In-camera-Verfahren
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Ein in-camera-Verfahren (lat. in camera für in der Kammer, also "geheim") ist ein besonderes Verfahren im Verwaltungsgerichtsverfahren, das bei Geheimhaltungsbedürftigkeit der in der Gerichtsverhandlung zu erörternden Informationen zur Anwendung kommt.
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[Bearbeiten] Anwendung
Behörden sind gegenüber den Verwaltungsgerichten gem. § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Da gem. § 55 VwGO i. V. m. § 169 GVG die Gerichtsverhandlung öffentlich ist, können die dort erörterten Informationen publik werden.
Wenn aber das Bekanntwerden solcher dem Gericht zu erbringenden Informationen dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte gem. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO verweigern. Auf Antrag eines Beteiligten entscheidet dann der Fachsenat nach § 189 VwGO des Bundesverwaltungsgerichts oder des Oberverwaltungsgerichts gem. § 99 Abs. 2 VwGO darüber, ob die Verweigerung der Informationserbringung rechtmäßig ist. Die oberste Aufsichtsbehörde hat auf Aufforderung dieses Spruchkörpers die verweigerten Informationen vorzulegen; das in-camera-Verfahren unterliegt zur Geheimhaltung den Vorschriften des Geheimschutzes. Auch die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheimgehaltenen Informationen nicht erkennen lassen.
[Bearbeiten] Entwicklung
Das in-camera-Verfahren wurde erst durch das Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3987) eingeführt. Bereits vorher konnte das Gericht zwar entscheiden, ob von der verweigernden Behörde hinreichend glaubhaft gemacht worden war, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verweigerung vorlagen; allerdings konnte es zur Beurteilung nicht in die verweigerten Unterlagen Einsicht nehmen, da nach alter Rechtslage die Informationen als in den Prozess eingeführt gegolten hätten und so auch der Klägerpartei bekannt geworden wären.
1999 entschied das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde, dass der alte § 99 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 VwGO mit der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar sei, soweit er die Aktenvorlage auch in denjenigen Fällen ausschließt, in denen die Gewährung effektiven Rechtsschutzes von der Kenntnis der Verwaltungsvorgänge abhängt. Weiterhin stellte es fest, dass die Beschränkung des Akteneinsichtsrechts der Verfahrensbeteiligten gem. § 100 Abs. 1 VwGO hinsichtlich der nur für den entscheidenden Spruchkörper bekanntzugebenden Informationen mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG (der eben auch Akteneinsicht beinhaltet) vereinbar sei, wenn sich erst durch diese Beschränkung der von Art. 19 Abs. 4 GG gebotene effektive Rechtsschutz ermöglichen lässt.
[Bearbeiten] Literatur
- Sven Schüly: Das "In-camera"-Verfahren der Verwaltungsgerichtsordnung: unter besonderer Berücksichtigung des Spannungsfeldes zwischen effektivem Rechtsschutz und Geheimhaltung. Nomos, Baden-Baden 2006. ISBN 3-8329-2164-8
- Hans von Egidy: Vorlagepflichten und Geheimhaltungsinteressen im Verwaltungsprozess in Deutschland und Frankreich Nomos, Baden-Baden 2005. ISBN 3-8329-1209-6
[Bearbeiten] Weblinks
- § 99 VwGO
- § 189 VwGO
- BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Oktober 1999, Az. 1 BvR 385/90
- BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. März 2006, Az. 1 BvR 2087/03 und 1 BvR 2111/03
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