Feindbild
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Als Feindbild bezeichnet man die in einer Menschengruppe (Eigengruppe) verbreitete negative Vorstellung von einer Fremdgruppe. Die Bewertung der Fremdgruppe beruht dabei in mehr oder weniger großem Umfang auf Vorurteilen. Ein Feindbild ist also ein „Bild“, das sich Menschen in einem bestimmten soziokulturellen Kontext von einer anderen Menschengruppe machen, von der sie sich bewußt stark abgrenzen, und die mit negativen Bewertungen und Konnotationen versehen wird. Dieses Negativbild wird nicht durch ein ausgewogenes rationales Urteil gewonnen und entspricht in den meisten Fällen nicht der Realität. Es dient im wesentlichen der psychosozialen Stabilisierung und dem Gruppenzusammenhalt der eigenen Gruppe (s. auch Othering).
Feindbilder können auf natürliche Weise entstehen – beispielsweise immer dort, wo starke soziale Ungleichheiten herrschen. Häufig werden sie jedoch mithilfe von Propaganda bewusst und gezielt aufgebaut. Dabei werden in den meisten Fällen bereits existierende Vorurteile gegen die Fremdgruppe benutzt, um die von einer vermeintlichen oder realen Benachteiligung betroffenen Akteure (Individuen oder Gruppen) von der realen Ursache ihrer Benachteiligung abzulenken und deren Frustration und die daraus resultierenden Aggressionen gegen ein klar definiertes Ziel zu richten.
Insbesondere in Zeiten gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Krisen sind erstarkende Feindbilder zu beobachten, mit denen die "Schuld" am eigenen "Unglück" einer bestimmten, klar definierten Menschengruppe zugeschrieben wird - beispielsweise den Juden während der Weltwirtschaftskrise. Die Sozialpsychologie bezeichnet diesen Vorgang als "Sündenbockmechanismus" (engl. scapegoating). Der Philosoph und Kulturanthropologe René Girard sieht diesen Mechanismus im Rahmen seiner mimetischen Gesellschaftstheorie als zentral an.
Vor allem während kriegerischer Auseinandersetzungen schüren die machthabenden Eliten eines Staates bewusst und gezielt Feindbilder, um ihre Bevölkerung von der Richtigkeit des Krieges und der Bosheit des Feindes zu überzeugen.
Wunschfeindbild ist eine Begriff aus der diskurstheoretischen Feindbildforschung. Damit werden nach Alfred Schobert Bilder vom Feind benannt, die diesen Feind so darstellen, „wie er sein müsste, um ihn am intensivsten hassen zu müssen“.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Elias Canetti: Masse und Macht.
- Kurt Imhof: Kommunikation und Revolution.
- Sybil Wagener: Feindbilder Verlag Quadriga (1999) ISBN 3886793346
Zu den theoretischen Hintergründen von Legitimationsprozessen:
- Peter L. Berger, Thomas Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit.
- Günther Wagenlehner (Hrsg.): Feindbild. Geschichte, Dokumentation, Problematik.
Zu Wunschfeindbild:
- Jürgen Link: Radikal umdenken: wie? Denkanstöße angesichts der Denormalisierung nach dem 11. September 2001. In: Siegfried Jäger/Jobst Paul (Hg.): Diese Rechte ist immer noch Bestandteil unserer Welt. Aspekte einer neuen Konservativen Revolution. Duisburg: DISS 2001 [1]