Buchli-Antrieb
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Der Buchli-Antrieb ist ein nach seinem Erfinder, dem Schweizer Ingenieur Jakob Buchli benannter Antrieb für Elektrolokomotiven.
Der Buchli-Antrieb ist ein vollabgefederter Antrieb, das heisst jede Triebachse hat einen eigenen Motor, der im gefederten Lokkasten untergebracht ist. Das Gewicht der Fahrmotoren ist von der Rädern, welche den Stössen und Schlägen der Schienen ausgesetzt sind, vollständig entkoppelt.
Der Antrieb war in den dreissiger Jahren sehr erfolgreich, wird aber heute nicht mehr verwendet. Er wurde von kleineren, leichteren Antriebe abgelöst, die kleinere Unwuchten aufweisen und dadurch höhere Geschwindigkeiten möglich machen.
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[Bearbeiten] Konstruktion
Das Grossrad ist fest im Lokomotivekasten gelagert. Die Verbindung zum ungefederten Radsatz ist über zwei Kuppelstangen und zwei Zahnradsegmente hergestellt. Durch die gelenkige Mechanik kann sich der Triebradsatz gegenüber dem Grossrad in vertikaler Richtung bewegen.
Die Zapfen im Radsatz und die Enden der Zahnschwingen sind kugelig ausgeführt, so dass sich die Kuppelstangen gegenüber den Radebenen neigen können. Dadurch kann der Radsatz gegenüber dem Lokkasten auch einseitig einfedern.
[Bearbeiten] Normale Ausführung
Der Buchli-Antrieb wurde meistens als einseitiger Einzelachsantrieb mit Innenrahmen ausgeführt.
Der Lokomotivrahmen mit den Radsatzlagern befinden sich zwischen den Radscheiben des Radsatzes. Auf einer Seite des Radsatzes befindet sich das Grossrad, das in einem Hilfsrahmen ausserhalb des Radsatzes gelagert ist und von einem auffälligen Radschutzkasten umgeben wird. Jedes Grossrad wird von einem eigenen Motor angetrieben, der sich oberhalb des Grossrades im Lokkasten befindet.
Bei dieser Ausführung entsteht im Fahrwerk durch die aussenliegenden Grossräder eine stark einseitige Gewichtsverteilung. Damit der Schwerpunkt der Lokomotive auf der Längsachse bleibt, müssen die schweren Geräte im Maschinenraum gegenüber der Seite mit den Antrieben angeordnet werden.
Die Lokomotiven haben das für den Buchli-Antrieb typisch asymmetrische Erscheinungsbild: Auf der einen Seite sind die Radsterne der Triebräder sichtbar, auf der anderen Seite werden sie fast vollständig durch die Radschutzkasten der Grossräder abgedeckt.
[Bearbeiten] Andere Ausführungen
Neben der oben genannten Normalen Ausführung gab es noch folgende Varianten:
[Bearbeiten] Ausführung mit Aussenrahmen
Der Lokomotivrahmen mit den Radsatzlagern befinden sich ausserhalb den Radscheiben des Radsatzes. Der Radsatz wird von einer im Lokkasten gelagerten Hohlwelle umschlossen, auf welcher das Grossrad sitzt.
Beispiele: Pennsylvania Railroad O1B, DRG ET11.01
[Bearbeiten] Ausführung als Gruppenantrieb
Der Motor ist zwischen den Triebachsen angeordnet. Ein gemeinsames Ritzel oder ein Ritzel an beiden Motorwellenenden treibt die Grossräder der benachbarten Achsen an.
U.S. Patent 1683674. Ausgeführte Fahrzeuge sind nicht bekannt.
[Bearbeiten] Ausführung mit zweiseitigem Antrieb
Der Radsatz ist mit zwei Grossrädern gekuppelt. Der Motor besitzt auf beiden Seiten ein Ritzel. Die Zapfen in der Radscheibe sind um 90 ° gegeneinander verdreht, wodurch die Unwucht des Antriebes herabgesetzt werden kann.
Gegenüber der einseitigen Ausführung lassen sich bei der zweiseitigen Ausführung grössere Antriebskräfte übertragen. Bei dieser Anordnung besteht aber die Gefahr von mechanischen Verspannungen in den Antriebsteilen. Um diese von den Fahrmotorwellen fern zu halten wurden die Ritzel gefedert ausgeführt.
Beispiele: Französische Schnellzuglokomotiven: SNCF 2D2 5400, SNCF 2D2 5500, SNCF 2D2 9100
[Bearbeiten] Ausführung mit zwei Motoren pro Achse
Zwei Fahrmotoren arbeiten auf ein gemeinsames Grossrad, das mit einem Radsatz verbunden ist.
Beispiele: Pennsylvania Railroad O1B
[Bearbeiten] Bewährung
Der Buchli-Antrieb ermöglichte in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts erstmals den Bau von leistungsstarken schnell fahrenden Lokomotiven mit Einzelachsantrieb. Die möglichen Übersetzungen erlaubten auch den Einbau von grossen Motoren, die aber dank der vollen Abfederung gegenüber den Radsätzen auch bei schneller Fahrt die Gleise nicht übermässig beanspruchten.
Nachteilig waren die vielen beweglichen Teile, welche nach einer aufwändigen Ölumlaufschmierung verlangten und einen sorgfältigen Unterhalt nötig machten. Der Buchli-Antrieb setzte sich deshalb nur bei Schnellzuglokomotiven hoher Leistung durch, wo es keine Alternativen gab.
Bei den SBB waren 240 Lokomotiven mit Buchli-Antrieb über sechzig Jahre in Einsatz. Die Ae 3/6I waren von 1921 bis 1994 sogar 73 Jahre lang in Betrieb. Die französischen Bahnen hatten 100 Schnellzuglokomotiven während fünfzig Jahren im Einsatz.
Der Buchli-Antrieb wird heute nicht mehr verwendet. Es stehen heute kleinere schnell laufende Fahrmotoren zur Verfügung, welche leichtere Antriebe ermöglichen. Ausserdem wurden bei Geschwindigkeiten über 140 km/h die durch die Antriebsteile verursachten Unwuchten zu gross.
[Bearbeiten] Lokomotiven mit Buchli-Antrieb
- Deutsche Reichsbahn
- E 16 (116)
- ET 11.01 Doppeltriebwagen Bo'2'+2'Bo', Baujahr 1938 (Ausführung mit Aussenrahmen)
Das Fahrzeug wurde in den sechziger Jahren umgebaut und der Buchli-Antrieb entfernt.
- Französische Staatsbahn (SNCF)
- SNCF 2D2 5400 (beidseitiger Antrieb)
- SNCF 2D2 5500 (beidseitiger Antrieb)
- SNCF 2D2 9100 (beidseitiger Antrieb)
- Indonesische Staatsbahn
- 3000 - 4 Stk 1'Do1' Lokomotiven für 1,5 kV, Hersteller: Werkspoor, Niederlande, Baujahr 1924, ausrangiert ca. 1976.
Bei dieser Lokomotive wurde erstmals das Java-Drehgestell angewendet. Bild.
- 3000 - 4 Stk 1'Do1' Lokomotiven für 1,5 kV, Hersteller: Werkspoor, Niederlande, Baujahr 1924, ausrangiert ca. 1976.
- Japanese National Railways
- 7000 - (1A)Bo(A1), Baujahr 1926 (Es ist als ED54 umzubenennen)(ED54)
- Indian Railways
- EC/1 4002 - 2'Co2', Baujahr 1927
- RENFE
- RENFE Baureihe 272 - von der Vorgängergesellschaft NORTE bestellte Lokomotiven - 12 Stk 2'Co'Co'2' für 1,5 kV, Baujahr 1928
- Tschechoslowakischen Staatsbahn (ČSD)
- E 465.0 - 2 Stk 1'Do1' Lokomotive für 1,5 kV, Baujahr 1927, ausrangiert 1962
- Pennsylvania Railroad
- Pennsylvania Railroad O1B - 2 Stk 2'Bo2' Lokomotiven (Ausführung mit Innenrahmen und zwei Fahrmotoren pro Achse)
- Ferrovia Circumvesuviana, Italien
- 1'Do1' Lokomotive (Typ und Nummer unbekannt)
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Gustav Nagel: Hierzulande ein Exot. Der Buchli-Antrieb. In: LOK MAGAZIN. Nr. 253/Jahrgang 41/2002. GeraNova Zeitschriftenverlag GmbH München, ISSN 0458-1822, S. 64-65.
- Werner Nef: Buchli-Oldtimer der Schweiz, 2003, ISBN 3-765-47125-9
- Karl Sachs: Elektrische Treibfahrzeuge, 1953, Band I, S. 298-301
[Bearbeiten] Patente
- U.S. Patent 1298881
- Deutsches Patent 304997