Evangelische Freiheit
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Evangelische Freiheit ist ein Zentralbegriff des Christentums. Er gibt dem allgemein menschlichen Freiheitsstreben eine spezifische, durch die Worte und Taten, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi, d.h. durch das Evangelium begründete Antwort.
Ausdrücklich findet sich das Substantiv Freiheit im Neuen Testament an einigen Stellen, z.B.:
- Der Herr ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. (Korinther 3,17)
- Ihr aber, liebe Brüder, seid zur Freiheit berufen. (Galater 5,13)
- Weil wir denn nun, liebe Brüder, durch das Blut Jesu die Freiheit haben zum Eingang in das Heiligtum, den er uns aufgetan hat als neuen und lebendigen Weg durch den Vorhang, das ist: durch das Opfer seines Leibes, und haben einen Hohenpriester über das Haus Gottes, so laßt uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in vollkommenem Glauben, besprengt in unsern Herzen und los von dem bösen Gewissen und gewaschen am Leib mit reinem Wasser. (Hebräer 10,19-22)
Das Adjektiv frei kommt ebenfalls an einigen Stellen vor, z.B. Johannesevangelium (8,31-32):
- Da sprach nun Jesus zu den Juden, die an ihn glaubten: Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.
- Als aber Jesus sie sah, rief er sie zu sich und sprach zu ihr: Frau, sei frei von deiner Krankheit! (Lukas 13,12)
- Er fing an, frei und offen zu predigen in der Synagoge. (Apostelgeschichte 18,26)
- Nun aber sind wir vom Gesetz frei geworden und ihm abgestorben, das uns gefangenhielt, so daß wir dienen im neuen Wesen des Geistes und nicht im alten Wesen des Buchstabens. (Römer 7,6)
Der Fundamentaltheologe der evangelischen Freiheit ist Paulus. In seinen Briefen, vor allem im Galater- und Römerbrief ist Freiheit das durchgängige Thema. Paulus beansprucht darzulegen, wie sich durch Christus die Existenzbedingungen jedes Menschen verändert hätten und wie wirkliche Freiheit in ihm möglich sei.
Ausgangspunkt ist die Unfreiheit des Menschen zum Guten, schuldhaft entstanden durch seine Loslösung von Gott und seine Hinwendung zum Geschaffenen. Das den Juden gegebene Gesetz fordert die restlose Hingabe des Menschen an Gott und den Nächsten in Tat, Wort und Willen. Es ist heilig und gut, offenbart jedoch eben dadurch die Unfreiheit des Menschen, da es ihn in einen unlösbaren Widerstreit zwischen Gehorsam und Selbstbehauptung versetzt.
Christus führt diesen Konflikt auf die Spitze, da in ihm die eigentliche Absicht des Gesetzes erst vollkommen anschaubar wird. In seinem Tod und seiner Auferstehung aber vollzieht Gott die Wende zur bedingungslosen Barmherzigkeit. Die Forderung des Gesetzes und damit die Sünde ist gestorben - der Sünder, der mit der Taufe in den Lebensraum des Auferstandenen eintritt, darf in der Liebe Christi angstfrei glauben, hoffen und lieben.
Evangelische Freiheit ist in dieser Sicht kein Zustand, sondern die ein für allemal geschenkte Möglichkeit, immer neu mit Christus vom Tod zum Leben, von der Befangenheit im Bösen zur Freiheit der Kinder Gottes hinüberzugehen.
Theologiegeschichtlich wirksam wurde die paulinische Freiheitsreflexion vor allem bei Augustinus (De spiritu et littera) und Martin Luther (Von der Freiheit eines Christenmenschen). Der Begriff ist vom Wortsinn her nicht konfessionell gemeint (im Sinne der Evangelischen Kirche), wird jedoch von den Kirchen der Reformation als ihr spiritueller Schwerpunkt angesehen.
Schon Paulus benannte die Gefahr, dass sich die innere Dialektik der evangelischen Freiheit, die für ihn die absolute Geltung der Gesetzesforderung voraussetzt, auflöst in eine inhaltsleere Beliebigkeit. Dieser Gefahr setzt er das Primat der Liebe entgegen, deren Früchte ein Leben in evangelischer Freiheit tragen soll.