St. Annenkirche (Annaberg-Buchholz)
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Die St. Annenkirche in Annaberg-Buchholz ist eine spätgotische Hallenkirche und zählt zu den größten und schönsten ihrer Zeit in Sachsen. Sie ist das Wahrzeichen der Stadt und weithin sichtbar. Die Sankt-Annenkirche wurde ursprünglich als katholisches Gotteshaus errichtet, wurde aber 1539 evangelisch-lutherisch.
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[Bearbeiten] Kunsthistorischer Stellenwert
Die St. Annenkirche gilt als vollendetes Beispiel spätgotischer Architektur in Mitteleuropa. Die für die Gotik typische, meist streng nach oben strebende Formensprache wird hier in fantasievollen, verschlungenen Bauformen und Gewölbevarianten aufgelöst. Die Kirche markiert dabei auch einen Übergang von der Gotik zur Renaissance. Insbesondere auch in Figuren bzw. Bildreliefs und einigen Altären drückt sich dieses neue Gestaltungsprinzip aus.
Als spätgotische Hallenkirche wird die St. Annenkirche auch als die am weitesten ausgereifte Vertreterin einer Reihe von Sakralbauten gewertet, die Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts besonders im obersächsischen Raum entstanden sind. Wirtschaftliche Prosperität – befördert durch reiche Silberausbeute – trieb damals eine starke Bautätigkeit im Erzgebirge an. Die Bauformen der St. Annenkirche spiegeln sich unter anderem im Freiberger Dom, der St. Marienkirche zu Marienberg und St. Wolfgang in Schneeberg. Eine deutliche Ähnlichkeit in der Innenraumgestaltung weist vor allem die Barbarakirche im böhmischen Kuttenberg (Kutna Hora) auf.
In einer mehr als 20 Jahre dauernden Sanierung wurden zahlreiche spätere Umbauten und Veränderungen beseitigt, sodass sich die St. Annenkirche im Inneren heute wieder nahezu im spätgotischen Originalzustand des 16. Jahrhunderts zeigt.
[Bearbeiten] Namensgebung
Als Schutzheilige der Bergleute spielte die Heilige Anna in der durch den Silberbergbau geprägten Gegend eine wichtige Rolle. Nachdem ihr zunächst die Kirche geweiht worden war, wurde sie auch Namensgeberin der neu angelegten Stadt.
[Bearbeiten] Baugeschichte
[Bearbeiten] Baukonzeption
1496 wurde nach reichen Silberfunden die Neustadt am Schreckenberg (seit 1501 „St. Annaberg“) gegründet. In dem von Ulrich Rühlein von Calw entworfenen Bebauungsplan war die Fläche etwa 100 Meter oberhalb des Marktes von Anfang an für den Bau einer großen Kirche vorgesehen. Vermutlich wurde der Bauplatz bewusst so ausgewählt, dass die Kirche nach ihrer Fertigstellung die Stadt von allen Himmelsrichtungen aus gesehen dominieren würde. Auch dass der massige Turm so platziert wurde, dass er die vom Markt bergauf führende Kirchgasse optische abschließt, hat wahrscheinlich städtebauliche Gründe. Mit der konsequenten Verwendung von einheimischem Gneis passt sich die Kirche der rauen Erzgebirgslandschaft an. Der massive, etwas abweisende Eindruck, den der Bau von außen vermittelt, wird auch dadurch unterstützt, dass man auf die – für gotische Bauten typischen – Strebepfeiler an den Außenwänden fast gänzlich verzichtete.
[Bearbeiten] Kirchenbau
1499 wurde der Grundstein für die Kirche gelegt. Finanziert wurde der Bau durch den sächsischen Fürstenhof, durch Ablassgelder, Spenden sowie durch den Bergbau. Die Initiative zum Bau einer Kirche solcher Größe ging vom damaligen Landesherren, Georg dem Bärtigen, aus. Wie sehr ihm der Bau am Herzen lag, zeigt auch die Größe der Reliquiensammlung die er für die St. Annenkirche zusammentragen ließ und die die St. Annaberg nicht zuletzt zum Ziel von Wallfahrern werden ließ. Während der Bauarbeiten diente eine hölzerne Kirche inmitten der Baustelle der schnell wachsenden Gemeinde als Heimstatt. Als frühe Bauleiter der Kirche werden Konrad Schwab bzw. Pflüger und Peter Ulrich, der zuvor an einer Hallenkirche in Pirna südlich von Dresden gearbeitet hatte, genannt. 1512 wurde die provisorische Holzkirche abgebrochen und mit den Arbeiten an Dachkonstruktion und Gewölben begonnen.
Nach dem Tod von Peter Ulrich übernahm Jacob Heilmann von Schweinfurt, ein Schüler des Prager Baumeisters Benedikt Ried, 1513 den Abschluss der Bauarbeiten. Die Konzeption des Innenraumes mit den markanten Schlingrippengewölben und den an drei Seiten umlaufenden Emporen trägt seine Handschrift. Unter seiner Leitung wurde die Dachkonstruktion vollendet, die selbst tragend auf den Pfeilern und Außenmauern liegt und damit eine bemerkenswerte technische Neuerung darstellt. Die Gewölbe wurden erst später eingebaut, sie haben keine statische, sondern nur noch schmückende Bedeutung. Wenig später wurde das Dach mit Kupfer gedeckt. Prägend für die Ausgestaltung des Kirchenraumes wurde vor allem das Wirken des Bildhauers Franz Maidburg. Die deutliche Formensprache der Frührenaissance in den Emporenreliefs und an der Kanzel ist vor allem auf die Arbeit seiner Werkstatt zurückzuführen. Anfang der 20er Jahre des 16. Jahrhunderts wurden auch die Altare fertiggestellt. 1525 war der Kirchenbau vollendet.
[Bearbeiten] Bauliche Veränderungen
Beim verheerenden Stadtbrand im Jahr 1604 wurde das Dach der Kirche beschädigt. Darüber hinaus blieb der Bau von Zerstörungen weitgehend verschont. Von 1688 bis 1692 wurde die Kirche komplett restauriert. 1731 und 1813 die Kirche durch Blitzeinschläge beschädigt. Daraufhin erhält der Turm die Haube in seiner heutigen Form.
Von 1875 bis 1884 erfolgte unter dem Eindruck einer allgemeinen historisierenden Sichtweise in der Architektur eine neugotische Umgestaltung des Innenraumes sowie der Austausch der alten Butzenscheiben durch farbige Fenster. In dieser Zeit wurde auch die große neue Orgel aus der Firma Walcker eingebaut. In den 20er Jahren erfolgte eine nochmalige Übermalung des Innenraums. Gleichzeitig erhielt die Kirche ihre heute noch sichtbare äußere Gestalt, indem der Außenputz entfernt wurde und das große Eingangsportal mit Freitreppe an der Westseite entstand.
[Bearbeiten] Restaurierung
Seit Beginn der 1970er Jahre wurde die St. Annenkirche einer umfassenden Restaurierung unterzogen. Im Kircheninneren stand dabei vor allem im Vordergrund, den ursprünglichen, spätgotischen Raumeindruck wieder herzustellen. Dazu mussten unter anderem fünf verschiedenen Schichten von Übermalungen entfernt werden. Darunter hatte sich die originale Ausmalung des Innenraumes zum Teil noch sehr gut erhalten. Das ermöglichte es, die Farbgebung im Inneren so zu rekonstruieren, wie sie nach Fertigstellung der Kirche 1525 bestanden hatte. An einzelnen Stellen wurde der Auffindezustand beibehalten, so dass dieser heute noch nachvollzogen werden kann. Aufwändig restauriert wurden auch die Altäre sowie die Walcker-Orgel. 1996 waren die Arbeiten im Inneren der Kirche abgeschlossen. Auch am Baukörper selbst waren Restaurierungsarbeiten notwendig. Außenmauern, Dach und Dachstuhl erfuhren eine umfassende Sanierung.
[Bearbeiten] Innenraum und Ausstattung
[Bearbeiten] Gewölbe
Die St. Annenkirche ist eine dreischiffige Hallenkirche. Das markante Schlingrippengewölbe von Jakob Heilmann von Schweinfurt überspannt den gesamten Innenraum. Stilprägend sind nicht nur die Form der Gewölberippen sondern auch die farbenfroh bemalten Gewölbeschilder und Gewölbefiguren.
[Bearbeiten] Emporenreliefs
Den Innenraum umschließen an drei Seiten Empore. An den Brüstungen sind insgesamt 100 Relieftafeln angebracht, die im Wesentlichen auf Franz Maidburg zurückgehen. Den Beginn der Reliefs markieren an der Süd- und Nordseite die jeweils zehn weiblichen und männlichen Lebensalterdarstellungen. Dabei ist im Abstand von 10 Jahren jedem Alter ein Relief zugeordnet, dass jeweils zeitgenössisch gekleidete Frauen und Männer im betreffenden Alter zeigt. Sie tragen Wappenschilder, auf denen Tiere (beispielsweise Löwe, Pfau, Fledermaus) abgebildet sind, die typische Charaktere verkörpern sollen.
Die anderen Reliefs bilden eine Bilderbibel, beginnend mit der Erschaffung der Welt über den Sündenfall, der Geburt und dem Leben Jesu, die Martyrien der Apostel bis zum Weltgericht. Höhepunkt und Zentrum des Zyklus' bildet die Kreuzigung Jesu in der Mitte der Westempore.
[Bearbeiten] Kanzel
Die Kanzel befindet sich aus akustischen Gründen an einem Pfeiler in der Mitte des Hauptschiffes. Sie ist ebenfalls ein Werk von Franz Maidburg. Bemerkenswert sind die Reliefs an den Brüstungen, die eine ausgesprochen lebensnahe Formensprache aufweisen und damit eindeutig der Frührenaissance zugeordnet werden können. Die Darstellung der Heiligen Anna mit Maria und dem nach der Mutter strebenden Jesuskind, kirchliche Würdenträger vertieft in ihre Lektüre oder die Figur eines Bergmannes bei der Arbeit am Kanzelaufgang zeigen sehr reale Züge und eine alltäglich-menschliche Körpersprache.
[Bearbeiten] Bergaltar
Von den verschiedenen Altären in der St. Annenkirche ist der 1521 geweihte Bergaltar der bemerkenswerteste. Die aus Holz geschnitzte Vorderseite weist mit ihrem hohen Gespränge noch typisch gotische Formen auf. Berühmt sind jedoch die vier Bildtafeln auf der Rückseite. Die dem Maler Hans Hesse zugeschriebenen Werke zeigen eindrucksvoll eine erzgebirgische Bergbaulandschaft und bergmännisches Leben vor 500 Jahren. Äußerst lebensnah sind die wesentliche Aspekte der Silbergewinnung dargestellt, von der Erschließung eines neuen Bergwerkes, bergbaulichen Anlagen und in den Berg einfahrenden Bergleuten über Silberwäscher und Schmelzer bis zur Münzprägung.
[Bearbeiten] Hauptaltar
Der Hauptaltar wurde bis 1522 aus verschiedenen Marmorsorten gefertigt und stellt die so genannte „Wurzel Jesse“, den Stammbaum Jesu dar. Er zeigt klar die Formensprache der Frührenaissance gehalten.
[Bearbeiten] Münzeraltar und Bäckeraltar
Im südlichen Chor befindet sich der ebenfalls 1522 geweiht Münzeraltar, gestiftet von dem zur Hochzeit des Bergbaus einflussreichen Berufsständen der Münzer und Schmelzer. Auch die Bäckerinnung stiftete einen eigenen Altar.
[Bearbeiten] Pflock'scher Altar
In der Kapelle der Familie Pflock – einflussreiche Eigner von Bergwerken im 16. Jahrhundert – steht ein weiterer kunsthistorisch interessanter Altar.
[Bearbeiten] Schöne Tür
Die von Hans Witten geschaffene „Schöne Tür“ befand sich ursprünglich am Annaberger Franziskanerkloster und wurde nach dessen Auflösung 1577 in die Annenkirche versetzt. Das Portal beeindruckt durch seinen reichen figürlichen Schmuck, in deren Zentrum eine Kreuzigungsszene steht.
[Bearbeiten] Taufstein
Auch der Taufstein ist ein Werk von Hans Witten und stammt aus den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts. 1556 wurde er in die Annenkirche versetzt. Der Taufstein hat die Form eines Kelchs und ist im Hauptschiff vor dem Hauptaltar aufgestellt.
[Bearbeiten] Kirchturm
Der Kirchturm mit seinen mehrere Meter dicken Mauern befindet sich seitlich an der Südseite. Er ist insgesamt 78 Meter hoch. Auf circa 36 Metern – etwa die selbe Höhe, mit der der Dachstuhl des Kirchenschiffs abschließt – befindet sich ein Rundgang, von dem aus man nicht nur einen einzigartigen Blick auf die Stadt Annaberg-Buchholz mit seinen Stadtteilen, sondern bei schönem Wetter auch einen wunderbaren Blick ins Erzgebirge hat. Auf gleicher Höhe wie der Rundgang befindet sich auch der Boden mit dem Geläut, das aus drei Glocken besteht. Eine Besonderheit des Turms ist, dass er seit einigen Jahren von einer Türmerfamilie bewohnt wird.
[Bearbeiten] Besuch der St. Annenkirche
Die St. Annenkirche kann neben den sonntäglichen Gottesdiensten um 9:00 Uhr auch in touristischem Interesse besucht werden. Der Turm ist ebenfalls an vielen Tagen im Jahr für Besucher geöffnet.
[Bearbeiten] Literatur
- Heinrich Magirius: Die St.-Annen-Kirche zu Annaberg. Berlin 1985, Reihe Das christliche Denkmal
- Heinrich Magirius: St. Annen zu Annaberg. Schnell & Steiner, München/Zürich 1991, Reihe: Großer Kunstführer
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: St. Annenkirche (Annaberg-Buchholz) – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- www.annenkirche.de - Offizielle Website der Kirchgemeinde Annaberg-Buchholz und der St. Annenkirche
Koordinaten: 50° 34' 43" n. Br., 13° 00' 19" ö. L.