Julian Nida-Rümelin
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Julian Nida-Rümelin (* 28. November 1954 in München) – durch seine kurze Amtszeit als Kulturstaatsminister ins Licht der Öffentlichkeit gerückt – darf zu den momentan bekanntesten Vertretern der akademischen Philosophie gezählt werden. Seine Spezialgebiete sind allgemeine und angewandte Ethik, Entscheidungs- und Rationalitätstheorien sowie Demokratietheorie.
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[Bearbeiten] Werdegang
1974 legte Nida-Rümelin sein Abitur am humanistischen Wilhelmsgymnasium in München ab. Im selben Jahr trat er der SPD bei. In den Jahren 1975–1980 schloss sich ein umfassendes Studium der Philosophie, Physik, Mathematik und Politikwissenschaften in München und Tübingen an. Seine Promotion in Philosophie folgte 1983 bei dem Münchner Wissenschaftstheoretiker Wolfgang Stegmüller. In seiner Fächerkombination aus Philosophie, Politikwissenschaft, Logik und Wissenschaftstheorie erreichte er die Auszeichnung „summa cum laude“. In der Zeit von 1984–1989 arbeitete Nida-Rümelin als wissenschaftlicher Assistent (Akademischer Rat z.A.) an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
An der Philosophischen Fakultät legte er 1989 seine Habilitation ab und trat zunächst Lehrstuhlvertretungen für die Professorenkollegen Nikolaus Lobkowicz (Politische Theorie & Philosophie; Geschwister-Scholl-Institut) und Wolfgang Stegmüller (Wissenschaftstheorie und Grundlagenforschung, LMU München) an. 1991 folgte er einem Ruf ins Ausland an die University of Minnesota in Minneapolis/USA. Das Zentrum für Ethik in den Wissenschaften der Eberhard-Karls-Universität Tübingen holte Nida-Rümelin in den Jahren 1992/1993 in das Leitungsgremium, bevor er 1993 schließlich auf einen Göttinger Lehrstuhl für Philosophie berufen wurde.
Während der Jahre 1994–1997 war er Präsident der Gesellschaft für Analytische Philosophie. Im Juli 1998 ging Julian Nida-Rümelin schließlich wieder zurück nach München, um dort bis Dezember 2000 als Kulturreferent der Stadt zu arbeiten.
2001 heiratete er die Schriftstellerin Nathalie Weidenfeld (* 1970), 2003 kam ihre gemeinsame Tochter zur Welt.
Im Januar 2001 ernannte ihn der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder zum Staatsminister für Kultur und Medien. Bis zum Ende der ersten Amtsperiode der rot-grünen Regierung im Oktober 2002 blieb er in diesem Amt.
Fast in der selben Zeit, von Januar 2001 bis Dezember 2002, war Nida-Rümelin als Honorarprofessor an der Georg-August-Universität Göttingen tätig, bevor er im Januar 2003 schließlich fest an den philosophischen Lehrstuhl der Universität Göttingen zurückkehrte. Seit dem Sommersemester 2002 nahm er außerdem eine Honorarprofessur an der Humboldt-Universität Berlin wahr. Im April des Jahres 2004 berief ihn die Ludwig-Maximilians-Universität München zum Leiter des Lehrstuhls für Politische Theorie und Philosophie an das Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft.
Im Februar und März 2005 nahm er die Einladung einer Gastprofessur des California Institute of Technology, Division of the Humanities and Social Sciences in den USA an. Im Jahre 2004 wurde Nida-Rümelin zudem mit der Plakette „Dem Förderer des deutschen Buches“ vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels geehrt.
Julian Nida-Rümelin engagiert sich für die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, die Europäische Akademie der Wissenschaften, für die Akademie für Ethik in der Medizin in Göttingen.
Außerdem unterrichtet er an der Hochschule für Politik München.
Darüber hinaus ist Nida-Rümelin Mitglied des Kuratoriums des Forum Tiberius - Internationales Forum für Kultur und Wirtschaft in Dresden.
Nida-Rümelin äußerte sich kritisch zum religiösen Fundamentalismus. Selbst betrachtet er sich als Humanist. Die Aufklärung müsse auch normativ eine ethische Orientierung bieten. Auch außerhalb religiöser Bindungen muss die Möglichkeit zum Haltgeben bestehen. Die Aufklärung habe hier in jüngster Zeit zu wenig geleistet und so zu einer Verstärkung von Religionssehnsucht beigetragen. Durch die US-Bewegung der Evangelikalen werde mit dem Kreationismus eine Pseudowissenschaft geschaffen, die echte Wissenschaft mehr und mehr bedrohe.
Nida-Rümelin zeigt auf, dass es historisch falsch sei, die Moral als durch Religion entstanden anzusehen. Im Zuge der Diskussion um den Ethikunterricht kritisierte Nida-Rümelin den alleinigen Anspruch von Religionsgruppen auf Moral. Vielmehr sei Moral auch und gerade auch bei Atheisten zu finden. Dies nicht zu erkennen, grenze atheistische Menschen und damit eine sehr große Bevölkerungsgruppe aus, indem es diesen die Möglichkeit zur Moral abspricht. Sehr ethisch orientierte Schriften, etwa von Seneca zeigten, dass feste Werte ohne die Berufung auf einen Gott möglich sei. Das normative Fundament, auch in der Politik, dürfe somit nie von einer Religion abhängen. Humanismus als Leitkultur bedeute jedoch nicht, dass der Einzelne nicht die Möglichkeit haben solle, eine Religion auszuüben. Die kulturelle Ordnung dürfe sich jedoch nicht von der Religion abhängig machen.
Öffentliche Aufmerksamkeit wurde Nida-Rümelin zuletzt im Dezember 2006 durch einen FAZ-Artikel zuteil, in dem behauptet wurde, er sei mit weiteren Prominenten einem Presse-Hoax der TEMPO-Sonderausgabe 2006 aufgesessen, die hundert Prominenten die Ehrendoktorwürde einer rechtslastigen Akademie angeboten hatte. Nida-Rümelin, seiner Darstellung der Ereignisse zur Folge, hatte nach einer anfänglichen Verwechslung der vermeintlichen „Deutschen Nationalakademie“ mit der Deutschen Nationalstiftung von Helmut Schmidt das Angebot unter Verweis auf einen möglichen rechtslastigen Hintergrund schon Mitte November, also lange vor Aufdeckung der Tempo-Aktion, abgelehnt, was von Tempo auch korrekt berichtet wurde. Tempo führt Nida-Rümelin in seinem Artikel nicht unter den vierzehn Zusagen auf. Die in der FAZ unterstellte Suche nach Bündnispartnern im rechtsnationalen Spektrum für seine humanistische Position in Bildungs- und Kulturfragen erscheint angesichts der von Nida-Rümelin vertretenen inhaltlichen Positionen - vgl. „Humanismus als Leitkultur“, München: C H Beck 2006 und „Demokratie und Wahrheit“, München: C H Beck 2006) - und angesichts seines politischen Engagements gegen Rechtsextremismus als abwegig. Das Landgericht Hamburg hat am 2. Januar 2007 eine entsprechende einstweilige Verfügung erlassen, die nicht nur die Behauptung betrifft, Nida-Rümelin hätte „bei Hitler unterschrieben“, sondern auch die Behauptung er suche solche Verbündete.
[Bearbeiten] Veröffentlichungen
- Erkenntnis. An International Journal of Analytic Philosophy
- Zeitschrift für Philosophische Praxis
- Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik
- UNIVERSITAS, Orientierung in der Wissenswelt (Mitglied des Beirats)
[Bearbeiten] Buchveröffentlichungen
[Bearbeiten] Monographien
- Kritik des Konsequentialismus (München: Oldenbourg 1993, Studienausgabe 1995)
- Logik kollektiver Entscheidungen (München/Wien: Oldenbourg 1994) (zus. mit L. Kern)
- Handbuch Angewandte Ethik (Hg. und Mitautor, Stuttgart: Kröner 1996)
- Economic Rationality and Practical Reason (Dordrecht: Kluwer 1997)
- Demokratie als Kooperation (Frankfurt am Main: Suhrkamp 1999)
- Rationalität in der praktischen Philosophie (zus. m. Th. Schmidt, Berlin: Akademie Verlag 2000)
- Strukturelle Rationalität. Ein philosophischer Essay über praktische Vernunft (Stuttgart: Reclam 2001)
- Ethische Essays (Frankfurt am Main: Suhrkamp 2002)
- Entscheidungstheorie und Ethik / Decision Theory and Ethics (München: Utz 2005)
- Humanismus als Leitkultur. Ein Perspektivenwechsel (München: C.H. Beck Verlag 2006)
- Über menschliche Freiheit (Stuttgart: Reclam 2005)
[Bearbeiten] Herausgeberschaften
- Lexikon der Philosophischen Werke (Stuttgart: Kröner 1988; russ. 1997, ital. 2000) Philosophie der Gegenwart (Stuttgart: Kröner 1991, 1999)
- Praktische Rationalität. Grundlagenprobleme und ethische Anwendungen des rational-choice-Paradigmas (Berlin/New York: de Gruyter 1994)
- Ökologische Ethik und Rechtstheorie (zus. mit D. v.d.Pfordten) (Baden-Baden: Nomos 1995, 2. Aufl. 2002)
- Ethische und Politische Freiheit (zus. mit Wilhelm Vossenkuhl) (Berlin: de Gruyter 1998)
- Ästhetik und Kunstphilosophie von der Antike bis zur Gegenwart (Hg. zus. m. Monika Betzler) (Stuttgart: Kröner 1998)
- Rationalität, Realismus, Revision. Vorträge des 3. internationalen Kongresses der Gesellschaft für Analytische Philosophie vom 15. bis zum 18. September 1997 in München (Berlin/New York: de Gruyter 2000)
- Rationality, Rules, and Structure (Hg. zus. m. Wolfgang Spohn) (Dordrecht: Kluwer 2000)
[Bearbeiten] Buchreihen
- Perspektiven der Analytischen Philosophie (Berlin/New York: de Gruyter bis 2000, seitdem Neue Folge bei mentis) (Herausgeber zus. mit Georg Meggle)
- Theory and Decision Library, Series A: Philosophy and Methodology of the Social Sciences (General Editor)
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Julian Nida-Rümelin im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Webpräsenz am GSI München
- Persönliche Webpräsenz
- Publikationsliste
- FR-Streitgespräch mit Wolf Singer vom April 2004
(offiziell: Staatsminister beim Bundeskanzler und Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien)
Michael Naumann | Julian Nida-Rümelin | Christina Weiss | Bernd Neumann
Personendaten | |
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NAME | Nida-Rümelin, Julian |
KURZBESCHREIBUNG | Deutscher Politikwissenschaftler, Philosoph und Politiker (SPD) |
GEBURTSDATUM | 28. November 1954 |
GEBURTSORT | München |