Dogenpalast
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Der Dogenpalast (ital.: Palazzo Ducale) in Venedig war seit dem 9. Jahrhundert Sitz des Dogen und der Regierungs- und Justizorgane der Republik Venedig.
Es handelt sich um einen der bedeutendsten Profanbauten der Gotik überhaupt. Im Norden grenzt der 71 x 75 m große Komplex unmittelbar an den Markusdom. Im Osten verbindet die Seufzerbrücke den Palast mit dem Gefängnis, im Westen liegt die Porta Della Carta. Der Dogenpalast ist ein Prunkbau mit riesigen Sälen, die mit Stuck und Goldornamenten verziert sind. Er beherbergt heute eine große Waffenkammer, in der auch Beutestücke aus der Türkei zu finden sind.
Der erste Bau entstand 814 als Holzkonstruktion mit Wehrtürmen, zugänglich nur durch eine Zugbrücke. Im 12. Jahrhundert wurde der Dogenpalast erneuert und mehr in die Stadt integriert. Bedingt durch das Anwachsen des Großen Rates auf fast 900 Mitglieder wurde ein größerer Neubau notwendig. Ab 1340 wurde daher der Südflügel mit der Sala del Maggior Consiglio (Saal des Großen Rates) errichtet. Zwischen 1424 und 1438 kam ein neuer Westflügel hinzu, wobei die verbliebenen Teile des unter Sebastian Ziani errichteten Vorgängerpalasts abgerissen wurden. Bei einem dritten Bauabschnitt kam ein neuer Ostflügel hinzu, der 1483 einem Brand zum Opfer gefallen war. Weitere Arbeiten am Palast beschränkten sich auf die Innenräume, insbesondere die Privatgemächer der Dogen im Ostflügel.
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[Bearbeiten] Die Architektur des Dogenpalastes
Der erste Dogenpalast wurde im Jahre 814 errichtet und war ein Kastell, ein Verteidigungsbau. 976 gab es einen Volksaufstand, dem der Palast und die damalige Markuskirche zum Opfer fielen. Auch der zweite Bau fiel einem der zahlreichen Brände zum Opfer, die die Stadt immer wieder heimsuchten. Zur Zeit des dritten, jetzigen Baues hatte Venedig seine Macht konsolidiert. Der neue Dogenpalast brauchte kein Wehrbau mehr zu sein, denn er lag auf einer Insel, die von allen Seiten durch die starken Verteidigungsbauten und Venedigs leistungsstarke Flotte geschützt wurde. Er wurde ein beeindruckender Palast, der Venedigs Glanz, Macht und Unverletzlichkeit allen Besuchern der Stadt demonstrieren sollte.
Der heutige Dogenpalast wurde großenteils in zwei Bauphasen errichtet, wie an der Fassade der Seeseite auch von außen zu erkennen ist. Die rechten beiden Fenster liegen deutlich niedriger als die anderen. Sie stammen noch aus der ersten Bauphase von 1301-40, als der rechte Trakt gebaut wurde, von dem aus die Seufzerbrücke zu den Gefängniszellen auf der anderen Seite des Kanals führt. Ab 1340 gab es einen Umbau, der bis 1450 dauerte und bei dem der linke Flügel hinzugefügt wurde. Der führende Baumeister und auch Bildhauer dieser Phase war Filippo Calendario, eine künstlerisch herausragende Persönlichkeit, die erst in der neueren Forschung gewürdigt wird. Er wurde allerdings als Mitverschwörer des Dogen Marino Faliero 1355 hingerichtet. Das dürfte mit ein Grund sein für seine lange Vernachlässigung in der Kunstgeschichte.
Die Architektur des Dogenpalastes ist einmalig und auch bei jenen Nachfolgebauten sofort zu erkennen, die ihn kopieren. Die Bauweise der venezianischen Gotik unterscheidet sich wesentlich von der des nördlichen Europas. Dem Höhen-Streben der nordeuropäischen Gotik setzte in Venedig allein schon der labile Baugrund Grenzen, zudem fehlt grundsätzlich fast allen gotischen Kirchen und Profanbauten Italiens der Höhenzug einer französischen Gotik. Die auch heute noch beeindruckende großzügige städtebauliche Ordnung von Markusdom, Dogenpalast, Piazza San Marco, Piazzetta, Logetta und Bibliothek ist das Ergebnis zielstrebiger und weitsichtiger Stadtplanung der venezianischen Behörden, die ihrer Republik funktionierende und für alle Sparten des öffentlichen Lebens passenden Räume zu schaffen wussten.
Der Dogenpalast wurde im 15. und 16. Jahrhundert dreimal von einem verheerenden Brand heimgesucht. Der konservative Grundzug der Republik zeigt sich darin, daß der Dogenpalast nach den alten Plänen wiederaufgebaut und der "moderne" Bauplan eines Palladio verworfen wurde. Die Fassade blieb erhalten oder wurde restauriert. Das Innere aber wurde entsprechend dem veränderten Zeitgeschmack neu gestaltet.
Die beiden großen Außenseiten des unteren Palastes sind in zwei Geschossen - oben eine offene Loggia, unten ein Arkadengang - mit sehr schönen Säulen geschmückt, deren Kapitelle aus dem 14. Jahrhundert zu Unrecht wenig beachtet werden. Das Niveau des umgebenden Bodens ist in den vergangenen Jahrhunderten mehrmals angehoben worden. Daher sind die Basen der Säulen nicht mehr zu sehen, und die Maßverhältnisse haben sich leicht geändert.
[Bearbeiten] Die Kapitelle des Filippo Calendario
Eines der großen Eckkapitelle des oberen Geschosses zeigt den Sündenfall von Adam und Eva und den Baum der Erkenntnis mit der Schlange. Die feingeschnittenen Gesichtszüge dieser Figuren tauchen in zahlreicher Wiederholung an den kleineren Kapitellen immer wieder auf. Die neuere Stilkritik und die jüngsten Ergebnisse von Forschungen über die Konstruktion des Palastes bestätigen die alten Chroniken, dass der Skulpturenschmuck im wesentlichen zwischen 1340, dem Baubeginn, und 1355, der Hinrichtung des damaligen Bildhauers und proto des Dogenpalastes, Filippo Calendario, entstanden ist. [1] Ein weiteres bedeutendes Kapitell an der Ecke des Dogenpalastes (zur Ponte della Paglia hin) zeigt Die Trunkenheit des Noah. Noah, dargestellt als alter Mann, scheint zu torkeln, aus einer Schale verschüttet er Wein. Sein Sohn Sem bedeckt mit einem Tuch seine Blöße und hebt schützend eine Hand. Noahs anderer Sohn Ham scheint mitleidlos und macht auf die peinliche Situation noch aufmerksam.
Kapitelle der unteren Säulenreihe: Es handelt sich bei den hier gezeigten Themen um Darstellungen, wie sie an den Außenzonen von Kathedralen und Herrschaftsgebäuden damals allgemein üblich waren, also beispielsweise Monatsdarstellungen mit den entsprechenden Arbeiten, Sternkreiszeichen, die sieben freien Künste, Szenen aus dem Alten und Neuen Testament und aus der Stadtgeschichte usw.
[Bearbeiten] Rote Säulen für die Todesurteile
An der Platzseite des Palastes sieht man im ersten Geschoss zwei benachbarte Säulen, die etwas rötlicher gefärbt sind, als die anderen. Zwischen ihnen wurden die Todesurteile verkündet. Dementsprechend befindet sich nicht weit davon entfernt als Kreisform über einer Säule eine symbolische Darstellung der Rechtsprechung: die Justitia mit dem Schwert und der Schriftrolle zwischen zwei Löwen, ebenfalls ein Werk Filippo Calendarios.
[Bearbeiten] Die Porta della Carta
Die Porta della Carta oder auch das „Papier-Tor“ ist der Durchgang zum Innenhof und gehört zur venezianischen Hochgotik. Papier-Tor wurde es deswegen genannt, weil hier die Bürger Venedigs, denen der Zugang zum Palast verwehrt wurde, ihre Bittschriften an die Stadtregierung einreichen konnten. Durch dieses Tor wurde der neu gewählte Doge in den Palast geführt und dort mit den Insignien ausgestattet. Das Tor ist das letzte gotische Dokument auf venezianischem Boden. Doch die venezianische Gotik sieht anders aus als die Gotik in Deutschland oder Frankreich. Sie hat eine Tendenz zu farbiger Pracht mit der Tendenz zur Stilvermischung und zu üppigem Dekor. An diesem Tor ist dies gut zu erkennen. Das Portal verbindet San Marco mit dem Palast, wurde 1438 von Bartolomeo Buon geschaffen und zeigt im Mittelfeld die Marmorgruppe des Dogen Francesco Foscari zusammen mit einem geflügelten Löwen, dem Wappentier Venedigs. In dem Buch, auf das der Löwe seine Pranke legt, steht der Wahlspruch Venedigs: „Pax tibi marce, evangelista meus“ - „Friede sei mit dir, Markus, mein Evangelist“.
[Bearbeiten] Der Innenhof
Ein Blick in den Innenhof des Dogenpalastes zeigt Bauwerke, die alle aus der Zeit um 1500 stammen. Die stilistische Reinheit der Außenfront ist hier aufgegeben zugunsten eines Stilgemisches, das als einzige Gemeinsamkeit das Bedürfnis nach Prachtentfaltung zeigt.
Eine Treppe namens ‚Scala dei giganti’ führt vom Innenhof zu den oberen Geschossen, in denen der Doge wohnte. Die Renaissance-Fassade des Ostflügels ist ein Neubau des ausgehenden 15. Jhs., der nach einem Brand notwendig wurde. Es ist das erste Dokument der Renaissance in Venedig und steht in einem angenehmen Gegensatz zu dem etwas protzigen Stilgemisch des übrigen Innenhofes.
Die Treppe hat ihren Namen von zwei kolossalen Plastiken des Mars und Neptun von Jacopo Sansovino aus dem Jahr 1567, drei Jahre vor seinem Tod. Jacopo Sansovino, der Architekt der Bibliothek und der Loggetta, war hier als Bildhauer tätig, was im damaligen Italien keine ungewöhnliche Sache war. Die großen Künstler waren häufig auf mehreren Gebieten tätig.
An einer Stelle dieses Ganges ist in die Mauer einen sehr eigenartiger Briefkasten eingelassen, die „Bocca di Leone“, der in der Geschichte Venedigs eine große Rolle spielte. Er war bestimmt für Denunziationen und das steht auch auf der Tafel. Wenn jemand etwas Nachteiliges über einen Mitbürger zu berichten wusste und er hatte zwei Zeugen dafür, brauchte er nur eine Nachricht durch den Mund dieser Maske einzuwerfen - und die Stadtverwaltung, genauer der sog. „Rat der Zehn“ ging der Sache nach. Diese Maßnahme diente u.a. dazu, die Durchsetzung der städtischen Politik zu garantieren und Verschwörungen zu verhindern, indem sie rechtzeitig aufgedeckt wurden.
[Bearbeiten] Die Innenräume
Die Bilder der zahlreichen Innenräume vermitteln eine Gemeinsamkeit der einzelnen Säle des Palastes neben ihrer ähnlichen Form, nämlich ein großes Bemühen um künstlerische Ausgestaltung. Der obere Teil der Wände und vor allem die Decken sind mit einem ungeheueren Prunk versehen. Man hat sehr viel Wert gelegt auf die ornamentale Gestaltung der Rahmen unter der Decke, in die man häufig Bilder der führenden Künstler Venedigs hineinsetzte, die sich in erster Linie thematisch mit der Glorifizierung der Stadt beschäftigten.
Der Saal des Großen Rates ist mit 54 Metern Länge der größte Saal des Dogenpalastes, dessen Fenster sowohl zum Innenhof als auch auf die Lagune hinausgehen. Hier versammelten sich die etwa 1.000 Adligen, die das Recht hatten, den Dogen zu wählen. Die hintere Wand wird in voller Breite von Jacopo Tintorettos Bild „Das Paradies“ von 1588-94 eingenommen, das als eines der flächenmäßig größten Ölgemälde der Kunstgeschichte gilt. Es wurde gemalt, nachdem 1577 ein Brand die vorherigen Bilder von Bellini, Carpaccio und Tizian zerstört hatte.
Der Große Rat stellte nicht die ursprüngliche Gewalt Venedigs dar. Das war anfangs die „Generalversammlung“ aller freien Männer. Aber der Adel gewann immer mehr an Macht. Er sorgte dafür, dass seit dem 13. Jahrhundert die Generalversammlung nicht mehr einberufen wurde und setzte stattdessen den „Großen Rat“ als zentrales Machtorgan ein. Der verabschiedete alle Gesetze und wählte aus seiner Mitte andere Verfassungsorgane. Er bestimmte u.a. die Zusammensetzung des sog. „Rates der 40“ und des „Senates“, der die Gesetze vorschlug, die Gerichtsbarkeit innehatte und Handel und Finanzen kontrollierte. Er bildete den „Rat des Dogen“, in dem jeweils ein Adeliger aus den sechs Stadtbezirken (Sestieri) saß und der zusammen mit den drei Vorsitzenden des „Rates der 40“ und dem Dogen die eigentliche Regierung des Republik, die „Signoria“ bildete. Diese Gremien hatten alle im Dogenpalast ihre speziellen Versammlungssäle, durch die man als Tourist hintereinander hindurch schreiten kann.
Das Regierungssystem Venedigs ist in seinen ganzen Feinheiten nur schwer zu beschreiben. Die literarischen Angaben zu den jeweiligen Machtverhältnissen zwischen den einzelnen Institutionen der Republik sind deshalb nicht nur verwirrend, sondern auch widersprüchlich. Die Frage, welche Institution zu welcher Zeit welche Macht hatte, lässt sich oft nicht eindeutig beantworten oder kann nur von Fall zu Fall entschieden werden.
[Bearbeiten] Das Gefängnis
Ein prominenter Bauteil des Dogenpalastes von literarischer Bedeutung ist das Gefängnis, das auf zwei Gebäude verteilt ist – beide Teile sind durch die Seufzerbrücke verbunden. Im Dogenpalast selber befanden sich einige ausgesprochen feuchte Gefängniszellen im Erdgeschoß, die berüchtigten 19 „Pozzi“ , und weiter oben die 6 oder 7 „Piombi“, also Bleikammern, direkt unter dem bleigedeckten Dach – daher der Name.
Dann kam die Seufzerbrücke, der Ponte dei Sospiri, und schließlich die im 16. Jahrhundert erbauten Zellen jenseits der Brücke, die „Prigioni“, das eigentliche Gefängnis. Der berühmteste Insasse der berüchtigten Bleikammern war Giacomo Casanova, der in der Nacht des 31. Oktober 1756 von hier über das Dach des benachbarten Hauses geflohen ist.
Die um 1600 erbaute Seufzerbrücke, wie die Brücke seit dem 19. Jahrhundert genannt wurde, verdankt ihren Namen angeblich den letzten Seufzern, die die Delinquenten für lange Zeit, wenn nicht für immer, dem Tageslicht hinterher weinten. Sie ist über ihre gesamte Länge durch eine Mauer in zwei separate Gänge geteilt.
Es gab allerdings gar nicht so viele Gefangene in diesem Kerker. Im 18. Jahrhundert sollen dort nie mehr als sechs oder sieben Inhaftierte zugleich gewesen sein. Möglicherweise ist überhaupt nur ein einziger politischer Gefangener jemals durch die Seufzerbrücke gegangen, ansonsten gab es hier angeblich nur Taschendiebe und unbedeutende Missetäter. Die Quellenlage ist nicht eindeutig.
[Bearbeiten] Literatur
- Erich Hubala: Reclams Kunstführer Italien, Bd. II,1, Venedig, Brenta- Villen, Chioggia, Murano, Torcello, Baudenkmäler und Museen, hrsg. v. Manfred Wundram, zweite Auflage, Stuttgart 1974, S. 43
- Giulio Lorenzetti: Venezia e il suo estuario, guida storico- artistica, Padova Erredici, 2002, S. 239
- Wolfgang Wolters: Der Bilderschmuck des Dogenpalastes, Wiesbaden 1963.
- Erich Egg, Erich Hubala, Peter Tigler: Reclam Kunstführer. Südtirol, Trentino, Venezia Giulia, Friaul, Veneto. Kunstdenkmäler und Museen, (Bd. 2/ II) (Gebundene Ausgabe, 1981). ISBN 3150100070
- DuMont visuell Venedig. DuMont Reiseverlag, Ostfildern; Oktober 1993, ISBN 3770132009
- Thorsten Droste: Venedig. DuMont Kunst-Reiseführer, Ostfildern, April 2005, ISBN 3770160681
- Helmut Dumler: Venedig und die Dogen. Artemis & Winkler, April 2001, ISBN 3538071160
- Huse, Norbert / Wolfgang Wolters: Venedig. Die Kunst der Renaissance. Architektur, Skulptur, Malerei 1460 - 1590 (Gebundene Ausgabe), C.H.Beck; 2. Aufl. (November 1996), ISBN 3406411630
- Karl-Hartmann Necker: Dandolo – Venedigs kühnster Doge. Böhlau, Wien 1999, ISBN 3205988841
- Giandomenico Romanelli / Mark E. Smith: Venedig, Hirmer, 1997, ISBN 3777473901
- Giandomenico Romanelli (Hrsg.): Venedig. Kunst und Architektur, Ullmann/Tandem, 2 Bde., November 2005, ISBN 3833110651
- Alvise Zorzi: Venedig. Die Geschichte der Löwenrepublik Claassen, 1992, ISBN 3546000242
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Dogenpalast – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
Koordinaten: 45° 26' 1" N, 12° 20' 23" O