt ist Objekt einer Handlung "Das Auto wird geschoben"
- Medial, eine Handlung oder Zustandsänderung widerfährt dem Satzsubjekt ohne externes Agens, im Deutschen oft reflexiv ausgedrückt: "Das Seil reißt", "Ich ärgere mich". Im Altgriechischen wurde das die mediale Diathese grammatisch als Medium kategorisiert.
- Reflexiv , das Satzsubjekt ist Objekt seiner eingenen Handlung: "Ich wasche mich"
- Reziprok , mit Mitglieder eines pluralischen Subjektes führen Handlungen an jeweils anderen aus: "Liebet einander", "Schubst euch nicht so!"
[Bearbeiten] Genus Verbi
Das Genus Verbi ist eine grammatische Verbalkategorie, welche morphlogisch flektierend oder syntaktisch analytisch die Diathese einer Aussage ausdrückt. Aus sprachhistorischer, diachroner Sicht ist eine weitgehende Übereinstimmung zwischen einem Genus Verbi und jeweils einer Diathese wahrscheinlich, bei der Beschreibung von aktuellen Einzelsprachen müssen beide Kategorien aber getrennt betrachtet werden, da entweder ganze grammatische Paradigmata verlorengegangen sind (z.B. das Medium), die diathetische Bedeutung aber erhalten geblieben ist, oder aber Verben in ihrem Bedeutungswandel ihr angestammtes grammatisches Paradigma beibehalten haben (z.B. das Passiv) während die Bedeutung ins reflexive oder sogar aktive gewandelt ist. In letzterem Fall spricht man von Deponentien z.B. im Lateinischen oder Griechischem. Das Deutsche hat beispielsweise nur zwei Genera Verbi, Aktiv und Passiv, aber kann durchaus weitere Diathesen ausrücken, z.B. das Reflexiv in einer Satzkonstruktion mit einem Reflexivpronomen als Objekt.
[Bearbeiten] Aktiv und Passiv
In allen Fällen geht es um die Veränderung des Verhältnisses zwischen dem Verb und seinen Mitspielern. So erfordert die Bedeutung eines Verbs z. B. einen handelnden Mitspieler und ein Objekt, an dem die Handlung ausgeübt wird: Das Verb „bewegen“ erfordert einen Beweger und ein bewegtes direktes Objekt. Im typischen Fall ist die handelnde Person das Subjekt des Satzes. Zum Vergleich mit einer Sprache, bei der die Diathese Teil der Flexion ist, hier ein Beispiel (Das Subjekt ist kursiv, das Objekt ist fett, das Verb ist unterstrichen):
Deutsch | Latein |
---|---|
Maria bewegt den Stein. | Maria petram movet. |
In diesem Fall liegt das Aktiv vor. Das Passiv wird gebildet, indem das Verb morphologisch verändert wird:
Deutsch | Latein |
---|---|
Der Stein wird bewegt. | Petra movetur. |
Nun ist nicht mehr der Handelnde das grammatische Subjekt, sondern das Objekt der Handlung ist zum grammatischen Subjekt geworden. Die handelnde Person tritt in den Hintergrund, das Objekt wird zum Thema des Satzes. Die Anzahl der notwendigen Argumente eines Verbs bezeichnet man als seine Valenz. Das Passiv reduziert die Valenz des Verbes, weil das inhaltliche Subjekt nicht mehr notwendig, sondern optional ist. Es kann wieder hinzugestellt werden:
Deutsch | Latein |
---|---|
Der Stein wird von Maria bewegt. | Petra a Maria movetur. |
Im Reflexiv sind Subjekt und Objekt identisch:
Deutsch | Latein |
---|---|
Der Stein bewegt sich. | Petra movetur. |
Damit wird in diesem Fall angezeigt, dass hier nicht mehr klar unterschieden werden kann, ob der Stein nun Subjekt oder Objekt des Vorganges ist. Bei anderen Verben (etwa „waschen“) kann aber auch gemeint sein, dass eine Person eine Handlung an sich selbst vornimmt:
- Peter wäscht sich.
[Bearbeiten] Genus Verbi und Diathese im Neugriechischen
Im Alt- und Neugriechischen so wie auch seltener im Lateinischen gibt es eine Gruppe von Verben, deren grammatisches Genus Verbum nicht mit der durch das Verb ausgedrückten Diathese übereinstimmt. Im dem Fall, dass ein grammatisch passives Verb eine aktive Diathese hat, spricht man von Deponentien. Von diesen Deponentien kann demnach mit grammatischen Mitteln kein semantisches Passiv mehr gebildet werden, da die passive Form „schon besetzt“ ist, ein Sprecher muss in diesem Fall auf lexikalische Mittel zurückgreifen. Im Neugriechischen, desses heutiges Passiv-Paradigma sich aus dem altgriechischem Medium entwickelt hat, sind diese Verben besonders häufig. Für "normale" Verben - sodenn sie beide Genera Verbi ausbilden - gilt jedoch wie im Deutschen, dass das grammatische Aktiv immer die aktive Diathese ausdrückt. Ihr grammatisches Passiv hingegen ist nicht immer der passiven Diathese zuzuordnen, sondern häufig der reflexiven oder reziproken. Ein typisches Beispiel für diese relativ große Gruppe von Verben ist βρίσκω (vrísko) „ich finde“, dessen Passiv βρίσκομαι (vrískome) zumeist nicht „ich werde gefunden“ sondern reflexiv „ich befinde mich“ bedeutet.
- Grammatisches Passiv eines "Normalverbs" hat reflexive Diathese:
- Ο άντρας πλένεται. „Der Mann wäscht sich.“ (Ist das Subjekt kein Lebewesen, wird dagegen die passive Diathese angenommen: „Das Auto wird gewaschen.“)
- Το αγόρι κρύβεται. „Der Junge versteckt sich.“ („Der Junge wird versteckt“ muss mit lexikalischen Mitteln ausgedrückt werden)
- Grammatisches Passiv eines "Normalverbs" hat reziproke Diathese:
- Μη σπρώχνεστε! „Schubst euch nicht!“
- Deponentien (d.h. es gibt nur ein grammatisches Passiv) haben aktive Diathese:
- Έρχομαι, Κοιμάμαι, Στέκομαι: „Ich komme.“ „Ich schlafe.“ „Ich stehe.“
- Viele Deponentien drücken überwiegend, aber nicht ausschließlich die reflexive Diathese aus:
- θυμάμαι, αρνούμαι, αισθάνομαι: „ich erinnere mich.“ „ich weigere mich.“ „ich fühle mich.“
[Bearbeiten] Literatur
- Hans Ruge: Grammatik des Neugriechischen (Lautlehre, Formenlehre, Syntax). Köln 2001.
Aktionsart | Aspekt | Diathese | Grammatische Funktion | Konjugation | Modus | Numerus | Person | Rektion | Tempus | Valenz