Mehrfachehe (Mormonen)
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Mehrfachehe (englisch: „plural marriage“), manchmal auch als „himmlische Ehe“ oder „geistliche Beweibung“ [1] bezeichnet, ist eine Art der Polygamie, die von Joseph Smith, dem Gründer der Religionsgemeinschaft „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ (auch „Rocky-Mountain-Heilige“), und einigen seiner engsten Vertrauten gelebt wurde. Unter Brigham Young wurde sie zunehmend auch den einfachen Mitgliedern der Kirche nahegelegt. In der mormonischen Hauptkirche wurde sie 1890 de jure und in den beiden folgenden Jahrzehnten auch de facto abgeschafft. Sie besteht in einigen kleinen fundamentalistischen Mormonengruppierungen im Westen der USA, in Kanada und in Mexiko bis heute fort.
Sie schließt Polygynie und in seltenen Fällen auch Polyandrie ein. Die meisten mehrfachehelichen Beziehungen schließen auch sexuelle Kontakte zwischen dem Mann und jeder einzelnen Frau ein; daneben sind auch einige zölibatäre Beziehungen in Mehrfachehen überliefert. Gruppen-Sex wurde in den mormonischen Lehren über die Mehrfachehe nicht angesprochen.
Das häufigste Vorkommen der mormonischen Mehrfachehe findet sich unter Führungspersonen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, LDS, in der Mitte sowie im späten 19. Jahrhundert; damals führten zwischen vier und sechs Prozent der Mitglieder der LDS eine Mehrfachehe. Aufgrund des Drucks der US-Regierung verzichtete die Kirche 1890 auf diese Praxis. Gleichwohl lassen sich Mehrfachehen bis ins frühe 20. Jahrhundert beobachten, als die LDS Polygamisten zu exkommunizieren begann.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Ursprung
Joseph Smith erzählt, dass er während der Neuübersetzung der Bibel über den Passagen, in denen von den Mehrehen der Erzväter berichtet wurde, betete; dabei habe er eine göttliche Offenbarung über die Mehrfachehe erhalten habe. [2] Darin habe ihm Gott aufgetragen, mehrere Frauen zu heiraten.
In seinem Buch „Die heilige Abgeschiedenheit“ berichtet Smith:
- „Der Engel kam zwischen den Jahren ’34 bis ’42 drei Mal zu mir und sagte, dass ich diesen Grundsatz zu befolgen hätte oder er würde mich töten (aufbahren).“
Auch weitere Personen, darunter vor allem Benjamin F. Johnson und Joseph B. Noble, erklärten, ähnliche Erlebnisse gehabt zu haben. Ihre Erzählungen waren jedoch um eine Facette erweitert: der Engel habe ein Schwert in seinen Händen gehalten.
1842 verlegte Joseph Smith in seiner Eigenschaft als Betreiber der örtlichen Druckerei in Nauvoo (Illinois) den Traktat „The Peace Maker“ („Der Friedensstifter“) von Udney Hay Jacob [3]. Darin werden Bibelverse zusammengestellt, die die Polygynie begründen sollen. Die Schrift wurde nicht allgemein akzeptiert. Auch Smith sprach sich kurz danach in einem Zeitungsartikel gegen sie aus, doch glaubten viele, ihr eigentlicher Zweck sei es gewesen, in der LDS eine Diskussion zum Thema Mehrehe anzustoßen und den Grad einer möglichen Akzeptanz dieser Lehre zu testen.
[Bearbeiten] Die Praxis der Polygynie
Seit 1833 lebte Joseph Smith heimlich polygyn, obwohl die Mehrehe erst seit 1852, vier Jahre nachdem die Mormonen nach Utah gekommen waren und acht Jahre nach Smiths Tod, öffentlich lehrmäßig vertreten wurde.
Smith führte die Lehre von der Polygamie ein, indem er einige Personen auswählte, denen gegenüber er sie eröffnete. Er wies einzelne von ihnen, z.B. Brigham Young, an, sich mehrere Frauen zu nehmen. Ein paar Mormonen-Führer erhoben ihre Einwände und verließen schließlich die Kirche. Andere stimmten nach Gewissenskämpfen und – wie sie sagten – langen Gebeten ein. Gegenüber der allgemeinen Mitgliedschaft und der sonstigen Öffentlichkeit wurde während dieser Phase noch strenge Geheimhaltung gewahrt.
Berühmt wurde Brigham Youngs Ausspruch, dass er, nachdem ihm die Lehre eröffnet worden war, lieber mit jenem Leichnam getauscht hätte, der gerade in einem Leichenwagen die Straße hinunter gezogen wurde, als die neue Lehre anzunehmen.
Der erste Bürgermeister von Nauvoo (Illinois), John C. Bennett [4], ein ehemaliger LDS-Konvertit, wurde wegen ehebrecherischer „spiritual wifery“ („Geistlicher Beweibung“) aus der Kirche ausgeschlossen, da dies nicht im geringsten mit der Mehrfachehe vereinbar ist.
Volkszählungen in verschiedenen Landkreisen Utahs zeigten, dass die Verbreitung der Mehrfachehe im Jahr 1880 von Gemeinde zu Gemeinde stark variierte. So betrug ihr Anteil an den Ehen in South Weber 5 Prozent, in Orderville jedoch 67 Prozent. Untersuchungen über die Polygamie in Utah im 19. Jahrhundert legen nahe,
- dass die Polygamisten mehrheitlich mit zwei Frauen verheiratet waren,
- dass die Männer oftmals örtliche Führungspersönlichkeiten der LDS waren und
- dass die zweite Frau üblicherweise jünger war.
[Bearbeiten] Die Frauen von Joseph Smith
[5] Auch wenn sich die Forschung bis heute nicht einig ist, kann mit Compton vermutet werden, dass Smith während seines Lebens mit 33 Frauen verheiratet war; hinsichtlich acht weiterer Frauen besteht keine Klarheit. [6]
Nach der Lehre von der Mehrfachehe, sollte zuerst die Einwilligung der ersten Frau eingeholt werden. In einer Offenbarung wurde Smith gesagt, dass die Frau dann glauben und zu ihrem Mann stehen solle, oder sie werde vernichtet. So werde sie zur Missetäterin und er wird davon befreit, ihre Erlaubnis einzuholen. [7]
Emma Hale Smith, Smiths erste Frau [8], opponierte öffentlich gegen diese Praxis, so dass Joseph Smith einige Frauen ohne ihre vorherige Einwilligung geheiratet haben wird.
Einige von Smiths Frauen waren jünger als er, die jüngste, Helen Mar Kimball, war 14 Jahre alt. Auch wenn das nicht zum Bild der Kultur des Westens passt und in den meisten US-Staaten untersagt war (und ist), wurden die Mädchen in jenen Jahren doch oft in diesem Alter verheiratet. Keine Erkenntnisse gibt es zu der Frage, ob Joseph Smith mit Helen Mar Sexualkontakte hatte. Berichte von der Hochzeit lassen vermuten, dass es unter anderem darum ging, durch die Versiegelung der beiden eine engere Verbindung zwischen den beiden Familien herzustellen.
Anfangs vermutete man, dass eine solche Eheschließung im Hinblick auf die Ewigkeit geschehen würde. Da Helen Mar nach eigenen Angaben jedoch darüber verwundert war, dass ihre Familie ihr es nicht gestattete, zu einer Jugendtanzveranstaltung zu gehen, erscheint es unwahrscheinlich zu sein, dass es sexuelle Kontakte zwischen ihr und Joseph gab; andernfalls wäre ihre Verwunderung kaum zu verstehen. Heber C. Kimball, Helen Mars Vater, war ein treues Glied seiner Kirche und ein enger Freund von Smith, der später 39 Frauen ehelichte; Stan Kimball führt in seiner Biographie Heber C. Kimballs sogar 43 Frauen auf.
Der Anthropologe Richard Francis Burton, der 1860 Salt Lake City besuchte, vermutete, dass die Frauen in einer Mehrfachehe offen für diese Praxis waren, da so auf jeder einzelnen Frau weniger Lasten gelegen hätten – sexuelle wie auch andere.
[Bearbeiten] Polyandrie, Sexualkontakte und Kinderzeugung
Etwa elf Frauen von Smith waren zugleich mit anderen Männern verheiratet, üblicherweise mit gut situierten Mormonen. Diese Frauen setzten in der Regel ihr Leben mit ihrem ersten Mann fort, nicht mit Smith. Einzelne Berichte besagen, dass Joseph mit einigen von ihnen sexuelle Kontakte hatte. Eine Frau erklärte später, dass Smith mit einer oder zwei dieser Frauen auch Kinder gezeugt habe. [9]
[Bearbeiten] Polygame Gruppen
Über die Frage, wer die Kirche führen solle, gab es nach Smiths Tod in der LDS-Führung Unstimmigkeiten. Schließlich bildeten sich mehrere Gruppen. Nur zwei von ihnen praktizierten die Mehrfachehe. Ungebrochen setzte sich die Tradition in der von Brigham Young geführten Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bis 1890 fort. Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Strangiten) [10], an deren Spitze James J. Strang [11] stand, folgte gleichfalls dieser Lehre, nachdem sich John C. Bennett [12], der ehemalige erste Bürgermeister von Nauvoo (Illinois), der Gruppierung angeschlossen und Strang darüber informiert hatte, dass Smith die Mehrfachehe praktiziert habe. Strang nahm sich schließlich fünf Ehefrauen. Als er 1856 ermordet wurde, endete die Praxis der Polygamie in dieser Mormonen-Denomination.
[Bearbeiten] Das Ende der Mehrfachehe
Nachdem sich die LDS-Anhänger in Utah ansiedelten, begannen sie, sich auch überregional am politischen Leben zu beteiligen. In den USA wurde Polygamie strikt abgelehnt. Am 8. Juli 1862 unterzeichnete Präsident Abraham Lincoln das Morrill-Anti-Bigamie-Gesetz [13], das jedwede polygame Praxis in den USA untersagte. Lincoln ließ die Mormonen wissen, dass er die Durchsetzung nicht zu erzwingen beabsichtige, sofern sie ihn nicht in seiner politischen Arbeit behindern würden; damit war die Erzwingung der Monogamie zunächst aufgeschoben.
Nach dem Bürgerkrieg siedelten zunehmend Menschen in Utah, die nicht der LDS angehörten, und für öffentliche Ämter kandidierten. Der enge Zusammenhalt der Mormonen entmutigte viele. Mit der Gründung der Liberalen Partei [14] versuchten sie, ihre politischen Einflussmöglichkeiten zu verbessern. Ihre Ziele waren ein allgemeiner politischer Wandel sowie eine spürbare Reduzierung der Vorrechte der LDS.
Im September 1871 wurde der Präsident von Utah, Brigham Young, angesichts seiner Polygamie wegen Ehebruchs angezeigt. Am 6. Januar 1879 entschied der Oberste Gerichtshof der USA in einem Verfahren [15], dass der Morrill-Act durchzusetzen sei. LDS-Mitglieder und Kirchenführung nahmen die Entscheidung nicht positiv auf und versuchten, die Umsetzung zu verhindern.
Im Februar 1882 wurde George Q. Cannon [16], einem prominenten LDS-Führungsmitglied, wegen seiner Mehrfachehe der Sitz im Repräsentantenhaus aberkannt. Dies belebte die Diskussion um die Polygamie wieder. Einen Monat später wurde der Edmunds-Act [17] im Kongress verabschiedet. Damit wurde Polygamisten das Recht auf aktive oder passive Wahlbeteiligung aberkannt, und eine Verurteilung wurde ohne ein ordentliches Gerichtsverfahren möglich. Personen verloren sogar dann ihre Rechte, wenn sie zwar nicht polygam lebten aber einer die Polygamie bejahenden Konfession angehörten. Rudge Clawson wurde im August 1882 inhaftiert, weil er mehrere gleichzeitige Ehen vor dem 1862er Morrill-Act geschlossen hatte. Die Haftstrafenandrohungen im Gesetz verstießen gegen das verfassungsrechtlich verankerte Verbot von Gesetzen, die einen Tatbestand nachträglich unter Strafe stellen. [18]
Der Edmunds-Tucker-Act aus dem Jahr 1887 stellte die Kontrolle der LDS sicher und verlängerte die Strafandrohungen des Edmund-Acts von 1882. Im Juli 1887 leitete der US-Bundesgeneralanwalt ein Verfahren ein, um die Kirche und all ihre Gliederungen kontrollieren zu können.
Dadurch verlor die LDS-Kirche offensichtlich die Kontrolle über die Gebietsregierung. Einfache wie leitende LDS-Mitglieder wurden polizeilich gesucht. Da die Führung der Kirche nicht imstande war, dagegen öffentlich zu agieren, begab sie sich in den Untergrund. LDS-Präsident Wilford Woodruff und das Kollegium der Zwölf Apostel veröffentlichten am 24. September 1890 ein Manifest, die „Amtliche Erklärung 1“, nach dem die Mitglieder fortan keine Mehrfachehen mehr eingehen sollten. Obwohl sie auch weiterhin als richtige Lehre dargestellt wurde, billigte die LDS-Führung nicht länger die Polygamie. Damit erst erhielten die LDS-Mitglieder bestimmte Rechte, und eine Umwandlung Utahs vom Bundesterritorium in einen Bundesstaat im Jahr 1896 wurde möglich.
Die Folgen dieser Entwicklung wurden dadurch verschärft, dass führende Mormonen vermehrt polygame Ehe siegelten. Nach der Deutung einiger bedeutender LDS-Mitglieder erlaubte die Erklärung Nr. 1 die Mehrfachehe überall außer in den USA. Andere meinten, dass dadurch die Polygamie lediglich aus dem öffentlichen Blickfeld in den Untergrund verdrängt würde. Dies führte dazu, dass Brigham Henry Roberts [19] seinen errungenen Sitz im US-Repräsentantenhaus wegen seiner Doppelehe [20] nicht antreten konnte. Eine spätere Folge waren die „Smoot Anhörungen“ im US-Senat [21], bei denen der Mormonen-Apostel und Kandidat für den Posten eines US-Senators Reed Smooth [22] wegen angeblicher Polygamie vernommen wurde. Während der Anhörungen erließ LDS-Präsident Joseph F. Smith im Jahr 1904 die Amtliche Erklärung Nr. 2, nach der jeder, der eine Polygamie einging oder die Trauung einer solchen vornahm, aus der Kirche ausgeschlossen werden würde. Die beiden Apostel John Whittaker Taylor [23] und Matthias Foss Cowley [24] lehnten die Erklärung ab und verließen daraufhin das Kollegium der Zwölf Apostel; Taylor wurde schließlich wegen Verstoßes gegen das zweite Mainfest exkommuniziert.
Seit der Amtlichen Erklärung Nr. 2 gestattete die Kirche keine Polygamien mehr. Jene, die beim Versuch mehrere Ehen gleichzeitig einzugehen, erwischt wurden, wurden ohne Anhörungsverfahren aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Die letzte Person, die mit Erlaubnis der LDS eine Mehrfachehe eingegangen war, starb 1974.
Heutzutage lehrt die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage über die Mehrfachehe, dass Gott sie in der besondern Situation des Neuaufbaus der Kirche eine Zeitlang angeordnet habe, dass sie aber seit dem Ende dieser Situation wieder verboten sei und mit Exkommunikation bestraft werde. Eine im Tempel geschlossene Ehe gilt für alle Zeit und Ewigkeit, wobei Männer eine unbegrenzte Anzahl Ehen eingehen können und Frauen nur einmal im Leben im Tempel heiraten dürfen. In diesem Sinne gibt es noch immer eine religiöse Polygamie im Mormonismus.
[Bearbeiten] Fundamentalistische Anfänge
Einige Mormonen erachteten die Verkündigung der Polygynie-Preisgabe nicht als göttlich inspiriert, und praktizierten daher die Mehrfachehe weiter. Sie wurden entweder exkommuniziert oder verließen die Kirche von sich aus. Im Laufe der Zeit bildeten die meisten von ihnen eigene kleine, isolierte und abgeschlossene Gemeinschaften in den Rocky Mountains. Sie lebten „die Hauptgrundsätze“ trotz der heftigen Ablehnung durch Regierung und LDS-Führung weiter und lehrten weiterhin, dass die polygame Praxis Voraussetzung für den Eintritt in den höchsten Himmel, den „dritten Grad des Himmlischen Königreiches“,[25] sei. Gemeinhin werden solche Personen als „Mormonische Fundamentalisten“ bezeichnet. Ihren Glauben praktizieren sie individuell, in Familienverbünden oder als organisierte Denomination.
Da Außenstehende die LDS häufig mit den mormonischen Sondergemeinschaften verwechseln oder gleichsetzen, distanziert sich die Kirche der Heiligen der Letzten Tage energisch von der Mehrfachehe und betont, dass sie alle Polygamisten ausschließe. Die LDS drängt Journalisten, die unterschiedlichen polygamistischen Gruppen nicht als „Mormonen“ oder „Mormonische Fundamentalisten“ zu bezeichnen. Die Medien haben dies im Allgemeinen nicht übernommen, da auch die gegenwärtigen Polygamisten für sich die Bezeichnung als Mormonen beanspruchen, da sie nach ihrer Überzeugung nur sich selbst als rechte Bewahrer der LDS-Traditionen sehen.
[Bearbeiten] Kritik
Gefolgsleute berichteten, dass Smith, Young und andere prominente Mormonenführer angesichts der rigiden Moral der Viktorianischen Zeit einer Diskussion über die Praxis der Mehrfachehe widerstrebten. Bald brachten Kritiker vor, dass am Anfang der Ehebruch von Smith mit Fanny Alger, einer jungen Bediensteten im smithschen Haushalt, gestanden habe. Erst später seien biblische Argumente für eine Mehrfachehe vorgebracht worden, um diese Sittenlosigkeit zu legitimieren.
Einige von jenen, die erwarten, dass sich die LDS-Kirche offiziell durch einen lehramtlichen Verzicht von der Lehre der Mehrfachehe distanziert, halten die LDS-Politik für unredlich: die Mehrfachehe sei bis heute eine grundlegende Lehre der Mormonen – auch wenn sie derzeit nicht ausgeübt oder gelehrt wird. Zudem können bei Tod, Zivilscheidung oder Ausschluss aus der Kirche die Männer im LDS-Tempel mit mehr als einer Frau zugleich „versiegelt“ werden, während die lebende Frau nicht mit mehr als einem Mann verbunden werden kann; streng gläubige Mormonen glauben, dass solche „Versiegelungen“ ewig seien und auch das irdische Leben sowie Zivilehen überdauerten.
Einige LDS-Kritiker meinen, dass es der Kirche nicht zustehe, den mormonischen Lehrsatz den Gläubigen, da die am Wortlaut des Buches Mormon festhalten und die Mehrfachehe praktizieren, vorzuenthalten.
[Bearbeiten] Der Zusammenhang zwischen gegenwärtiger Praxis und Tempelsiegelungen von Mehrfachehen
Dieser Artikel oder Abschnitt ist nicht oder unzureichend durch Quellenangaben (Literatur, Webseiten usw.) belegt worden, wodurch den fraglichen Inhalten eine Löschung droht. Bitte hilf der Wikipedia, indem du gute Belege für die Informationen nennst. |
[Bearbeiten] Durch Scheidung beendete Ehen
Ein Mann, der mit einer Frau vermählt ist, aber später geschieden wird, muss bei der Ersten Präsidentschaft [26] um eine „Versiegelungsausnehmung“ („sealing clearance“) nachsuchen, bevor der erneut vermählt werden kann. Dies hebt die erste Versiegelung nicht auf. In der gleichen Lage würde eine Frau bei der Ersten Präsidentschaft um eine „Aufhebung der Versiegelung“, die zuweilen fälschlicherweise als „Tempelscheidung“ bezeichnet wird, bitten, bevor sie erneut heiraten kann.
Hinsichtlich der Frau entwertet diese Praxis den ursprünglichen Sinn der Versiegelung. Stimmen geschiedene Frauen einer Aufhebung der Versiegelung nicht zu, gelten sie weiterhin als mit ihrem ursprünglichen Gatten vermählt. Zuweilen wurden Versiegelungen von zivilrechtlich geschiedenen Frauen aufgehoben, obwohl sie keine neue Ehe einzugehen beabsichtigten; damit galten sie als ledig, und im Blick auf das ewige Leben werden sie wie Frauen, die nie geheiratet haben, eingeschätzt.
[Bearbeiten] Durch den Tod gelöste gesiegelte Ehen
Endet eine versiegelte Ehe durch den Tod eines der Gatten, so sind die Erfordernisse unterschiedlich. Ein Witwer muss vor einer erneuten Vermählung im Tempel nicht um die Erlaubnis dazu bitten, sofern nicht dessen neue Frau eine Aufhebung ihrer früheren Versiegelung benötigt. Eine Witwe hingegen bleibt mit ihrem verstorbenen Gatten versiegelt und muss demgemäß vor einer erneuten Vermählung um Aufhebung der früheren nachsuchen. In einigen Fällen schlossen Frauen, die wieder heiraten wollten, die Ehe mit ihrem späteren Gatten im Tempel „lediglich auf Zeit“, wurden mit ihm aber nicht versiegelt, da die Versiegelung mit ihrem ersten Ehemann für die Ewigkeit galt.
Damit befinden sich verstorbene Männer, die nach dem Tod ihrer ersten Frau erneut vermählt wurden, im Stand der Mehrfachehe. Hinterlässt ein Mann zwei oder mehr Frauen, denen er im Leben treu gewesen war, bestehen seine früheren Beziehungen weiter. Bei der gegenwärtigen Praxis ist es für eine Frau aber unmöglich, bei ihrem Tod mit zwei oder mehr Männern versiegelt zu sein.
[Bearbeiten] Vollmachtsiegelungen, bei denen beide Gatten starben
Gemäß der Mormonen-Praxis kann ein Mann nach seinem Tod per Vollmacht mit allen Frauen versiegelt werden, mit denen er nach dem Gesetz verheiratet war. Für Frauen gilt nur dann das Gleiche, wenn zuvor alle ihre Männer, mit denen sie zu Lebzeiten vermählt war, verstorben sind. [27]
Die Lehre der LDS ist hinsichtlich der bevollmächtigte Siegelung von Männern und Frauen mit mehreren Ehepartnern nicht vollständig geregelt. Es existieren zumindest zwei Möglichkeiten:
- Ungeachtet der Anzahl der Personen, mit denen ein Mann oder eine Frau versiegelt sind, sind sie im Jenseits nur mit einer Person verbunden. Die übrigen früheren Gatten, die sich die vollumfängliche Erhöhung, die aus der Versiegelung kommt, verdient hatten, würden dann einer anderen Person anvertraut, um sicherzustellen, dass jeder eine ewige Ehe führt.
- Diese Siegelungen schaffen de facto Mehrfachehen, die nach dem Tod fortdauern. Gleichwohl lehrt die LDS nicht, dass polyandrische Beziehungen im Jenseits fortbestehen können. Daher wird diese Möglichkeit den Frauen, die durch Vollmacht mit mehreren Männern gesiegelt wurden, nicht offen stehen.
[Bearbeiten] Auswirkungen
Die Frage, die sich jenen stellt, die mit mehreren Ehepartnern vermählt waren, ist nicht nur an polygame Mormonen zu richten. Sie kann auch nicht als Argument für oder gegen die Mehrfache und die diesbezügliche LDS-Politik benutzt werden. Jede Religion, die an die Fortdauer der Ehe nach dem Tod glaubt, muss sich zur Frage des Familienstandes im Jenseits äußern, unabhängig davon, ob sie eine Form der Mehrfachehe unterstützt oder nicht. Man muss wahrnehmen, dass die LDS die Freiwilligkeit der Ehe im Jenseits lehrt; daher darf niemand durch eine Tempelsiegelung in eine ewige Beziehung gezwungen werden.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Deutsche Artikel
[Bearbeiten] Englischsprachige Artikel
- Big Love (Home Box Office-Serie über eine unabhängige polygyne fundamentalistische Mormonenfamilie)
- Dialogue: A Journal of Mormon Thought
- Ervil LeBaron
- Joseph Smith, Jr. and polygamy
- Polygamous Mormon fundamentalist
[Bearbeiten] Literatur
- Todd Compton: In Sacred Loneliness. The Plural Wives of Joseph Smith; Signature Books 1997; ISBN 1-56085-085-X; Prolog und Kapitel 2 unter In Sacred Loneliness: The Plural Wives of Joseph Smith
- Phillip L. Kilbride, Plural Marriage for our Times. A reinvented Option?, Bergin & Garvey, London 1994, ISBN 0-89789-315-8. Kilbride geht auf Polygamie bei Sekten der Mormonen in den USA, polygame Tendenzen in der afroamerikanischen Gesellschaft, der Situation der Polygamie in Westafrika, und ihrer ethische Bewertung in der amerikanischen Gesellschaft ein, und unter welchen modernen Umständen eine Legalisierung der Polygamie einen Vorteil für Frauen darstellen könnte.
[Bearbeiten] Weblinks
- Die Frauen des Joseph Smith
- John Tyler
- Das Buch des Propheten Wilford Woodruff
- Todd Compton: Die vier Perioden der mormonischen Polygamyie'
- William Shunn: Die Geschichte der mormonischen Polygamie
- Quinn, D. Michael: Plural Marriage and Mormon Fundamentalism; in: Dialogue: A Journal of Mormon Thought, Sommer 1998; S. 1-68
- Truemormonism: CelestialMarriage
- Brooke Adams / Todd Adams: Polygamy leadership tree: Religious ideal grows, branches out; pdf-Datei
[Bearbeiten] Fußnoten
- ↑ Siehe dagegen aber die Diskussion in der englischsprachigen Wikipedia
- ↑ J.Smith: The Doctrine and the Covenants, Covenant 132
- ↑ Artikel in der englischen Wikipedia zu „Peace Maker“
- ↑ Artikel der englischen Wikipedia über Bennett
- ↑ Siehe dazu auch den Hauptartikel in der englischen Wikipedia: Joseph Smith, Jr. and Polygamy
- ↑ Todd Compton: A Trajectory of Plurality. An Overview of Joseph Smith's Wives; in: In Sacred Loneliness. The Plural Wives of Joseph Smith, S.1ff (Prologue)
- ↑ Lehre und Bündnisse 132:64-65
- ↑ Artikel in der englischsprachigen Wikipedia über Emma Hale Smith
- ↑ Belegstelle fehlt noch
- ↑ Artikel in der englischsprachigen Wikipedia über die Strangiten
- ↑ Artikel über James J. Strang in der englischsprachigen Wikipedia
- ↑ Artikel der englischen Wikipedia über Bennett
- ↑ Artikel in der englischsprachigen Wikipedia über Justin Smith Morrill, Repräsentant und Senator von Vermont
- ↑ Artikel in der englischsprachigen Wikipedia über die Liberal Party in Utah
- ↑ Artikel in der englischsprachigen Wikipedia über das Verfahren Reynolds gegen die Vereinigten Staaten
- ↑ Artikel in der englischsprachigen Wikipedia über George Quayle Cannon
- ↑ Artikel in der englischsprachigen Wikipedia über US-Senator George F. Edmunds
- ↑ Englischsprachige Wikipedia: „ex post facto law“
- ↑ Artikel in der englischsprachigen Wikipedia über Brigham Henry Roberts
- ↑ Roberts hatte 1878 Sarah Louisa Smith und 1884 Celia Dibble geheiratet; 1894 folgte die Vermählung mit Margaret Ship
- ↑ Artikel in der englischsprachigen Wikipedia über die „Smoot Hearings“
- ↑ Artikel in der englischsprachigen Wikipedia über Reed Smoot
- ↑ Artikel in der englischsprachigen Wikipedia zu John Whittaker Taylor
- ↑ Artikel in der englischsprachigen Wikipedia zu Matthias F. Cowley
- ↑ vgl. den Artikel in der englischsprachigen Wikipedia über das Celestial Kingdom
- ↑ vgl. den Absatz „Organisation“ im LDS-Artikel und den Artikel „First Presidency“ in der englischsprachigen Wikipedia
- ↑ Church Handbook of Instructions, S. 72, Sealing Policies: Sealing of a Husband and Wife