Theia (Planet)
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Theia ist der (inoffizielle) Name eines hypothetischen Protoplaneten, der laut der Kollisionstheorie der Mondentstehung vor etwa 4,5 Milliarden Jahren mit der Protoerde kollidiert ist. Theia selbst wurde bei dieser Kollision zerstört; die beim Impakt entstandenen Bruchstücke haben sich in einem Orbit um die Erde gesammelt. Im weiteren Verlauf hat sich daraus der Mond gebildet. Nach dieser Theorie war Theia etwa so groß wie der Mars und hat sich im Lagrangepunkt L4 des Erde-Sonne-Systems entwickelt, bevor er mit der Erde kollidierte (Belbruno & Gott III (2005)).
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[Bearbeiten] Name
Der Name Theia für den hypothetischen Planeten wurde erstmals in einer Arbeit aus dem Jahr 2000 (A. N. Halliday) verwendet und stammt aus der griechischen Mythologie. Theia war eine Titanin, die die Mondgöttin Selene gebar. Der hypothetische Planet wird manchmal auch Orpheus genannt.
[Bearbeiten] Entstehung
Aus einem Vergleich der Isotope im Erd- und Mondgestein konnte abgeleitet werden, dass der größte Teil des Materials, aus dem sich der Mond bildete, dem Mantel der Protoerde entstammt. Das Material Theias verursachte offensichtlich keine Veränderung der Isotopenzusammensetzung der Protoerde. Dieser Umstand verweist auf mehrere Möglichkeiten des Entstehungsorts dieses Protoplaneten:
- Theia entstand im gleichen Abstand von der Sonne wie die Protoerde. Wegen der großen Sonnennähe setzte sich der Protoplanet zum größten Teil aus Silikaten zusammen.
- Theia bestand nur zu einem geringen Teil aus Silikaten, so dass die Menge nicht ausreichte, um das Isotopenverhältnis der Protoerde signifikant zu verändern. Da die Masse Theias hinreichend groß gewesen sein muss, damit größere Mengen Silikatgestein aus dem Mantel der Protoerde herausgeschlagen werden konnten, muss der Hauptanteil aus einem anderen Material bestanden haben. Ein Vergleich mit den bestehenden Planeten und großen Monden im Sonnensystem ergibt, dass dafür lediglich Wassereis in Frage kommt. Da Wassereis aber erst jenseits des Planetoidenrings zu größeren Körpern kondensieren kann, würde daraus folgen, dass Theia aus dem äußeren Sonnensystems stammt.
- Die Isotopenverhältnisse von Theia und Protoerde stimmten zufällig überein, da im Sonnensystem kein gleichmäßiger Verteilungsgradient existiert. Dann lässt sich der mögliche Entstehungsort nicht rekonstruieren.
Die Theorie, nach der Theia im Lagrangepunkt L4 des Erde-Sonne-Systems entstanden ist, spricht für die erste Möglichkeit. Problematisch ist jedoch, wie Theia die für die Folgen der Kollision nötige Aufprallgeschwindigkeit entwickeln konnte. Bei gleichen orbitalen Parametern würde eine langsame Annäherung beider Körper die Folge sein. Der kleinere Körper müsste dann nach Überschreiten der Roche-Grenze in viele kleinere Brocken zerbrechen, die nach und nach auf den größeren Körper auftreffen. Da Theia jedoch mit seiner ganzen Masse kollidierte, muss die Annäherung sehr rasch und (möglicherweise) in retrograder Umlaufrichtung zur Protoerde erfolgt sein. Neuere Simulationen (Belbruno & Gott III (2005)), die die chaotischen Effekte der Bewegung in der Nähe von Lagrangepunkten miteinbeziehen, zeigen allerdings, das ein Körper, der sich in L4 bildet, die nötige Geschwindigkeit erreichen kann.
Für die zweite Möglichkeit spricht, dass größere Wassereis-/Silikatkörper auch heute noch im Sonnensystem auffindbar sind, die zugleich eine hinreichend große Masse besitzen, um bei entgegengesetzter Umlaufrichtung ähnlich große Kräfte freizusetzen, wie es bei Theia der Fall war. Diese Körper, die Jupitermonde Ganymed und Kallisto, und der Saturnmond Titan weichen in ihrer Masse deutlich von der in den Simulationen veranschlagten Masse ab. Modellrechnungen zu den Folgen einer Kollision der Protoerde mit einem titanähnlichen Körper existieren bis jetzt noch nicht.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
- Sauerstoffisotope im frühen Sonnensystem
- Die Geburt des Mondes (Mineralogisches Institut der Universität München und Max-Planck Institut für Chemie)
- Entstehung des Mondes (mit Animationen)
- Diskussion der verschiedenen Theorien zur Mondentstehung
[Bearbeiten] Literatur
- Carsten Münker et al: Evolution of planetary cores and the Earth - Moon system from Nb/Ta systematics. In: Science 301/2003, S. 84-87, ISSN 1095-9203
- Ulrich Wiechert et al: Oxygen Isotopes and the Moon-Forming Giant Impact. In: Science 294/2001, S. 345-348, ISSN 1095-9203
- A.N. Halliday: Terrestrial accretion rates and the origin of the Moon. In: Earth and Planetary Science Letters 176/2000, S. 17-30, ISSN 0012-821X
- E. Belbruno und R. Gott III: Where did the moon come from? In: The Astronomical Journal 129/2005, S. 1724-1745, ISSN 0004-6256
- K. Pahlevan und D.J. Stevenson: The Oxygen Isotope Similarity of the Earth and Moon: Source Region or Formation Process?" In: Proceedings of the 36th Annual Lunar and Planetary Science Conference, March 14-18, 2005, in League City, Texas Nr. 2382/2005
- Robin M. Canup, Southwest Research Institut ("Icarus", Bd. 168, Seiten 433 -456)