Postdemokratie
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Postdemokratie bezeichnet ein politisches System, in dem es nicht auf die Beteiligung der Bürger, sondern nur auf Ergebnisse, die dem Allgemeinwohl dienen, ankommt.
Dabei wird im Gegensatz zur Pluralismustheorie angenommen, dass das Allgemeinwohl objektiv bestimmbar sei und Interessenkonflikte nicht in demokratischen Verfahren ausgetragen, sondern durch Verwaltungsvorgänge aufgehoben werden sollten.
Die gewählten Repräsentanten verlagern dabei ihre Kompetenzen (und damit die Verantwortung) auf Experten, Kommissionen und Wirtschaftsunternehmen. Der Bürger wird dabei nicht als der Souverän betrachtet, in dessen Auftrag entschieden werden muss, sondern der befähigt werden muss, den vorgegebenen Anforderungen des Allgemeinwohls, meist verstanden als die Bedingungen des globalen Marktes, gerecht zu werden.
Eine Tendenz zu Postdemokratie ergibt sich aus der Bildung internationaler Zusammenschlüsse, innerhalb derer es noch keine gemeinsame öffentliche Diskussion und keine abgesicherten Strukturen zur Bildung eines Konsensus aufgrund demokratischen Austrags von Interessenkonflikten gibt. Ein Beispiel dafür stellt die Europäische Union dar, deren Demokratiedefizit allerdings nicht als Idealzustand propagiert wird. Vielmehr gibt es politische Vorschläge, dieses Defizit tendenziell abzubauen.
Der britische Politikwissenschaftler Colin Crouch, ein Wortführer der Postdemokratiedebatte, sieht in den westlichen demokratischen Staaten Elemente einer Tendenz zur Postdemokratie. In seinem Werk "Post-Democracy" (Oxford 2004) führt er aus, dass sich die Politik zunehmend auf Lobbygruppen und Expertengremien, auf Marketing und auf die massenmediale Präsenz von politischen Führern verlasse, statt auf demokratische Mechanismen der politischen Willensbildung des Volkes, der in Abstimmungen und Wahlen zu ihrem Recht verholfen werden kann. Begleitet werde diese Tendenz des demokratischen Niedergangs vom Rückgang der Wahlbeteiligung, dem Ansehensverlust der Politiker und dem Verfall des Gemeinwesens.
[Bearbeiten] Literatur
- Crouch, Colin: Post-Democracy, Oxford 2004
- Guéhenno, Jean-Marie: Das Ende der Demokratie, München 1994
- Ranciere, Jacques: "Demokratie und Postdemokratie" in: Badiou et al., Politik der Wahrheit, 1997, S. 94-122, ISBN 3-85132-118-9.
- Jörke, Dirk Warum Postdemokratie? In: Forschungsjournal Neue soziale Bewegungen 19, Heft 4. 2006
- Jörke, Dirk Auf den Weg in die Postdemokratie In: Leviathan 33, Heft 4. 2005
- Žižek, Slavoj: Die Tücke des Subjekts, 2001