Thomas Buchheim
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Thomas Buchheim (* 19. Oktober 1957 in München) ist ordentlicher Professor für Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
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[Bearbeiten] Werdegang
Von 1977 bis 1983 studierte er in München Philosophie, Griechische Philologie sowie Soziologie und promovierte 1984 bei Robert Spaemann mit einer Arbeit über die griechische Sophistik. Bei diesem arbeitete Thomas Buchheim bis 1992 auch als wissenschaftlicher Assistent und habilitierte sich 1991 über die Philosophie des späten Schelling.
Nach einer Gastprofessur in Halle wurde er 1993 Professor in Mainz. Seit 2000 ist er Ordinarius für Philosophie, speziell für Metaphysik und Ontologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Weiter ist er Mitherausgeber des philosophischen Jahrbuchs der Görres-Gesellschaft und seit 2001 Vorstandsmitglied der Gesellschaft für antike Philosophie sowie Mitglied der Kommission zur Herausgabe der Schriften Schellings der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Von 2002 bis 2005 leitete er das von der Fritz Thyssen Stiftung geförderte Forschungsprojekt "Freiheit auf Basis von Natur? - Modellierung eines qualitativen Freiheitsbegriffs jenseits von Determinismus und Indeterminismus."
[Bearbeiten] Beitrag
In seiner – im Rahmen des Forschungsprojektes "Freiheit auf Basis von Natur?" entstandenen – Publikation "Die Grundlagen der Freiheit" kommt Buchheim zu einer höchst bemerkenswerten
Lösung des traditionell so genannten Leib-Seele-Problems.
Dabei klärt er vor allem, allerdings wie nebenbei das wohl grundlegendste Selbstmissverständniss von René Descartes, wenn er dessen Substanzdualismus als sachlich nicht haltbar zurückweist. Kurz gesagt ist danach 'res' in "res extensa" und "res cogitans" nicht als verschieden aufzufassen. In beiden Fällen handelt es sich vielmehr um dieselbe "Sache": den Menschen nämlich. Beim diesem und nur bei ihm kommt beides zusammen: er weist als leibliches Wesen räumliche Extensität oder physikalisch gesprochen Körperlichkeit auf; gleichzeitig ist er es auch, der denkt und bis hin zu umsichtigem Planen auch vieles andere denkend vorbereiten kann, was er sonst noch so alles tut.
- (NB: Real ist Descartes vom Menschen auch ausgegangen, und zwar paradigmatisch von sich selbst oder genauer gesagt, von seiner eigenen Tätigkeit zu denken, das ihm nach der berühmten Formel "cogito, ergo sum" auch zur Selbstvergewisserung diente. - Die Tatsache, dass wir Menschen nicht nur denken, sondern auch vieles andere vorbereitet durch Denken, "mit Vorbedacht" also tun, insbesondere vorausschauend oder vorsichtig und absichtlich handeln, ist heute wohl allgemeiner Ausgangspunkt wissenschaftstheoretisch genannter Selbstreflexion von Wissenschaftlern auf Begriffe und Methoden, die in der Wissenschaft bewusst und kontrolliert verwendet werden oder verwendet werden sollten. Als Bezugnahme oder Relativierung auf das kulturbestimmende Handeln von uns Menschen ist dies jedenfalls explizit beim Methodischen Konstruktivismus der Fall, besonders in seiner Weiterentwicklung zum Methodischen Kulturalismus durch Peter Janich und seinen ehemaligen Mitarbeiter Dirk Hartmann.)
Buchheim arbeitet detailliert heraus, dass es bei der mit der Leib-Seele- oder Körper-Geist-Dichotomie sachlich um eine ganz andere Unterscheidung geht, nämlich:
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- die Gegenüberstellung von Leiblichkeit und Tätigkeit.
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Denken ist eine Tätigkeit. Allerdings hat sie ihre Besonderheiten; beispielsweise entwickelt sie sich frühestens im vierten Lebensjahr, gewöhnlich eher später und dann auch nur in kleinen Schritten, so dass eine systematische Schulung vonnöten ist, um sie hinreichend gut auszubilden. Wir sind allerdings auch noch zu anderen mentalen Leistungen imstande wie frei zu phantasieren oder uns gezielt an etwas zu erinnern und uns das Erinnerte in beliebigen Einzelheiten vorzustellen - im Unterschied zu 'Einfällen', die wir als Widerfahrnis und nicht als eigene Leistung erleben, so dass wir erst lernen müssen, sie als nicht bewusst, aber selbst hervorgebrachtes Eigenes zu verstehen.
Die spezifischen Eigenarten der Tätigkeit des Denkens zu klären ist sicherlich Aufgabe der Psychologie. Als Philosoph verweist Buchheim dagegen auf einen generellen und allgemein wichtigen Aspekt: dass wie alle menschliche Tätigkeiten auch mentale Leistungen Aktivitäten von uns Menschen als diejenigen sind, die wir sind. Dies deuten wir mit Begriffen wie Person oder Individuum an und heben damit heraus, dass wir uns als Einzellebewesen mit einer für jeden einzelnen von uns charakteristischen Gesamtheit von Eigenheiten und Eigenschaften, die - 'insgesamt' gesehen, also im Gesamten oder als Ganzes genommen - unsere persönliche Individualität ausmachen (und als Gruppe von Lebewesen die für uns typische Art), oder wie wir uns sonst noch ausdrücken, um diesen Ganzheitsaspekt sprachlich darzustellen, unter dem wir uns selbst zunächst immer erleben, lange bevor wir auf wissenschaftliche Weise oder anders beginnen, Einzelheiten unseres Geamtreagierens zu analysieren und isoliert in deren charakteristischen Einzelheiten genauer zu bestimmen (vgl. dazu den anthropologischen Ansatz von Wilhelm Kamlah).
Tätigkeiten von uns Menschen stehen zwar mit unendlich vielen Einzelvorgängen in uns oder, wie wir ein wenig selbstentfremdend sagen können, in unserem Körper in Zusammenhang, was jeder von uns von klein auf in seiner Eigen- oder Selbstwahrnehmung erfährt, also aus eigener Erfahrung weiss. Diese innerorganismischen Einzelprozesse wie etwa Muskelkontraktionen mit einer dieser Tätigkeit wie etwa Walzertanzen gleichzusetzen, hieße, den Unterschied zwischen beidem unbeachtet zu lassen, der zwischen den hier unterscheidbaren einzelnen innerorganismische Vorgänge wie Kreislaufreaktionen, Gleichgewichtsleistungen, Stoffwechselvorgänge, Hormonstöße, Pulserhöhung, vielleicht Schwitzen u.a. gegenüber dort der von der ganzen Person ausgeführten Abfolge wohl abgestimmter Bewegungen, die auch den Tanz im ganzen ausmachen.
Detailvorgänge in uns mit dem von uns als individuelle Menschen Geleistetem gleichzusetzten führte dagegen zu inakzeptablen Folgen.
- Von unserem Gehirn, mit dem wir denken wie wir mit einer Hand etwa winken, zu sagen oder zu glauben, diese im Volksmund etwas salopp als "Denkorgan" bezeichnete organismische Struktur - real ein zentrales Integrations-, Koordinations- und Regulationsorgan des Gesamtorganismus - sei es, das denkt (und dieses sei es vielleicht auch noch, das uns darauf festlegt zu tun, was wir tun, wie früher nach animistischer Tradition etwa von Descarts angenommen wurde, dass ein un- oder außerkörperlich gedachter Geist mit dem als Maschine vorgestellten Körper solches täte), hätte diese Konsequenzen:
- 1. könnte man nicht mehr den Geist dem Körper gegenüberstellen wie bisher; dafür müsste man jetzt
- 2. das Gehirn als Zentrum des Zentralnervensystems dem Restkörper entgegensetzen, und
- 3. müsste man diesen Rest zudem mit der Person identifizieren, die wir sind, obwohl wir als diejenigen, die wir sind, immer einschließlich unseres Gehirns sind...
Am wichtigsten dürfte sein, dass Buchheim durch die Identifikation mentaler Leistungen als eigene Tätigkeiten gleichzeitig die Fähigkeit von uns zur Eigenaktivität in den Vordergrund der Aufmerksamkeit rückt, unsere Fähigkeit, von uns aus tätig zu werden und damit unsere Fähigkeit zu selbst bestimmtem Handeln. Dadurch geraten philosophisch ebenso wie psychologisch zentrale anthropologische Kategorien wie Selbst-Kenntnis, Selbst-Verstehen (Selbst-Erkenntnis) und Selbst-Bewusstseins wieder in den Mittelpunkt der Betrachtung. Sie sind Grundlage für alle Selbst-Kritik und Selbst-Einschätzung, für Selbst-Vertrauen undSelbst-Sicherheit, vor allem aber für jedes Selbst- bestimmen, das nur ein Mensch im Wissen um die Voraussetzungen seiner Selbständigkeit und damit bewusst - in jedem Sinn dieses schillernden Begriffs bis hin zu absichtlich - auszuüben vermag.
Anderenfalls würde er psychologisch gesehen wie ein Kleinkind ohne Wissen oder Bewusstsein um seine Eigenart und Selbständigkeit und insofern "unbewusst handeln" und lediglich gewohnheitsmäßig oder sogar bloß reflexmäßig auf irgendwelche beliebige innere oder äußere Reize hin reagieren: statt sich gegenüber seinen vitalen Lebensregungen und damit verbundenen organismischen Automatismen selbst zu behaupten und durchzusetzen und die sich ihm bietenden Reaktionsmöglichkeiten im Wissen um Alternativen und Folgen einzuschätzen, zu gewichten, zwischen ihnen zu wählen, sich für eine zu zu entscheiden und so darauf festzulegen, um sich in seinem weiteren Tun daran zu orientieren - wenn und solange er weiter an seiner Entscheidung festhält zu tun, zu was er sich entschlossen hat - oder in traditioneller Ausdrucksweise: solange er "seinen Willen dazu aufrechterhält" und aufrecht erhalten will...
[Bearbeiten] Publikationen
- 2004 Die Grundlagen der Freiheit. Eine perspektivische Einführung in das 'Leib-Seele-Problem'. Philosophisches Jahrbuch 111, S. 1-23
- 2004 Libertarischer Kompatibilismus. Drei alternative Thesen auf dem Weg zu einem qualitativen Verständnis der menschlichen Freiheit. in: F. Hermanni und P. Koslowski (Hrsg.): Der freie und der unfreie Wille. Fink, München S. 34-76
[Bearbeiten] Weblinks
- Homepage mit Bibliographie Abstracts und Online-Texten
- HP zum Forschungsprojekt "Freiheit auf Basis von Natur?"
Personendaten | |
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NAME | Buchheim, Thomas |
KURZBESCHREIBUNG | zeitgenössischer deutscher Philosoph, der heute auch in München lehrt |
GEBURTSDATUM | 19. Oktober 1957 |
GEBURTSORT | München |