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Zugbeeinflussung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Zugbeeinflussung oder auch Zugbeeinflussungssystem nennt man technische Anlagen und Systeme bei Eisenbahnen, die die Fahrt von Zügen in Abhängigkeit von der zulässigen Geschwindigkeit kontrollieren. Ist die Fahrt nicht zugelassen oder fährt ein Zug zu schnell, so wird er durch eine Zugbeeinflussung selbsttätig gebremst.

Zur Sicherung von Zugfahrten wurden bereits im 19.Jh. verschiedene technische Systeme und betriebliche Vorschriften entwickelt. Weit verbreitet sind Signale, die Fahrten für einen bestimmten Streckenabschnitt zulassen (Fahrtstellung) oder untersagen (Haltstellung), wobei das gleichzeitige Zulassen feindlicher Fahrten häufig durch technische Abhängigkeiten weitgehend ausgeschlossen wird. Signale wirken jedoch nicht unmittelbar auf den Zug. Der Lokführer muss sie wahrnehmen und bei Annäherung an ein Halt zeigendes oder die Geschwindigkeit begrenzendes Signal den Zug entsprechend bremsen. Übersieht aber ein Lokführer ein Signal oder missachtet es absichtlich, kann es zu erheblichen Gefährdungen und schweren Unfällen kommen. Um dieser Gefahr zu begegnen, wurden Systeme entwickelt, die direkt in den Fahrbetrieb eingreifen, indem sie erforderlichenfalls eine Zwangsbremsung auslösen. Damit lässt sich teilweise auch die Geschwindigkeit der Züge überwachen.

In Deutschland dürfen Strecken ohne Zugbeeinflussung mit maximal 100 km/h befahren werden, jedoch wurden die meisten Strecken mit Personenverkehr auch bei niedrigeren Geschwindigkeiten damit ausgerüstet.

Zugbeeinflussungssysteme lassen sich unterteilen nach ihrer Wirkung in:

  1. punktuell wirkende,
  2. teilkontinuierlich wirkende und
  3. kontinuierlich wirkende Systeme.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Zugbeeinflussung mit punktueller Wirkung

[Bearbeiten] Fahrsperre

Eine Fahrsperre ist ein Zugbeeinflussungssystem, das einen Zug bremst, der ein Halt zeigendes Signal überfährt. Die einfachste Form arbeitet mit mechanischen Streckenanschlägen am Halt zeigenden Signal, die bei Vorbeifahrt einen Hebel am Fahrzeug berühren und dadurch eine Zwangsbremsung auslösen (mechanische Fahrsperre). Ist das Signal in Fahrtstellung, sind die Streckenanschläge weggeklappt und der Zug kann ungehindert fahren. Diese erste Form der Zugbeeinflussung wurde vor allem bei S-Bahnen und U-Bahnen eingesetzt. Problematisch ist, dass ein Zug immer erst dann gebremst wird, wenn er schon ein Halt zeigendes Signal überfahren hat. Will man Zusammenstöße sicher ausschließen, muss daher hinter dem Signal ein voller Bremsweg aus der Höchstgeschwindigkeit des Zuges freigehalten werden, der sogenannte Durchrutschweg. In der Praxis behilft man sich oft, indem man zum Beispiel bereits am vorhergehenden Signal die Höchstgeschwindigkeit beschränkt. Man geht dabei davon aus, dass ein Lokführer nicht sowohl die Geschwindigkeitsbeschränkung als auch das folgende Halt zeigende Signal übersieht. Vereinzelt werden auch heute noch Zugbeeinflussungssysteme mit reiner Fahrsperrenfunktion verwendet. Aber auch fast alle anderen Zugbeeinflussungssysteme lösen bei einem Zug, der ein Halt zeigendes Signal überfährt, eine Zwangsbremsung aus.

[Bearbeiten] Systeme mit mehreren Wirkpunkten

Da Züge lange Bremswege haben, werden die Hauptsignale bei höheren Geschwindigkeiten durch Vorsignale im Abstand von 400 m bis 1300 m vorangekündigt. Dabei muss der Lokführer am Signalbild des Vorsignals erkennen, ob er bremsen muss, oder die Fahrt ungehindert fortsetzen kann. Daher ist das Vorsignal auch ein entscheidender Punkt für Zugbeeinflussungssysteme. Bei Vorbeifahrt am Vorsignal in Warnstellung (="Halt erwarten") soll der Zug aber nicht zwangsgebremst werden. Erhält der Zug eine Beeinflussung am Vorsignal, so muss der Lokführer mit einer Taste bestätigen, dass er das Vorsignal wahrgenommen hat. Wird die Taste nicht innerhalb einiger Sekunden nach der Beeinflussung bedient, wird der Zug zwangsgebremst.

Nach dem Vorsignal kann es weitere Wirkpunkte (in festgelegter Entfernung) geben, an denen eine Zwangsbremsung erfolgt, wenn der Zug eine bestimmte Geschwindigkeit überschreitet. Weiterhin gibt es häufig die Fahrsperre am Hauptsignal.

Zu den Zugbeeinflussungssystemen mit mehreren Wirkpunkten gehören z.B.

  • Integra-Signum (Schweiz: induktive Übertragung)
  • Das Krokodil (Belgien, Frankreich, Luxemburg: elektrische Übertragung)
  • die erste Version der Indusi (Deutschland: induktive Übertragung)

Weitere Systeme mit mechanischer, optischer oder akustischer Übertragung haben sich nicht durchsetzen können.

[Bearbeiten] Teilkontinuierlich wirkende Zugbeeinflussungssysteme

Die teilkontinuierlich wirkenden Systeme haben sich aus Systemen mit mehreren Wirkpunkten entwickelt. Dabei wurde neben der Überwachung an bestimmten Punkten eine weitere Überwachung des Bremsvorgangs nach den Wirkpunkten durch ein Fahrzeuginternes Gerät implementiert. Bei frühen Versionen der deutschen Indusi musste nach Ablauf einer bestimmten Zeit nach der Vorsignalbeeinflussung eine Prüfgeschwindigkeit unterschritten worden sein.

Bei späteren, rechnergesteuerten Formen wie auch bei der aktuellen Punktförmigen Zugbeeinflussung (PZB) kann die Einhaltung einer Bremskurve überwacht werden, die an die Bremseigenschaften des Zuges angepasst gewählt wird. Durch diese Überwachung lässt sich die Geschwindigkeit, mit der ein Zug maximal ein Halt zeigendes Signal erreichen kann, sehr weit begrenzen, womit der nötige Durchrutschweg kürzer ausfällt.

Allerdings muss es auch möglich sein, dass der Zug wieder beschleunigt, wenn das Signal zwischenzeitlich auf Fahrt umgestellt hat. Dafür kann eine spezielle Taste zum "freischalten" aus der Überwachung vorgesehen werden. Wenn sich andererseits Lokführer gewohnheitsmäßig freischalten, um später wieder beschleunigen zu können, erfüllt das System seine Funktion nicht mehr. Bei der deutschen PZB ist daher ein Freischalten nur vor dem letzten Beeinflussungspunkt vor dem Signal möglich, wobei eine danach erfolgte Beeinflussung (also bei falschem Freischalten) sofort zur Zwangsbremsung führt.

Zu den teilkontinuierlicher wirkenden Systemen gehören

  • PZB (Deutschland: induktive Übertragung)
  • ZUB 121 (Schweiz, Spanien, Dänemark: induktive Übertragung)
PZB-Schwingkreis ("Gleismagnet")
PZB-Schwingkreis ("Gleismagnet")

[Bearbeiten] Kontinuierlich wirkende Zugbeeinflussungssysteme

[Bearbeiten] Punktuelle Übertragung: ETCS Level 1

Zur Vereinheitlichung der Zugbeeinflussungssysteme in Europa wurde das European Train Control System entwickelt, das in mehreren Stufen aufgebaut werden kann. Bei ETCS Level 1 bleiben vorhandene Stellwerkstechnik und Signale erhalten. Zur Zugbeeinflussung wurde die induktive Übertragung gewählt, wobei über sogenannte Eurobalisen größere Datentelegramme an die Züge übertragen werden. Dadurch ist es möglich, neben einem folgenden Signalbegriff auch die aktuelle Höchstgeschwindigkeit, einen Geschwindigkeitswechsel und dessen Entfernung sowie die Entfernung des nächsten Datenpunktes mit zu übertragen. Zugfahrten lassen sich dadurch kontinuierlich überwachen, auch wenn nur eine punktuelle Datenübertragung stattfindet.

[Bearbeiten] Systeme mit linienförmiger Übertragung

Für hohe Geschwindigkeiten entstand das Problem, dass der klassische Abstand von einem Kilometer zwischen dem Vorsignal und dem Hauptsignal nicht mehr für den Bremsweg genügte. Mit einem größeren Vorsignalabstand hätte man dem begegnen können, aber auch die Zeit zur Wahrnehmung eines Signals (Sichtzeit) für den Lokführer wird bei hohen Geschwindigkeiten gering. Mit dem Hochgeschwindigkeitsverkehr wurden daher Systeme entwickelt, welche Fahraufträge kontinuierlich, also unabhängig von der Position des Zuges zum diesem übertragen und gleichzeitig seine Fahrt- und Bremsvorgänge kontinuierlich überwachen. Durch die permanente Übertragung und Überwachung des Zuges kann dem Triebfahrzeugführer die gültige Höchstgeschwindigkeit und andere relevante Daten im Führerstand angezeigt werden, wodurch ortsfeste Signale entbehrlich werden. Mit solchen Systemen ist auch eine weitgehend automatische Fahr- und Bremssteuerung möglich, wobei der Triebfahrzeugführer die Vorgänge nur noch überwacht.

[Bearbeiten] Kodierte Gleisstromkreise

In den Pilotländern des Hochgeschwindigkeitsverkehrs, Japan und Frankreich benutzte man zur Übertragung die ohnehin zur Gleisfreimeldung vorhandenen Gleisstromkreise. Diese werden mit einer bestimmten Frequenz betrieben, die eine induktive Übertragung von Informationen zum Fahrzeug ermöglicht. Unterschiedliche Frequenzen ermöglichen die Übertragung mehrerer Geschwindigkeitsstufen. Übertragen wird die jeweils niedrigere zulässige Geschwindigkeit aus dem befahrenen und dem folgenden Abschnitt. Die Fahrzeugsteuerung überwacht den Bremsvorgang und das anschließende Einhalten der Geschwindigkeit. Ein Geschwindigkeitswechsel von Höchstgeschwindigkeit auf 0 erfolgt dabei über mehrere Abschnitte, wobei die Geschwindigkeitsstufen so gewählt wurden, dass sich ungefähr identische Bremswege zur nächstniedrigeren Stufe ergeben (=Länge eines Gleisstromkreises=Länge eines Blockabschnitts).

Das System ist technische einfach und benötigt außer den Gleisstromkreisen keine zusätzlichen Leiter am Gleiskörper. Da keine Standortinformation vom Zug an die Strecke übertragen wird, muss die Länge der Gleisstromkreise (=Blockabschnitte) je nach Steigungsverhältnissen der Länge des Bremsweges angepasst werden und kann nicht nach betrieblichen Gesichtspunkten der Zugfolge optimiert werden. Ebenso wird wie bei einer Fahrsperre die Information "Halt" erst beim Befahren des Abschnittes erkannt, der nicht befahren werden darf. Aus diesem Grund wird auch hier immer ein Blockabschnitt als Durchrutschweg erforderlich.

Voraussetzung für eine sichere Informationsübertragung ist, dass ein geführtes Fahrzeug die Informationen vor der ersten Achse aufnehmen kann. Deshalb müssen alle Gleisstromkreise so eingebaut sein, dass die Seite, an der das Gleisrelais bzw. die Auswerteeinrichtung angeschlossen ist, zuerst befahren wird. In beiden Richtungen signalmäßig zu befahrende Gleisstromkreise müssen also symmetrisch aufgebaut und umschaltbar sein. Umschaltbare Gleisstromkreise in Weichen sind besonders aufwändig.

[Bearbeiten] LZB Deutschland

Hauptartikel: Linienzugbeeinflussung

In Deutschland wählte man eine induktive Übertragung mittels Linienleiter. In der Mitte des Gleises wird ein Sendekabel verlegt, am Fuß einer Schiene liegt der elektrische Rückleiter. Alle 100m wechseln die Kabel durch Vertauschen. Der Linienleiter überträgt mehrmals pro Sekunde über eine unter dem Fahrzeug aufgehängte Antenne Informationen (Maximale Geschwindigkeit, Entfernung zur nächsten Geschwindigkeitsänderung, Geschwindigkeit dort) zur Zugbeeinflussungseinrichtung im Zug. Auf dem umgekehrten Weg werden Daten (Standort, Geschwindigkeit) vom Fahrzeug über den Linienleiter zum Stellwerk übertragen und dort ausgewertet. Das Fahrzeug bestimmt seinen Standort aus dem eigenen Odometer, die Kreuzungsstellen des Linienleiters werden dabei erkannt und dienen zur Kalibrierung. Da der Standort und der aktuelle Zielpunkt des Fahrzeuges ermittelt werden, kann eine Bremsung genau dann eingeleitet werden, wenn sich der Zug im Bremswegabstand vor dem nächsten Zielpunkt befindet. Ist bis dahin ein weiterer Streckenabschnitt freigegeben, braucht auch keine Bremsung zu erfolgen. In Deutschland wird die LBZ seit 2001 mit dem Betriebsleitsystem CIR-ELKE auf den Neubaustecken Köln-Rhein/Main, Nürnberg-Ingolstadt und der S-Bahn München erweitert. Neben der bis zu 40%igen höheren Zugdichte können jetzt auch Geschwindigkeiten über 280 km/h zugelassen werden.

[Bearbeiten] ETCS Level 2/3

Im Rahmen von ETCS wurde auch eine Linienförmige Zugbeeinflussung entwickelt, die einen einheitlichen Standard im europäischen Hochgeschwindigkeitsnetz zur Verfügung stellen soll. Im Gegensatz zu bisherigen linienförmigen Zugbeeinflussungssystemen wird bei ETCS Level 2 auf eine Übertragung mittels Linienleiter oder Gleisstromkreisen verzichtet, die Informationsübertragung zwischen Fahrzeug und Strecke erfolgt über den europäischen Mobilfunkstandard GSM-R (GSM-Rail). Zur Kalibrierung der Standortinformation der Züge sind lediglich passive Eurobalisen (siehe ETCS Level 1) erforderlich. Zwischen Berlin und Leipzig soll demnächst auf einer ersten Strecke in Deutschland ETCS Level 2 (parallel zur deutschen LZB) getestet werden. In der Schweiz werden der neue Gotthard- und der Lötschbergtunnel mit ETCS Level 2 ausgerüstet.

ETCS Level 3 soll ohne feste Gleisfreimeldeabschnitte funktionieren und damit erstmals das Fahren im wandernden Raumabstand bei der Eisenbahn ermöglichen. Auf Grund des ungelösten Problems der Zugintegritätsprüfung ist die Einführung von ETCS Level 3 jedoch nicht absehbar.

[Bearbeiten] Zugbeeinflussungssysteme in Europa

  • ATB (Niederlande)
  • ATC (Schweden)
  • AWS (Großbritannien)
  • Crocodile/Memor (Belgien, Frankreich, Luxemburg)
  • EVM 120 (Ungarn)
  • Indusi, PZB (Deutschland, Österreich)
  • Integra-Signum (Schweiz)
  • KVB (Frankreich)
  • LS90 (Tschechien)
  • LZB, CIR-ELKE II (Deutschland)
  • Mirel (Osteuropa)
  • SHP (Polen)
  • RS4 Codici, SCMT (Italien)
  • TBL (Belgien)
  • TVM (Frankreich)
  • TWPS (Großbritannien)
  • ZUB 121 (Schweiz, Spanien, Dänemark)
  • ETCS (europäisches Zugsicherungssystem)

[Bearbeiten] Weblinks

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