Homosexualität im Alten Ägypten
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Quellen zur Homosexualität im Alten Ägypten sind nicht sehr zahlreich. Sie sind umstritten und für verschiedene Interpretationen offen. Dies muss jedoch nicht auf eine Tabuisierung des Themas oder der Homosexualität zurückzuführen sein, sondern kann generell an der Art der Quellen liegen. Jegliche Arten von Sexualität werden so gut wie nie dargestellt und werden nur selten in Texten erwähnt.
[Bearbeiten] Hinweise
Aus dem Alten Reich (5. Dynastie, ca. 2500 v. Chr.) stammt die dekorierte Mastaba des Nianchchnum und des Chnumhotep, bei denen es sich um hohe Hofbeamte handelte. Beide Männer waren verheiratet und hatten Kinder, sind aber mehrmals in dem Grab in inniger Umarmung dargestellt. Während jedoch ein Teil der Forschung in diesen beiden Männern ein homosexuelles Paar sieht, geht vor allem die neuere Forschung von einem Zwillingspaar oder sogar von siamesischen Zwillingen aus. Die Frage der Interpretation dieser Darstellungen muss vorerst offen bleiben.
Aus dem Mittleren Reich (ca. 2000–1700 v Chr.) stammen zwei Literaturwerke, die eindeutig Homosexualität zum Thema haben. Der nur aus späterer Zeit in Fragmenten erhaltene Text vom Kläger vom Memphis erzählt die Geschichte vom dem General Sasenet und dem König Neferkare (als Thronname, Geburtsname wohl Pepi II.). Der König geht allnächtlich zu dem Haus des Generals, wo er einen Stein wirft und der General eine Leiter herunterläßt, wonach „seine Majestät machte, was er wünschte“, was in ägyptischen Texten eine Umschreibung sexueller Handlungen ist. Der König wird bei seinen nächtlichen Gängen von jemanden beobachtet. Die Geschichte ist nicht weiter erhalten, doch erscheint der König hier in einem eher negativen Licht. Ob dies mit den homosexuellen Handlungen an sich, oder der Situation einer heimlichen Affäre mit einem Untergebenen zu tun hat, muss offen bleiben.
Aus el-Lahun (Mittleres Reich, ca. 1700 v. Chr.) stammt ein Papyrusfragment von der Göttergeschichte des Horus und Seth, dessen vollständiger Text aus dem Neuen Reich (um 1200 v. Chr.) erhalten ist. Seth hatte seinen Bruder Osiris umgebracht und kämpfte mit Horus, dem Sohn des Osiris um die Herrschaft in Ägypten. Eine Szene in der Erzählung beschreibt wie Seth den Horus vergewaltigt und damit versucht zu demütigen. Die Interpretation dieser Stelle ist wiederum problematisch. Wird Horus hier durch die homosexuelle Handlung an sich gedemütigt, ist es die Vergewaltigung oder beides zusammen?
Weitere eindeutige Quellen zur Homosexualität im Alten Ägypten gibt es dann kaum. Im Totenbuch wird eine Textstelle als Verurteilung homosexueller Handlungen interpretiert („habe keinen Beischlaf mit einem Beischläfer“), doch ist die Übersetzung und Interpretation zu vage, um sichere Schlüsse daraus zu ziehen. Diese Stelle in dem Totenbuch, das einer Frau gehörte, wurde als Verurteilung weiblicher Homosexualität beurteilt, doch ist diese Interpretation kaum beweisbar. Schließlich gibt es einige wenige erotische Darstellungen, die eventuell homosexuelle Handlungen zwischen Männern wiedergeben. Diese Darstellungen sind aber auch nicht sehr detailliert gezeichnet und deshalb nicht sicher.
Schwuler, Feigling in Hieroglyphen | |||||
---|---|---|---|---|---|
ḥm Schwuler, Feigling |
Auf einer negative Beurteilung mag das Wort Hm, dass vielleicht als Schwuler zu übersetzten ist, hinweisen. Die sexuelle Grundbedeutung des Wortes, scheint sicher, da es mit einem Phallus geschrieben wird. Hm wird in Texten meist benutzt um Gegner zu diffamieren. Unklar bleibt, ob mit Hm ein Homosexueller im westlichen Sinne bezeichnet wird, oder ob damit eventuell der passive Partner eines gleichgeschlechtlichens Aktes gemeint ist.
Die Geschichte von Horus und Seth mag immerhin andeuten, dass es im Alten Ägypten ein Bild von Homosexualität gab, das man in vielen orientalischen Kulturkreisen findet. Homosexuelle Handlungen waren für den aktiven (männlichen) Partner erlaubt, während der passive, als weiblich angesehene Partner geächtet wurde. Wenn man die Darstellung im Grab von Nianchchnum und Chnumhotep als homosexuelles Paar interpretiert, so mag dies sogar auf eine Akzeptanz gegenseitig einvernehmlicher Homosexualität hinweisen.
[Bearbeiten] Literatur
- Frank Kammerzell, Toro Rueda, Maria Isabel: Nicht der Homosexuelle ist pervers: Die Zweiunddreißigste Maxime der Lehre des Ptahhotep,In: Lingua Aegyptia 11 (2003), S. 63 - 78
- Richard Parkinson: Homosexual' Desire and Middle Kingdom Literature,In: The Journal of Egyptian Archaeology 81 (1995), S. 57 - 76