Enfield Rifled Musket
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Die Enfield Rifled Musket ist der erste gezogene Vorderlader einer europäischen Armee, der für alle Truppenteile vom britischen Board of Ordnance (BO) 1852 angenommen wurde.
Der Namensbestandteil "Enfield" rührt daher, dass zuvor die Fertigungsräume im Londoner Tower ausgebrannt waren und die Royal Small Arms Factory nach Enfield (damals noch vor den Toren Londons) ausgelagert wurde. Mit dieser Waffe begann die Reihe der berühmten "Enfield"-Gewehre.
Obwohl musket genannt, handelt es sich nicht um ein glattläufiges Gewehr (Muskete bezeichnet eigentlich ein Gewehr mit einem glatten Lauf), sondern um eine mit Zügen versehene Waffe, die ein Ogivalgeschoß im Kaliber .577 inches (14,66 Millimeter) verschoss. Dieses Geschoss war ein sogenanntes Minié-Geschoss, dessen Prinzip von einem Hauptmann der französischen Artillerie gleichen Namens 1848 (Claude Etienne Minié) entwickelt worden war (siehe auch Miniégewehr).
Erstmals zum Einsatz kam das neue Infanteriegewehr mit einer Länge von 1,40 Meter bereits im Jahr darauf, im sog. Krimkrieg. Die erste Serie hatte einen Visierbereich bis zu 900 Yard. Die Leistung der neuen Waffe war so gut, daß die Waffen der zweiten Herstellungsserie einen auf 1000 Yards (ca. 920 Meter) verlängerten Visierbereich bekamen. Schließlich wurde das Gewehr lehrenhaltig nicht nur in Enfield, sondern auch im Londoner Tower, in Lüttich, Windsor (Vermont, USA) und einigen privaten Firmen produziert. Es folgten Verbesserungen der einzelnen Versionen. Die vierte Produktionsserie wurde ausschließlich in Enfield gefertigt und ausnahmslos später zu Snider-Enfield Hinterladern umgebaut.
Diese Waffe diente allen europäischen Mächten dazu, ihre Infanteriebewaffnung durchgehend auf gezogene Gewehre umzustellen (bis dahin war der Hauptteil der englischen Infanterie mit glattläufigen Gewehren größeren Kalibers .75 inches oder 19,05 Millimeter ausgerüstet, deren wirksame Reichweite nicht mehr als 200 Meter betrug. Bis dahin hatten lediglich die Rifle Regiments Waffen mit gezogenen Läufen.) Im geordneten Massenfeuer konnten jetzt sogar Reichweiten von gut 1000 Metern erreicht werden. Im Bewusstsein dessen ließ allein Preußen noch im Jahr 1855 insgesamt 600.000 Gewehre nach dem System Minié ausstatten.
1856 bekamen die Sergeants den nämlichen Gewehrtyp zugeteilt, jedoch versehen mit einem kürzeren Lauf (33 inches statt 39 in.) und deshalb auch nur mit zwei Laufhaltebändern versehen (sog. 2-Band-Enfield). 1858 erhielt die Navy das nämliche Gewehr wie die Sergeants, allerdings bekam der Lauf ab 1860 bereits fünf Züge statt bisher drei. Die Leistungen dieses Gewehrs waren so gut, daß es trotz kürzerem Lauf einen Visierbereich von 1100 Yards erhielt. Die fünfzügige Version erhielt sogar einen Visierbereich bis 1250 Yards (1130 Meter). Wegen der guten Erfahrungen mit dem fünfzügigen Lauf wurden von diesem Zeitpunkt an auch die längeren 3-Band-Enfields mit fünf Zügen geliefert.
Bereits 1853 war ein Musketon (Karabiner) für die Artillerie angenommen worden, das einen kürzeren Lauf von 24 inches erhielt (Kennzeichen der Karabiner für die Verwendung auf dem Pferd bei der Kavallerie) mit einem Visierbereich von nur 200 und 300 Yards, dem 1861 ein weiteres Modell gleicher Maße folgte, das wegen des jetzt fünfzügigen Laufes dennoch bis zu einem Visierbereich von 600 Yards Verwendung finden konnte. Der Kavallerie-Karabiner von 1856 hatte einen Lauf von nur 21 inches.
Alle diese Waffen fanden noch im Amerikanischen Bürgerkrieg (Sezessionskrieg) Verwendung, obwohl ab 1862 viele zu einschüssigen Hinterladern gemäß dem Patent von Jacob Snider unter der von Colonel Boxer entworfenen Messingzentralfeuerpatrone umgebaut wurden.
Die Ladung betrug einheitlich 68 Grains Schwarzpulver mit einem Geschoß von 530 Grains Gewicht.
Außerdem kommen alle diese Versionen für die East India Company (EIC) vor, nach dem indischen Aufstand und Auflösung der EIC-Truppen nur noch als glatte Versionen, deren Läufe meist ausgerieben und auf ein glattes Kaliber von .656 aufgebohrt worden waren. Diesen Waffen wurde auch das übliche Treppenvisier genommen und ein einfaches Blockvisier aufgelötet.
Da diese gezogenen Gewehre so breite Verwendung im amerikanischen Bürgerkrieg gefunden hatten, bauten amerikanische Firmen schon in den 60er Jahren des 20. Jhds. Repliken zu sportlichen Zwecken. Ab 1972 baute dann die Firma Parker-Hale unter Verwendung originaler Zeichnungen und der gesiegelten Exemplare des sog. Pattern-Rooms der staatlichen Royal Small Arms Factory in Enfield baugleiche Exemplare dieser Gewehre nach, die heute fast als Originale gelten, da ihre Teile mit den Originalen austauschbar sind.
Viele Vorderladerschützen bedienen sich vor allem der Version von 1858 um in der Disziplin "Dienstgewehr" an Wettkämpfen teilzunehmen.
1871 wurde die Produktion eingestellt und auf das Martini-Henry-Gewehr umgestellt. In den Kolonien jedoch tat das Gewehr oft noch bis ins 20. Jhd. Dienst.
[Bearbeiten] Literatur
- Charles J. Purdon, The Snider-Enfield Rifle (Historical Arms 24), Bloomfield 1990
- Ian Skennerton, .577 Patern 1853 Rifle Musket & Snider Enfield (Small Arms Identification Series 20), Labrador 2005
- Extracts from Regulations for Conducting Musketry Instructions oh the Army, London 1859
- Hans-Dieter Götz, Vom Luntenschloß zum Sturmgewehr. Waffenkunde für Sammler, 5.Aufl., Stuttgart 1979
- Wolfgang Kräusslich, vergessene Schätze. Replikas von Hege mit original Parker-Hale-Teilen, in: Deutsches Waffenjournal (DWJ) Heft 8, 1999, S.1196-1200
- Rudolf Sangenstedt, Glattläufig. EIC-Langwaffen, Teil IV., in: DWJ Heft 12, 1997, S.1876-1880