Feminist Improvising Group
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Die Feminist Improvising Group war ein Bandprojekt feministischer Improvisationsmusikerinnen und gilt als das erste öffentlich auftretende Frauenensemble in der frei improvisierten Musik.
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[Bearbeiten] Geschichte
Die Feminist Improvising Group wurde 1977 von der Sängerin Maggie Nicols und den Henry Cow-Musikerinnen Lindsay Cooper (Holzblasinstrumente) und Georgie Born (Cello, Bassgitarre) sowie der Trompeterin Corinne Liensol als zunächst britische Band gegründet; Anfang 1979 erweiterte sich das Ensemble um die Pianistin Irène Schweizer (die auch Schlagzeug spielte) und die Posaunistin und Bratscherin Annemarie Roelofs. Auch die Filmemacherin Sally Potter gehörte teilweise zum Kern der Band, spielte Altsaxophon und trat als zweite Sängerin auf.
Die Feminist Improvising Group war innovativ und im damaligen Konzertbetrieb völlig ungewöhnlich, weil sie in ihre Auftritte vielfach theatralische Elemente einbezog und dabei insbesondere den Frauenalltag in unterschiedlichen Facetten thematisierte. Maggie Nicols betonte daher die Eigendynamik, die mit den Auftritten verbunden war und den konkreten Bezug zum alltäglichen Leben der beteiligten Musikerinnen und der Zuschauerinnen: ”Die Leute waren total erschrocken. Denn sie spürten plötzlich die Macht, die von den Frauen ausging. Aber wir hatten dies gar nicht geplant. Wir realisierten selber nicht mehr, was eigentlich geschah. Wir improvisierten unser eigenes Leben, unsere Biographien. Wir ironisierten unsere Situation, pervertierten die Abhängigkeiten, warfen alles hoch in die Luft.” [1]
Dabei entwickelten sie eine eigenständige Musiksprache, um den traditionell über Geschlechterrollen Frauen zugewiesenen Ausdruckselementen etwas entgegenzusetzen. Cooper analysierte: ”Männer benutzen Rhythmus, Technologie und Improvisation, um dieselbe Macht und sexuelle Dominanz auszudrücken, welche die Frauen unterdrückt. Wenn jetzt die Frauen so darauf reagieren, dass sie sich selbst auf melodische und akustische Formen beschränken, statt auch andere Elemente in einer nichtunterdrückenden Art zu gebrauchen (...), dann perpetuieren sie lediglich die alte Definition von Weiblichkeit” (und auch die Machtansprüche von Männlichkeit) [2].
Die Gruppe war mehrfach europaweit auf Tournee. Insbesondere beim FMP-Festival 1979 in Westberlin war das Publikum total begeistert, während die Musikerkollegen sehr gespalten und z.T. heftig ablehnend reagierten. [3]
[Bearbeiten] Wirkung
Die Feminist Improvising Group wirkte alleine schon durch ihre Existenz als Symbol des Ausbruchs aus den patriarchalen Strukturen der Jazz-Szene. Die Entwicklungen um die Feminist Improvising Group beschrieb Irène Schweizer wie folgt: ”Das Ziel war eine reine Frauengruppe. Die Umkehrung: Es gab tausende Männergruppen, aber keine Frauengruppen. Wir wollten zeigen, daß es geht, und das war schon ziemlich provokativ. Vor allem männliche Musiker haben das nicht so leicht gefressen. Das musikalische Niveau war sehr unterschiedlich. Wir wollten aber nicht Leistung zeigen, es ging um die Stimmung unter den Frauen, zu zeigen, was alles in einer reinen Frauenband möglich ist.” [4]
Aus der Feminist Improvising Group entwickelte sich 1983 die personell um Annick Nozati und Joëlle Léandre erweiterte European Women Improvising Group (EWIG). „Der Name Feminist Improvising Group war gewählt worden, weil wir alle in der Frauenbewegung aktiv waren; in den 1980ern begannen die Leute aber den Namen zu kritisieren und sagten, der sei zu politisch ... So nannten wir die Gruppe um, um sie zu öffnen und zu internationalisieren.“[5] EWIG stellte den Kern für die Canaille-Festivals dar, auf denen sich improvisierende Musikerinnen immer wieder trafen: Im April 1986 fand auf Initiative von Christiane Spieler im Jazzkeller Frankfurt unter diesem Titel das erste „Internationale Frauen Jazz Festival für Improvisierte Musik“ statt [6], dem in Zürich, Wien, Amsterdam und später wiederholt in Frankfurt weitere Veranstaltungen dieses offenen Projektes folgten.
Die Feminist Improvising Group stellte damit den Ausgangspunkt für weitere - politische, stilistische und mediale Grenzen überschreitende - Projekte von Frauen dar, u.a. auch Les Diaboliques (Schweizer/ Nicols/ Léandre). Bezeichnender Weise wird die Gruppe trotz ihres großen Einflusses auf die Improvisierte Musik und insbesondere auf das Verständnis von Musikerinnen innerhalb des Jazz bis in die Gegenwart fast durchgängig in der Fachliteratur ignoriert. Es liegen mit Ausnahme einer kaum zugänglichen schwedischen Schallplatte keine offiziell veröffentlichten Tonträger vor, obgleich entsprechende Mitschnitte (beispielsweise im Archiv der Free Music Production) existieren.
[Bearbeiten] Literatur
- Wolfgang Sterneck: Der Kampf um die Träume - Musik und Gesellschaft. KomistA-Verlag, Hanau, 1998. ISBN 3-928988-03-4
- Patrik Landolt, Ruedi Wyss (Hg.): Die lachenden Außenseiter. Musikerinnen und Musiker zwischen Jazz, Rock und Neuer Musik. Zürich 1993 (Ein Buch der Wochenzeitung WOZ im Rotpunktverlag). ISBN 3-85869-156-9
- Dita von Szadkowski: Grenzüberschreitungen. Jazz und sein musikalisches Umfeld der 80er Jahre. Frankfurt am Main 1986. ISBN 3-596-22977-4
[Bearbeiten] Diskographie
- International Women's Festival Of Improvised Music (Intakt Records, 1986)
- Canaille 91 - Festival für Improvisierte Musik in Frankfurt a.M. (1991)
[Bearbeiten] Weblinks
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ "Hoch in die Luft"-Interview mit Maggie Nicols und Irène Schweizer. In: Landolt/ Wyss 1993, S.275f
- ↑ Lindsay Cooper, Improvisation fällt nicht vom Himmel. In: Landolt/ Wyss, Außenseiter... 1993, S. 333-337, hier S. 337
- ↑ "Hoch in die Luft"-Interview mit Maggie Nicols und Irène Schweizer. In: Landolt/ Wyss 1993, S.275f
- ↑ Aus einem Gespräch von Wolfgang Sterneck mit Irène Schweizer am 15.10.1993 in Zürich
- ↑ I. Schweizer nach http://www.efi.group.shef.ac.uk/mschweiz.html „The name Feminist Improvising Group was chosen because we were all so involved in the women's movement, but in the '80s people began to criticise the name and say it was too political... So we renamed it to make it more international and open“.
- ↑ Jürgen Schwab: Der Frankfurt Sound. Eine Stadt und ihre Jazzgeschichte(n). Frankfurt am Main 2004, S. 227f.