Reaktivität
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Der Begriff Reaktivität wird allgemein als Maß zur Beschreibung von Reaktionen verwendet, und zwar in unterschiedlicher Bedeutung in der Soziologie, in der Chemie und in der Physik (Kerntechnik).
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[Bearbeiten] Soziologie
Bei den Methoden der empirischen Sozialforschung werden reaktive Verfahren (haben Reaktivität) und nichtreaktive Verfahren (haben keine Reaktivität) unterschieden. Reaktive Verfahren sind Methoden, bei denen der Erhebungsleiter teilnimmt. Nichtreaktive (verdeckte) Verfahren sind Methoden, bei denen der Erhebungsleiter nicht teilnimmt.
Mit Reaktivität (engl.: Reactivity) kann auch der Hawthorne-Effekt gemeint sein: wenn Personen wissen, dass sie an einer Untersuchung teilnehmen, verhalten sie sich sich möglicherweise anders als ohne dieses Wissen. Um dem entgegenzuwirken, also die Reaktivität so weit wie möglich zu reduzieren, wurden nicht-reaktive Forschungsmethoden entwickelt. Vor allem die qualitative Forschung versucht als Lösung, die Reaktivität reflexiv in ihre Untersuchungen mit einzubeziehen.
[Bearbeiten] Chemie
In der Chemie ist Reaktivität die Fähigkeit eines Stoffes, eine chemische Reaktion einzugehen. Sie ist weder eine thermodynamische noch eine kinetische Größe, sondern eine qualitative Bezeichnung für die Stabilität oder Reaktionsfreudigkeit einer Substanz.
Beispiele:
1. Legt man elementares Kalium an normale Luft, reagiert es z.T. unter Entzündung mit der Luftfeuchtigkeit. Das Kalium hat eine hohe Reaktivität, ist reaktionsfreudig.
2. Legt man es unter Argon oder Petrolether, erfolgt keine merkliche Reaktion. Unter Argon hat Kalium eine geringe Reaktivität.
Möchte man die Reaktivität über physikalische Größen beschreiben, hängt sie thermodynamisch von der freien Enthalpie oder Gibbs-Energie ab. Diese gibt vereinfacht ausgedrückt an, wie viel Energie einem Stoff zur Freisetzung zur Verfügung steht. Dies ist eine Eigenschaft des Stoffes.
Die der Reaktivität entsprechende kinetische Größe bei einer Reaktion heißt Aktivierungsenergie. Dies ist grob gesagt die Energie, die aufgebracht werden muss, um eine Reaktion "in Gang zu bringen" und bestimmt damit die Reaktionsgeschwindigkeit. Also beantwortet sie die Frage: "In welcher Zeit wird die Energie bei dieser Reaktion abgegeben?".
[Bearbeiten] Physik
Die Reaktivität ist in der Kerntechnik ein Maß für die Abweichung des Multiplikationsfaktors k vom Wert k = 1. Sie beschreibt damit ebenso wie der Multiplikationsfaktor die Kritikalität und damit die Stabilität der Kernspaltungs-Kettenreaktion.
Die Reaktivität ρ ist definiert als:
und wird meist in Prozent oder auch in Dollar (s. Kritikalität) angegeben. Definitionsgemäß gelten folgende Beziehungen zwischen Reaktivität und Multiplikationsfaktor:
- ρ = 0 entspricht k = 1, der Reaktor ist kritisch.
- ρ < 0 entspricht k < 1, der Reaktor ist unterkritisch.
- ρ > 0 entspricht k > 1, der Reaktor ist überkritisch.
Gegenüber dem Multiplikationsfaktor hat die Reaktivität den Vorteil, näherungsweise additiv zu sein. Werden beispielsweise zwei Absorberstäbe mit Reaktivitätswerten von je 5 Cent in den Reaktorkern eingefahren, verringert sich die Gesamtreaktivität um 10 Cent.
Die Explosion des RBMK1000-Reaktors von Tschernobyl im Jahre 1986 beruhte auf einer Reaktivitätsexkursion in den prompt überkritischen Zustand (s. Kritikalität), bei der die Reaktornennleistung Sekundenbruchteile vor der Explosion um mehr als das hundertfache überschritten wurde.