Kritische Masse
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Kritische Masse bezeichnet in der Kernphysik die Mindestmasse eines aus einem spaltbaren Nuklid bestehenden Objektes, ab der die effektive Neutronenproduktion eine Kettenreaktion der Kernspaltung aufrechterhalten kann. Bei jeder Kernspaltung entsteht dabei im Mittel mindestens ein Neutron, das eine neue Kernspaltung verursacht, während die anderen Neutronen das Objekt verlassen können. Die kritische Masse hängt damit auch von der Dichte, und der Form des Objektes ab. Je höher die Dichte, desto geringer ist die kritische Masse. Die geringste kritische Masse hat ein Objekt, wenn es kugelförmig ist. Befindet sich innerhalb des Objektes ein Neutronenabsorber, dann vergrößert sich die kritische Masse. Ist das Objekt von einem Neutronenreflektor (z. B. Beryllium) umgeben, verringert sie sich.
Vergleicht man kritische Massen verschiedener Nuklide, beziehen sich diese in der Regel auf eine homogene unkomprimierte Kugel ohne einen umgebenden Neutronenreflektor. Bei anderen Strukturen als einer Kugel ändert sich die kritische Masse. In folgender Liste sind diese mit der reflektierten und unreflektierten kritischen Masse für schnelle unmoderierte Systeme zusammengefasst.
Isotop | Kritische Masse | Link | |
---|---|---|---|
unreflektiert | reflektiert | ||
Protactinium-231 | 580–930 kg | – kg | |
Uran-233 | 16,5 kg | 7,3 kg | [1] |
Uran-235 | 49,0 kg | 22,8 kg | [2] |
Neptunium-237 | 68,6 kg | 64,6 kg | [3] |
Plutonium-239 | 10,0 kg | 5,42 kg | [4] |
Plutonium-240 | 158,7 kg | 148,4 kg | [5] |
Plutonium-242 | 100,0 kg | – kg | [6] |
Americium-241 | 113,5 kg | 105,3 kg | [7] |
Americium-242m | 9–18 kg | – kg | [8] |
Americium-243 | 50–150 kg | – kg | [9] |
Curium-244 | 23,2 kg | 22,0 kg | |
Curium-245 | 12 kg | – kg | [10] |
Curium-246 | 70 kg | – kg | [11] |
Curium-247 | 7 kg | – kg | [12] |
Californium-251 | 9 kg | – kg | [13] |
Bei einer Atombombe werden unterkritische Massen mit Hilfe eines chemischen Sprengsatzes zu einer überkritischen Masse zusammengepresst. Um die Kritische Masse zu reduzieren, werden verschiedene Techniken eingesetzt:
- Kompression: Teilweise wird auch eine Vollkugel des spaltbaren Materials durch die chemische Explosion derart komprimiert, dass die Dichteerhöhung die kritische Masse unter die Masse der Kugel drückt.
- Neutronenreflektor: Durch Kombination einer starken Kompression und eines Neutronenreflektors (z. B. Wasser) kann die kritische Masse für Plutonium-239 auf 0,53 kg herabgesetzt werden. Das Gesamtgewicht eines solchen Sprengsatzes ist jedoch wegen des aufwendigen chemischen Zündsatzes relativ hoch.
- Moderator: Die kritische Masse kann außerdem durch Anwesenheit eines Neutronenmoderators stark herabgesetzt werden, was besonders während der Aufbereitung der kerntechnischen Brennstoffe zu beachten ist, weil hier die spaltbaren Nuklide häufig in Lösung vorliegen. Da die Zeit, die für die Thermalisierung der Neutronen benötigt wird, jedoch relativ groß ist, findet bei Überschreiten der kritischen Masse in einem solchen System keine Explosion statt, sondern nur eine starke Erhitzung (begleitet von radioaktiver Strahlung), die zur Ausdehnung und teilweise zum Aufkochen der Lösung führt. Dadurch sinkt i. a. die Dichte, die kritische Masse steigt wieder und die Kettenreaktion endet. Die kritischen Massen liegen hier oft nur im Bereich einiger hundert Gramm. Eine Unterschätzung des Moderationseffektes hat schon des Öfteren zu schweren Unfällen geführt, zuletzt 1999 in Tokaimura (Japan).