Merce Cunningham
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Merce Cunningham (* 16. April 1919 in Centralia, Washington) ist ein US-amerikanischer Tänzer und Choreograf. Zu Beginn seiner Karriere wurde er von vielen als sehr talentierter Tänzer angesehen, der aber sein Talent mit gewagten Tanz-Experimenten vergeude. Vier Jahrzehnte später ist seine Stellung als einer der führenden Köpfe des modernen Tanztheaters unbestritten.
[Bearbeiten] Leben
Cunninghams Vater sowie seine beiden Brüder sind Juristen. Das Interesse für Tanz entwickelte sich eher zufällig und wurde von seinen Eltern weder speziell gefördert noch unterbunden. Als 13-jähriger lernte er Steptanz bei Mrs. Maud Barrett, die in seiner Heimatstadt eine Tanzschule eröffnet hatte. Mit ihr und deren Tochter Marjorie tingelte Cunningham durch Kalifornien, wo sie teilweise auch als Zwischenprogramm bei Stummfilmen auftraten.
Ab Ende der 1930er Jahre Tanz studierte er in Seattle. Cunninghams Lehrer dort, Bonnie Bird, hatte John Cage als Musiker für die Tanzabteilung engagiert. Cage führte die Tanz-Studenten in unorthodoxe Ideen über die Beziehung von Tanz und Musik ein. 1942 zog Cunningham nach New York und übernahm zahlreiche Hauptrollen bei der New Yorker Martha Graham Dance Company. Im gleichen Jahr begann er damit, eigene Choreografien mit Musik von John Cage zu entwerfen. Im Laufe der Zeit wurde der Tanz und die Musik der beiden immer unabhängiger voneinander, und in den frühen 1950er Jahren war schließlich die einzige Bindung zwischen Tanz und Musik die Gleichzeitigkeit ihrer Darbietung. Die Bühnenbilder für Cunningham entwarf oft der Maler Robert Rauschenberg.
Cunningham folgte in der Choreografie den Methoden von Cage, die dieser für seine Kompositionen verwendete. Jede Bewegung kann jeder anderen folgen, und jede Bewegung ist erlaubt. In der Anordnung setzten Cunningham wie Cage Zufallsprozesse ein. Beide wünschten sich, die Natur in ihrer Wirkungsweise zu imitieren. Der Gebrauch des Zufalls befreite Cunningham von den Einschränkungen der Gewohnheit und Intuition und eröffnete Bewegungsmöglichkeiten, die er anders nicht gefunden hätte.
1953/54 entstand die Merce-Cunningham-Company, für die John Cage und David Tudor die Musik schrieben. Zehn Jahre später ging die Merce-Cunningham-Company auf eine sechsmonatige Welttournee; viele Gastspiele mussten wegen des großen Erfolges verlängert werden. In Amerika selbst, wo die Truppe zunächst nur wenige Auftritte hatte, führte die weltweite positive Resonanz zu einem verstärkten Interesse. Die Cunningham-Company geht seither regelmäßig auf Tournee durch die USA.
Bei seinen Auftritten beschränkte sich Cunningham nicht nur auf traditionelle Musentempel, sondern führte seine Choreografien auch in Museen, Stadien und auf öffentlichen Plätzen auf, z. B. auf dem Markusplatz in Venedig oder in der Grand Central Station in New York. Auch mit Film und Kamera experimentierte Cunningham und schuf speziell auf die filmtechnischen Möglichkeiten abgestimmte Choreografien.
Cunninghams Werke finden sich heutzutage im Repertoire von Ballett- und Tanztheater-Companien in der ganzen Welt.
2005 erhielt er die renommierte Auszeichnung Praemium Imperiale, den „Nobelpreis der Künste“.
[Bearbeiten] Werk
Rune (UA: 14. August 1959) dauert 25 Minuten und ist ein Tanz für sechs Tänzer (vier Frauen und zwei Männer). Die Musik stammt von Christian Wolff und kann mit zwei Klavieren oder auch mit Orchester gespielt werden. Rune besteht aus fünf Teilen zu je ca. 5 Minuten. Cunningham plante hier eine Reihe choreographischer Blöcke, die er beliebig aneinander reihen und variieren konnte. In jedem Block von ca. 5 Minuten sollte sowohl Stille/Stillstand als auch Aktion stattfinden. Die Blöcke sollten unverbunden nebeneinander stehen. Da der erforderliche Probenaufwand jedoch nicht aufgebracht werden konnte, wurde das Stück in seiner ursprünglichen Konzeption nie verwirklicht. Es ist das einzige Werk, welches Cunningham – auf ca. 40 beschriebenen Seiten, während einer Flugreise von Amerika nach Europa – akribisch genau notiert hatte. Eine Rekonstruktion des Werkes nach seinen eigenen Aufzeichnungen zu Beginn der 1980er Jahre gestaltete sich dennoch als äußerst mühsam und schwierig.
Winterbranche (UA: 21. März 1964) ist ein Tanz über das Fallen. Hier hat Cunningham im Vorfeld vieles mit Steve Paxton ausprobiert. Zusätzlich kam die Idee hinzu, die Tänzer nicht in einer Art Entrée tanzend auf ihren Platz auf der Bühne zu führen, sondern dass sie einfach auf ihren Platz gehen, dort tanzen und wieder abtreten sollten. Das Bühnenbild (Bob Rauschenberg) sollte laut Cunninghams Vorstellung schwarz gestaltet sein.
RainForest (UA: 9. März 1968) wird von Cunningham als Charaktertanz bezeichnet. Gleich zu Beginn steht ein langsames Duo, zu dem dann noch ein weiterer Tänzer hinzukommt. Obwohl nur drei Tänzer agieren, scheint dieses Stück von sechs Tänzern getanzt zu werden, von denen jeweils nur drei gleichzeitig sichtbar sind. Die Inspiration für das Bühnenbild bekam Cunningham von einer Ausstellung, in der Andy Warhol Sitzkissen platziert hatte. Cunningham verwendete mit Warhols Einverständnis diese Kissen, die mit Helium gefüllt wurden und teilweise mit einer Schnur am Boden fixiert waren, teilweise in unterschiedlichen Höhen auf der Bühne schwebten. Eine Idee von Warhol, die Tänzer nackt auftreten zu lassen, wurde von Cunningham nicht realisiert. Cunningham wollte dennoch so etwas wie "zerrissene Haut" zeigen, was dann von Jasper Johns mit geschlitzen Trikots umgesetzt wurde.
Walkaround Time (UA: 10. März 1968) dauert 49 Minuten und war von Beginn an für acht Tänzer konzipiert. Es besteht aus zwei Teilen und einem Entre’acte, welcher ursprünglich aus Relâche (nie aufgeführt) stammt und hier eingefügt wurde. Die teilweise wechselnde Musik stammt von David Behrmann. Die Choreographie wurde von Charles Atlas auch verfilmt.
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Merce Cunningham im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Bücher und Video-ShopTanztheater
Personendaten | |
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NAME | Cunningham, Merce |
KURZBESCHREIBUNG | US-amerikanischer Tänzer und Choreograf |
GEBURTSDATUM | 16. April 1919 |
GEBURTSORT | Centralia, Washington |