Johann Reichhart
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Johann Reichhart (* 29. April 1893 in Wichenbach bei Wörth an der Donau; † 26. April 1972 in Dorfen bei Erding) war der meistbeschäftigte Henker (Scharfrichter) Deutschlands. Er entstammte einer bayrischen Scharfrichtersippe, die bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurückreicht.
Während der Weimarer Republik seit 1924 und der Zeit des Dritten Reiches vollstreckte er etwas über 3.000 Todesurteile mit der Guillotine. Er richtete auch Hans Scholl und Sophie Scholl hin, die bekannten Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose.
Nach 1945 wurde er von der amerikanischen Militärregierung bis Ende Mai 1946 weiterbeschäftigt. Er henkte 156 verurteilte Nazigrößen im Gefängnis Landsberg am Lech am Galgen. Die hierfür erforderliche Technik muss ihm spätestens seit 1942 bekannt gewesen sein, als er einen Konstruktionsvorschlag für einen Galgen britischer Bauart mit Falltür einreichte, der jedoch vom Justizministerium abgelehnt wurde (das Erhängen war durch Reichsgesetz vom 29. März 1933 als zusätzliche Hinrichtungsart eingeführt worden). Bei Erhängungen während des Dritten Reichs musste Reichhart demnach mit der österreichischen Methode der Strangulation arbeiten.
Reichharts Erfahrungen in Landsberg machte sich die amerikanische Justiz zunutze, indem sie angeblich den Master Sergeant Woods durch Reichhart im Umgang mit dem Galgen unterrichten ließ und ihn beauftragte, den Bau der Galgen in Nürnberg zu überwachen. Woods henkte am 16. Oktober 1946 die Hauptkriegsverbrecher des Nürnberger Prozesses, assistiert von Joseph Malta. Danach wurde Woods versetzt. (Er erlitt später auf Eniwetok (Marshall-Inseln) bei der Reparatur eines elektrischen Stuhls einen tödlichen Unfall.)
Reichhart gilt als der Scharfrichter, der die meisten Hinrichtungen aller Zeiten vollzog. Während seiner gesamten Dienstzeit war für ihn charakteristisch, dass er den Hinrichtungsablauf zu beschleunigen und für den Verurteilten "weniger belastend" zu machen suchte. Ab etwa 1939 ersetzte er das Kippbrett (bascule) an der Guillotine durch eine fest montierte Richtbank, auf der das Opfer durch die Scharfrichter-Assistenten (ohne vorheriges Anschnallen) lediglich festgehalten wurde, bis das Beil gefallen war. Hierdurch verkürzte sich die Vollstreckungszeit auf nur noch drei bis vier Sekunden. Gerade im Jahr 1944 im Zuge des Attentates auf Adolf Hitler war die Zahl der Hinrichtungen, über die Reichhart übrigens genau Buch führte, überproportional angestiegen. Ein schnell arbeitender Henker konnte in dieser Lage den Machthabern nur recht sein.
Reichharts Amt machte ihn zu einer einsamen und geächteten Person.
Seine Ehe scheiterte, und sein Sohn Hans beging aufgrund der damit verbundenen seelischen Belastungen 1950 Selbstmord.
Als 1963 während einer Mordserie an Taxifahrern die Wiedereinführung der Todesstrafe gefordert wurde, sprach sich auch Reichhart dafür aus und nannte als seine bevorzugte Methode die Guillotine, weil sie die schnellste und sauberste sei.
[Bearbeiten] Literatur
- Stefan Amberg (= Will Berthold): Johann Reichhart, der letzte deutsche Henker. München 1982
- Johann Dachs: Tod durch das Fallbeil: Der deutsche Scharfrichter Johann Reichhart (1893-1972). Berlin 2001, ISBN 3548362435
- Gotthold Leistner: Sachsen und die Guillotine. Ein Beitrag zur Geschichte eines Tötungsmonstrums. In: Sächsische Heimatblätter 48. Jg. (2002) S. 130-149
Personendaten | |
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NAME | Reichhart, Johann |
KURZBESCHREIBUNG | einer der letzten Scharfrichter Deutschlands |
GEBURTSDATUM | 29. April 1893 |
GEBURTSORT | Wichenbach bei Wörth an der Donau |
STERBEDATUM | 26. April 1972 |
STERBEORT | Dorfen bei Erding |