MS-Stereofonie
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Die MS-Stereofonie ist ein Signalkodierungsverfahren der stereofonen Tonaufnahmetechnik. Dabei werden die Stereokanäle nicht nach Links- Rechts, sondern als Mitte- Seite- Kanäle getrennt. Eine Matrixschaltung macht nachträglich daraus ein Links- Rechts- Signal, welches auf den gängigen Stereo- Lautsprechersystemen wiedergegeben werden kann.
Diese Kodierung hat bei manchen Anwendungen technische Vorteile. Ein populäres Beispiel ist die Einstellung Joint-Stereo beim Kodieren von MP3s. Monosignale (wie etwa Sprache) führen damit automatisch dazu, dass der Seite- Kanal kein Signal führt und somit nicht kodiert werden muss. Eine klassische Anwendung der MS- Stereofonie stellt die MS- Stereomikrofonaufnahme dar.
MS- Stereomikrofonierung
Zur Aufnahme eines Mitte- Seite- Signals werden wie bei allen Stereo- Mikrofonierungsverfahren zwei Mikrofone benötigt. Bei der Intensitätsstereofonie werden diese möglichst nah beieinander angeordnet. Die MS- Stereofonie gewinnt die Intensitätsunterschiede der Mitten- und Seitensignale durch die Kombination von zwei verschiedenen Richtcharakteristiken:
- Ein vorwiegend ungerichtetes bis gerichtetes Mikrofon, mit einer Kugel- bis Hypernierencharakteristik für das Mitte- Signal
- Ein reines Druckgradientenmikrofon mit der Richtcharakteristik einer Acht für das Seite- Signal.
Der Achsenwinkel der Mikrofone beträgt dabei 90°, die positive Polung des Achtermikrofons zeigt normalerweise nach links. Statt einer Kombination aus zwei Mikrofonen wird idealerweise ein Koinzidenzmikrofon verwendet.
Durch Summen- und Differenzbildung können mit der Matrixschaltung die Kanäle Links und Rechts wie folgt gewonnen werden:
- L = M + S
- R = M − S
- M + S = (L + R) + (L − R) = 2L
- M − S = (L + R) − (L − R) = 2R
Die Zahl 2 oder √2 in diesen Gleichungen ist eine Konstante als lineare Verstärkung. Sie hat keine funktionelle Bedeutung bei der Matrizierung.
Die MS- Stereomikrofonierung hat folgende Vorteile:
- Durch Veränderung des M-Pegels zum Seitenkanalpegel (+ S-Signal und -S-Signal) kann nachträglich die Basisbreite des Stereosignals verändert werden. Das Pegelverhältnis M zu S entspricht dabei in etwa dem Achsen- (Öffnungs-) winkel eines XY- Stereosystems.
- Bei Intensitätsstereoverfahren ergeben sich keine Laufzeitunterschiede und damit keine Kammfiltereffekte durch Phasenauslöschung (Interferenz). Das Signal erfährt bei Monowiedergabe keine Klangverfärbungen.
In der Praxis werden die Mitte- Seite- Kanäle aufgezeichnet, um nachträglich im Tonstudio die Basisbreite der Stereoaufnahme variieren zu können. Während der Aufnahme muss eine Matrixumwandlung zu Links- Rechts- Kanälen zur Verfügung stehen, um die Mikrofonperspektive zu kontollieren. Diese Matrixschaltung kann entweder elektrisch mit Übertragern, elektronisch mit Differenzverstärkern oder als digitale Signalverarbeitung realisiert werden.
Steht keine Matrixschaltung zur Verfügung, so kann das MS-Stereosignal auch mit einem Mischpult (Richtungsmischer) dekodiert werden (siehe Bild): Das symmetrische S-Signal wird polungs- (phasen-)richtig auf die linke Stereoschiene und gleichzeitig verpolt (phasengedreht) auf die rechte Stereoschiene geschaltet. Das M-Signal wird polungs- (phasen-)richtig beiden Stereoschienen zugemischt. Die Verpolung ist am einfachsten zu realisieren, wenn das Mischpult einen Polungs-Schalter Ø im Kanalzug hat. Alternativ kann ein Verpoler erzeugt werden, indem man beim XLR- Stecker die Anschlüsse Pin 2 (Hot) und Pin 3 (Cold) vertauscht. Im Technikerjagon hat sich die Bezeichnung "Phasendrehung" für das richtige Wort Verpolung eingebürgert. Siehe dazu die Abbildung unter: "Häufige unrichtige Verwendung des Wortes Phase" beim Wikipedia-Begriff Phasendreher.
[Bearbeiten] Siehe auch
- | Mikrofon | Intensitätsstereofonie | Laufzeitstereofonie | Äquivalenzstereofonie | Lautsprecherstereofonie | ORTF-Stereosystem | NOS-Stereosystem | EBS-Stereosystem | Knüppelstereofonie |
[Bearbeiten] Literatur
- Klaus Bertram, "Über den Umgang mit Stereo-Koinzidenzmikrophonen", Telefunken Zeitschrift, 1965, Seite 338
- W. Hoek und K. Wagner, "Stereofonie-Aufnahmetechnik", Berlin 1970
[Bearbeiten] Weblinks
- Über den Umgang mit Stereo-Koinzidenz-Mikrophonen - pdf
- Grundlagen und Probleme der stereophonen Aufnahmetechnik - pdf
- Mischpultkanäle als M/S-Matrix-Decoder - pdf
- Die Stereo-Matrix - Das Umsetzen von XY-Signalen in MS-Signale und umgekehrt - pdf
- Die Stereo-Matrix - Umrechnung L/R in S/M bzw. M/S - pdf
- Die Stereo-Matrix - Passive Schaltungen von MS- zu LR-Wandlern und zurück - pdf
- Umwandlung MS-Stereo- Signal in LR-Stereo-Signal - pdf