Denkstil
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„Gerichtetes Wahrnehmen, mit entsprechendem gedanklichen und sachlichen Verarbeiten des Wahrgenommenen.“
Der Begriff Denkstil stammt aus der Wissenschaftstheorie von Ludwik Fleck. Der Denkstil übt Einfluss auf das Denken der einzelnen Individuen, den Mitgliedern des Denkkollektivs (also der Gemeinschaft der Menschen, die im Gedankenaustausch oder in gedanklicher Wechselwirkung stehen) aus; er schwebt quasi als etwas Übergeordnetes über den individuellen Denkstilen. Die Wahrnehmung eines einzelnen Forschers will immer durch das Kollektiv bestätigt werden, dies führt gleichsam zu einer gegenseitigen Bestärkung. Denn wenn sich einzelne Wissenschaftler austauschen, werden Gedanken umgeformt, bis sich der Urheber der neuen Form seines Gedankens selbst anpasst. Jetzt ist nicht mehr klar, von wem der neu geformte Gedanke eigentlich stammt. Er ist nunmehr Resultat eines kollektiven Denkstils und muss dem Denkkollektiv als Ganzem zugeschrieben werden. Jedes Meinungssystem (Denkstil) zeichnet sich durch seine Beharrungstendenz aus. So erscheint alles was außerhalb des Denksystems liegt, einfach undenkbar bzw. wird verschwiegen. Ebenso werden Ausnahmen „erklärt“, damit sie in das jeweilige System passen. Dies bewirkt, dass Meinungssysteme immer auch selbständige, stilvolle Systeme sind, die alles in sich bedingen und nach Harmonie streben. Jeder Denkstil macht zwei Phasen durch: die der Klassizität und die Phase der zunehmenden "Ausnahmen".
Der Begriff des Denkstils ist Vorläufer zum Paradigma in der Wissenschaftstheorie von Thomas Kuhn.
„Wir können also Denkstil als gerichtetes Wahrnehmen, mit entsprechendem gedanklichen und sachlichen Verarbeiten des Wahrgenommenen, definieren. Ihn charakterisieren gemeinsame Merkmale der Probleme, die ein Denkkollektiv interessieren; der Urteile, die es als evident betrachtet; der Methoden, die es als Erkenntnismittel anwendet.“ (Fleck 1994 [1935]: 130)