Potenzielle natürliche Vegetation
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Die potentielle natürliche Vegetation (pnV; auch potentiell-natürliche Vegetation oder heutige potentielle Vegetation, hpnV) ist die Pflanzengesellschaft deren Ansprüche an ihren Lebensraum mit den angetroffenen Standortfaktoren eines Gebietes die größtmögliche Übereinstimmung aufweisen
Der Begriff geht von der sofortigen Einstellung eines Klimaxstadiums einer Sukzessionsreihe aus, und blendet den Zeitfaktor aus.
Es ist ein gedankliches Hilfskonstrukt, das dazu dienen soll,
- die Naturnähe einer tatsächlich vorhandenen Vegetation eines Gebietes zu bewerten,
- bei der Planung von Naturschutzmaßnahmen und im Forst eine möglichst naturnahe Pflanzenauswahl zusammenzustellen, die im Idealfall ohne Pflege am Standort überlebt und sich weiter entwickeln kann,
- bei der Gestaltung von Gärten und Grünanlagen eine möglichst naturnahe Pflanzenauswahl zusammenzustellen, die die ökologischen Funktionen der Fläche verbessert.
Im Gegensatz zur ursprünglichen Vegetation ist die heutige potenzielle natürliche Vegetation ein gedanklich konstruierter Zustand der bei den gegenwärtigen Standortsbedingungen entstehenden höchstentwickelten Vegetation (Endstadium), wie sie sich bei Ausschaltung menschlicher Einflüsse einstellen würde (innerhalb eines Regenerationszyklus). Menschliche Einflüsse werden nur insoweit mit einbezogen, wie sie in der Vergangenheit zu irreversiblen Veränderungen des Standortes geführt haben. Daher müssen in der Vergangenheit eingetretene irreversible Veränderungen des Geotops als gegebene Ausgangsvorausetzungen akzeptiert werden. Die HPNV unterscheidet sich von der ursprünglichen oder ehemaligen natürlichen Vegetation insbesondere dort, wo die Geotope starken anthropogenen Veränderungen unterliegen.
Auf den meisten Standorten ergibt sich als HPNV eine Waldgesellschaft. Ausnahmen bilden zum Beispiel Hochgebirge (Wiesenlandschaft), Gewässer und andere Standorte mit besonderen ökologischen Ansprüchen. Auf Basis einer Standortskartierung wird auf die HPNV geschlossen, welche sich auf dem zu untersuchenden Standort ergibt. Wichtige Anhaltspunkte dafür sind Weiserarten und deren Verbreitung, das aktuelle Vorkommen natürlicher Waldgesellschaften, sowie ökologische Eigenschaften, floristische und pflanzensoziologische Merkmale.
In der Landschaftsplanung dient sie als vegetationskundliche/floristisch-pflanzengeografische Planungsgrundlage für den Bewertungsmaßstab (in Bezug auf Naturnähe), aus dem Entwicklungsziele, sowie Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen abgeleitet werden können. Besondere Bedeutung hat sie als Grundlage für Umweltkontrollen, für die Bestimmung des Natürlichkeitsgrades und der Hemorobie (Grad des menschl. Einflusses) eines Areales, sowie als Leitbild für den Naturschutz und ökologischen Waldbau und für eine ökologisch begründete Landnutzungs- und Landschaftsplanung. Trotz heutiger Untersuchungsmethoden und Technik sind zur Konstruktion und Darstellung der potentiell-natürlichen Vegetation umfangreiche individuelle Erfahrungen notwendig (es gibt keine eindeutige Kartierungsvorschrift). Probleme bei der Erstellung treten insbesondere dann auf, wenn starke anthropogene Einflüsse vorherrschen: auf landwirtschaftlichen Nutzflächen und in Siedlungsgebieten ist die HPNV daher kaum einsetzbar, da der Boden als alleiniges Bewertungskriterium dient und eine Weiterentwicklung in eine Waldgesellschaft wirtschaftlich nicht anstrebenswert ist. Das Modell der vollständigen Ausblendung anthropogener Einflüsse führt zudem zu einer gewissen Realitätsferne. Zudem können Fehleinschätzungen auftreten weil die Sukzession und Artenvielfalt des Bearbeitungsraumes unbeachtet bleibt. Ein dynamisches, sich ständig im Wandel befindliches System muss vereinfacht auf einen starren Zustand reduziert werden. Dieser Zustand schließt Einzelstadien der Vegetationsentwicklung aus. Es kann so bei ungünstigen Bedingungen ein falsches oder verzerrtes Bild erzeugt werden, was in der Ausführung zu Fehlschlüssen führt (Beispiel: auf einem Acker können keine Buchen aufgeforstet werden, auch wenn die HPNV dies ergibt. Buchenwald entsteht erst durch Sukzession über Pioniervegetation und Eichenwälder). Ein weiteres Problem stellt die faunistische Komponente (Tierwelt) dar. Die Betrachtung wird hier zu komplex und dynamisch, um sie in allen ihren Ausmaßen zu erfassen.
Es bedarf kritischer Prüfungen bei der Auswertung der Karteninhalte und der gleichen Erfahrung wie sie zur Erstellung der HPNV nötig ist. So ist es teilweise sinnvoll für unterschiedliche Planungen auch neue situationsbedingte HPNV-Karten zu konstruieren. Insbesondere durch die unterschiedlichen Maßstäbe sind nicht auf jede Planung die Karten gleichwertig anwendbar, da zu allgemeine Aussagen über Pflanzengesellschaften kaum von Nutzen sein können. Eine komplette Erfassung der HPNV Deutschlands in großmaßstäbigen Karten (M 1:10.000) ist aber kaum möglich und durch den zeitlichen Verfall auch nicht sinnvoll.