Hammelsprung
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Der Hammelsprung war ursprünglich eine Methode, mit der die Zahl der Schafe in einer Herde bestimmt wurde, etwa zum Zweck des Verkaufs oder der Besteuerung. Dabei wurden die Schafe durch ein Tor getrieben, welches schmal genug war, nur ein einzelnes Schaf passieren zu lassen. So wurde erreicht, dass jedes Schaf genau einmal gezählt wurde.
Davon abgeleitet wird als Hammelsprung eine Form der parlamentarischen Abstimmung in deutschen Parlamenten, namentlich dem Bundestag, bezeichnet. Ein Intarsienbild über einer der Abstimmungstüren im alten Berliner Reichstagsgebäude verwies noch auf die Herkunft des Wortes. Es zeigte den durch Odysseus erblindeten Zyklopen Polyphem aus der griechischen Sage, der seine Hammel zählt, indem er sie einzeln durch seine Beine treibt. Über der anderen Tür war das Bild der Märchen- und Sagengestalt Rübezahls zu sehen. Zu Zeiten des Kaiserreichs waren lediglich zwei Türen für "Ja"- und "Nein"-Stimmen vorhanden. Dieses Abstimmungsverfahren wurde auf Anregung des damaligen Vizepräsidenten des Deutschen Reichstages, Hans Victor von Unruh, eingeführt.
Grundsätzlich wird im Deutschen Bundestag durch Handzeichen oder durch "Aufstehen oder Sitzenbleiben" abgestimmt.
Zum Hammelsprung kommt es nur in Zweifelsfällen, da das Verfahren recht zeitraubend und aufwändig ist.
Das Verfahren ist in § 51 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages geregelt.
Der Hammelsprung kommt dann zum Einsatz, wenn sich z. B. der Sitzungsvorstand über das Ergebnis einer Abstimmung auch nach der Gegenprobe nicht einig ist. Im Deutschen Bundestag sind andere, genauere Auszählungsmethoden nicht vorgesehen, etwa ein elektronisches Zählverfahren wie in vielen anderen Ländern, z.B. in Russland. Die Begründung dafür liegt in der Bandbreite der Manipulationsmöglichkeiten, die bei elektronischen Systemen wesentlich höher sind als beim Hammelsprung.
Die Abgeordneten müssen für den Hammelsprung den Saal verlassen und durch drei Türen wieder betreten, die für "Ja", "Nein" oder "Stimmenthaltung" stehen. An jeder Tür stellen sich zwei Schriftführer auf. Auf ein Zeichen des Präsidenten betreten die Mitglieder des Bundestages wieder den Sitzungssaal und werden von den Schriftführern laut gezählt. Zur Beendigung gibt der Präsident erneut ein Zeichen. Wer zu spät kommt, wird nicht mehr mitgezählt.
Einige Anekdoten des Bundestages beschäftigen sich mit Fraktionsvorsitzenden, die verirrte Abgeordnete am Durchschreiten der "falschen" Tür zu hindern suchen.
Ein gleichartiges Verfahren zur Feststellung von Abstimmungsergebnissen wird in seltenen Fällen in den schweizerischen Landsgemeinden von Glarus und Appenzell Innerrhoden angewandt. Bei mehreren tausend Anwesenden kann es vorkommen, dass das Ergebnis zweifelhaft bleibt.