Die Familie Selicke
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Die Familie Selicke ist ein Drama von Arno Holz und Johannes Schlaf, das 1890 entstand und im gleichen Jahr an der Freien Bühne in Berlin uraufgeführt wurde. In konsequent naturalistischem Stil beschreibt das Stück ein Familiendesaster innerhalb eines kleinbürgerlich-proletarischen Milieus..
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[Bearbeiten] Handlung
Das Stück spielt am Weihnachtsabend und dem darauffolgenden Morgen im Berlin der 1890er Jahre. Einziger Handlungsort ist das ärmliche Wohnzimmer der Familie Selicke. Die Mutter wartet mit ihren vier Kindern vergeblich auf den alkoholkranken Vater. Die Situation ist emotional aufgeladen, da die Familie die Gewalttätigkeiten ihres Vaters erwartet. Zudem leidet das Jüngste der Kinder, das achtjährige Linchen, an starken Hustenanfällen. Erst das Auftreten Wendts, ein Theologiestudent, der als Untermieter ein Zimmer der Familie bewohnt, bricht die deprimierende Milieustudie auf. Nachdem er Frau Selicke von seiner künftigen Anstellung als Landpastor berichtet, macht er der ältesten Tochter der Familie, der 22-jährigen Toni, einen Heiratsantrag und bittet sie, mit ihm die Großstadt zu verlassen. Zunächst lehnt Toni das Angebot aus Rücksichtnahme vor ihren familiären Pflichten ab, schließlich stimmt sie zögerlich zu. Um halb zwei Uhr morgens, wird die Familie durch den plötzlichen Tod Linchens geschockt. Der betrunkene Familienvater betritt das Wohnzimmer und spricht im Rausch Mord- und Selbstmorddrohungen aus. Als Herr Selicke den Tod registriert, zieht er sich zurück und lässt niemanden an sich heran. Angesichts der Katastrophe kündigt Toni die Beziehung zu Wendt auf.
[Bearbeiten] Theoretischer Hintergrund
Nachdem der literarische Kreis um Holz und Schlaf in den 1880er Jahren zunächst vor allem durch naturalistische Prosa auf sich aufmerksam gemacht hatte, ist Die Familie Selicke die erste dramatische Umsetzung ihrer eigenen Kunsttheorie. Wegweisend ist die Verdrängung der Hochsprache zugunsten von Soziolekt und Dialekt. Bezeichnend ist der Versuch, Wirklichkeit so authentisch wie möglich darzustellen. Zu diesem Zweck werden bis ins kleinste Detail Sprechtempo, Pausen und Lautstärke vorgebenen. Regieanweisungen überwiegen gegenüber Dia- und Monologen, so dass man fast von einem episch Text sprechen könnte.
[Bearbeiten] Literarische Traditionslinien
Obwohl die Autoren für sich reklamieren, ein genuin modernes und revolutionäres Drama verfasst zu haben, verweisen Personenkonfiguration und dramatische Handlung auf das Rührstück des 18. Jahrhunderts. Selicke trägt deutliche - wenn auch modifizierte - Züge eines patriarchalischen Familienoberhaupts Lessing'scher Prägung.
[Bearbeiten] Literatur
Arno Holz/Johannes Schlaf: Die Familie Selicke. Stuttgart 2005. ISBN 3-15008987-5