Liberale Vereinigung
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Die Liberale Vereinigung war eine kurzlebige linksliberale Abspaltung von der Nationalliberalen Partei und wird daher auch als Sezession bezeichnet. Sie entstand im Jahr 1880 und fusionierte bereits 1884 mit der deutschen Fortschrittspartei zur Deutschen Freisinnigen Partei.
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[Bearbeiten] Geschichte und Struktur
Die Gründe für die Abspaltung führender Parlamentarier und Anhänger der Nationalliberalen waren der Unmut über die zu enge Bindung der maßgebenden Politiker Rudolf von Bennigsen und Johannes Miquel an die Politik Otto von Bismarcks. Erste Differenzen innerhalb der Nationalliberalen waren bereits 1878 bei den Beratungen des Sozialistengesetzes deutlich geworden. Auch die Frage der Begrenzung der kulturkämpferischen Gesetzgebung oder die Bewilligung des Militäretats in Gestalt des Septennats war zwischen einem rechten und linken Flügel umstritten. Diese Bruchlinien führten wegen der Unterstützung der Parteiführung für die Schutzzollpolitik der Regierung zum Bruch und zur Gründung der "Liberalen Vereinigung".
Maßgeblich für die Gründung der Sezession war die Überzeugung , daß bei einer weitergehenden Unterstützung der konservativen Politik Bismarcks die 1878 bei der Nationalliberalen Partei eingesetzt hatte, grundlegende liberale Prinzipien verloren gingen. Die Sezession forderte daher die Rücknahme der Schutzzollbestimmungen und die Rückkehr zum Freihandel. Innenpolitisch strebte sie eine allmähliche Parlamentarisierung des konstitutionellen Systems an. Gegen die von den Nationalliberalen vollzogene innenpolitische Wende von 1878/79 bäumte sich die Sezession (gegen den „von Bismarck mit Hilfe der Junker, Pfaffen und Ultramontanen, kurz aller Reichsfeinde gewonnenen Sieg“) noch einmal, wenn auch vergeblich auf.[1]
Führender Kopf der neuen Partei war Eduard Lasker. Zu den Mitgliedern zählten unter anderem Ludwig Bamberger, Maximilian von Forckenbeck, Theodor Mommsen, Heinrich Rickert, Kurt Schrader, Friedrich Kapp, Theodor Barth, von Stauffenberg und Georg von Siemens.
Die Sezession war vor allem in den nord- und ostdeutschen Handelsstädten recht stark, sozial durchweg bürgerlich bis großbürgerlich. Während Großhändler und das beamtete Bildungsbürgertum eine wichtige Rolle in der Partei spielte, war die Bedeutung im Industriebürgertum, dass die Schutzzölle in weiten Teilen befürwortete, eher gering. Eine eigentliche Parteiorganisation bestand kaum. Es existierten auf lokaler Ebene lediglich einige kleinere Wahlkomitees oder Vertrauensmänner der Abgeordneten in den Wahlkreisen. Nur in einigen größeren Handelsstädten gab es regelrechte Vereine der Partei. Die Leitung lag bei der Reichstagsfraktion und einem geschäftsführenden Ausschuss. Als Honoratiorenpartei, war die liberale Vereinigung im Zeitalter des beginnenden Massenpolitisierung organisatorisch fast schon anachronistisch. Die Sezessionisten waren „Offiziere ohne Unteroffiziere und darum häufig ohne Mannschaft.“[2]
Die neue Partei schien anfangs durchaus erfolgreich, stellte sie doch nach der Reichstagswahl von 1881 46 Reichstagsabgeordnete, ebensoviele wie die Nationalliberalen.
Auf längere Sicht strebten die Sezessionisten eine neue liberale Sammlungspartei an und setzte darauf, das diese nach dem Tod Wilhelms I. und der Thronbesteigung des späteren Kaisers Friedrich III. die Rolle einer Quasiregierungspartei nach dem Vorbild Gladstones übernehmen könnte. Der Wunsch der Vereinigung aller Liberalen, hier allerdings darauf beschraenkt die Tür für die Rückkehr zu den Nationallieberalen nicht zu zu schlagen, kam bereits in dem Schreiben anlässlich des Austritts aus der Fraktion der Nationalliberalen zum Ausdruck. Sie verstanden sich als Mitglieder „der liberalen Partei“ und forderten „das einige Zusammengehen der liberalen Partei in den wesentlichen Fragen, das Aufhören verwirrender und aufreibender Kämpfe verschiedener liberaler Fraktionen.“[3] Gespräche über eine gesamtliberale Partei mit den Nationalliberalen scheiterten, als sich diese mit ihrer Heidelberger Erklärung unmißverständlich hinter Bismarck stellte. Stattdessen kam es im Januar 1884, unmittelbar nach dem Tod Laskers in New York zu Verhandlungen zwischen von Stauffenberg von der Sezession und Eugen Richter von der Deutschen Fortschrittspartei die im März zu einer Fraktionsgemeinschaft ( 100 Mandate) und kurz darauf, noch vor den Reichstagswahlen vom Oktober 1884 zur Fusion beider Parteien zur Deutschen Freisinnigen Partei fuehrte. Bei der Wahl büßte die neue Partei ein Drittel ihrer Mandate ein und zog mit nur noch 64 Abgeordneten in den Reichstag ein. Alle Beteiligten wußten hilflos, daß ohne Beteiligung der Nationalliberalen der Gesamtliberalismus kaum wiederzubeleben war. Bismarck war es gelungen die Nationalliberalen zu korrumpieren und damit die Liberale Opposition aufzusplittern.
[Bearbeiten] Anmerkungen
[Bearbeiten] Literatur
- Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd.3: Von der deutschen Doppelrevolution bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. München, 1995. ISBN 3-406-32263-8 S.872f.
- Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866-1918. Bd.II: Machtstaat vor der Demokratie. München, 1998. ISBN 3-406-44038-X S.327, S.412
- Hans-Peter Ullmann: Das deutsche Kaiserreich 1871-1918. Frankfurt, 1995. S.75
- Walter Tormin: Geschichte der deutschen Parteien. Stuttgart, 1967. S.89