Acta Pilati
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Die lat. Acta Pilati („Pilatusakten“) seit dem Mittelalter oft auch als Nikodemusevangelium bezeichnet, sind eine apokryphe christliche Schrift. Wie das Petrusevangelium wird sie zu den Passionsevangelien gerechnet, die sich vorwiegend mit Jesu Tod und Auferstehung befassen.
Einer der ersten Kirchenväter des 2. Jahrhunderts, Justin der Märtyrer, verweist in seiner 1. Apologie zweimal (c. 35 und 48) auf Akten des Prozesses Jesus vor dem römischen Statthalter der Provinz Judäa Pontius Pilatus, was heute als Pilatusakten (oder Nikodemus-Evangelium) bezeichnet wird:
"... Dass er das wirklich getan hat, könnt ihr aus den unter Pontius Pilatus angefertigten Akten ersehen" (Justin "erste Apologie" 48,3). Anhand des vorherigen Kontextes bei Justin (Bezug auf nachweislich nicht existierende Tabellen des Zensus unter Quirinus (Registrierung Josefs und Marias in der offiziellen Archive der Volkszählung um die Geburt Jesus (Justin "erste Apologie" 34,2) wird vermutet, er hatte lediglich angenommen, diese "müsste es gegeben haben".
Den Namen „Nikodemusevangelium“ verdankt die Schrift einer Notiz im Prolog des Leibgardisten Ananias in einem Offiziersrang, welcher angibt: Original soll von Nikodemus, welcher bei der Kreuzigung dabei war, abgefasst sein. Dieser gibt auch an, diese frei und „ungefähr“ aus hebräischer Sprache ins Griechische übersetzt zu haben.
Pilatusakten sollte man nicht mit einer anderen Pilatusschrift verwechseln: einem angeblichen Schreiben des Pilatus an Kaiser Tiberius, in welchem dieser über Wunder von Jesus als ein gläubiger Christ berichtet. Dieses Schreiben war von dem Tertullian in seinem „Apologeticums“ im 5. und 21. Kapitel zitiert, welches gut 50 Jahre nach Julianus verfasst wurde. Eusebius von Caesarea beschreibt im 2. Kapitel des 2. Buches seiner Kirchengeschichte diesen gefälschten Pilatusbrief im Anschluss an Tertullian ausführlich.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Inhalt
Die „Acta Pilati“ bestehen aus zwei ursprünglich selbstständigen Teilen, die erst nachträglich unter diesem Titel zusammengeführt wurden; der erste Teil (Pilatusakten) hat 16, der zweite (Höllenfahrt Christi) Descensus ad inferos 11 Kapitel.
Inhaltlich sind in den Akten Anschuldigungen gegen Jesus anders als in kanonischen Evangelien mehr oder weniger genauer bezeichnet. Es handelt sich dabei um seine uneheliche Geburt; Heilen am Sabbat, Heilen mit Hilfe von Dämonen, Ankündigung der Zerstörung des Tempels von Jerusalem, indirekte Schuld an Tötung von Kindern von Bethlehem, nachdem Joseph mit Maria und Jesus nach Ägypten geflohen waren. Anders als in den kanonischen Evangelien sind in den Pilatusakten Zeugen für Jesus und auch seine Sympatisanten in der umstehenden Volksmenge erwähnt. Zu Fürsprechern von Jesus gehört auch Ehefrau von Pilatus Claudia Procula, welche in den Akten allerdings nicht namentlich erwähnt wird.
Eine Passage in den Akten ist ein indirekter Hinweis einer historischen Ungenauigkeit:
Als Jesus vor Pilatus gebracht wurde, verbeugten sich die kaiserlichen Bilder auf den Standarten und huldigten ihm. Es gehört jedoch zu gesicherten Tatsachen, dass die Abbilder, welche die römischen Standarten krönten, aus Rücksicht auf Juden und aufgrund des Status von Jerusalem als einer heiligen Stadt ausserhalb der Stadtmauern blieben, wenn die Verbände, denen sie gehörten, in die Stadt einzogen. Dieser Zustand änderte sich erst im Jahr 70. Der Autor von Pilatusakten scheint dies nicht gewusst zu haben.
Nach Josephus Flavius in „Bellum“ II 169-174 und „Antiquitates XVIII 55-59 kam Pilatus in Schwierigkeiten, als er darauf bestand, sie durch die Mauern der Stadt ins Innere der Stadt zu bringen. Auf heftiges Andrängen der Juden musste er in Folge darauf verzichten. Dieser Erzählung von Josephus Flavius folgt sein Testimonium Flavianum (in „Antiquitates XVIII 63f), so dass beide Ereignisse einen deutlich erkennbaren zeitlichen Zusammenhang aufweisen.
Hier erhalten zwei Verbrecher, die mit Jesus gekreuzigt wurden, ihre traditionellen Namen Dysmas (welchem von Jesus Paradies versprochen wurde) und Gestas (9,4). Auch wird der Soldat, welcher Jesus mit dem Speer in die Seite stach, namentlich als Longinus genannt (16,7).
[Bearbeiten] Teil 1: Pilatusakten
Die „Pilatusakten“ enthalten Ausschmückungen um den Prozess, die Grablegung und die Auferstehung Jesu mit der deutlichen Tendenz, die Figur des Pilatus auf Kosten der jüdischen Führung von der Verantwortung für den Tod Jesu zu entlasten. In einem ausführlichen Auferstehungsbericht bezeugen jüdische Synagogenvorsteher und Priester die Auferstehung. Auf die Pilatusakten geht die im Mittelalter populäre Legende vom Schweißtuch der Veronika und die Erzählung des zum Christentum bekehrten Soldaten Longinus zurück.
[Bearbeiten] Teil 2: Höllenfahrt Christi
Die „Höllenfahrt Christi“ Descensus ad inferos erzählt von der Unterwelt als Wohnort der von Christus zu rettenden Seelen.
[Bearbeiten] Geschichte
Die Rahmenerzählung bzw. die Fundlegende der „Acta Pilati“ datiert ins 18. Regierungsjahr des Kaisers Theodosius II. (1. September 425 - 1. September 426). Es handelt sich dabei um eine heute erhaltene Übersetzung des nicht mehr vorhandenen Originals durch den Verfasser Ananias. Die genaue Zeitangabe findet sich in dem Prolog zu Akten. Ebenda wird auch die Kreuzigung genaustens ins 19. Regierungsjahr von Tiberius, am 8. Tag vor den Kalenden des Aprils, dem 25. März daiert. Es existieren auch Übersetzungen in lateinischer, koptischer, syrischer, armenischer und altslavischer Sprache.
Der Text hat viele Bearbeitungen und Ergänzungen bis ins Spätmittelalter hinein erfahren. So berichtet eine mittelenglische Version, wie Josef von Arimathäa den Heiligen Gral nach der Kreuzigung nach England bringt und dort versteckt.
Stark rezipiert wurde die Schrift auch in der Kunstgeschichte. So gehen viele mittelalterliche Bilder auf Berichte aus den Pilatusakten zurück. Auch zeitgenössische Literatur und der Film nahmen sich des Materials an.
Massgebend ist heute die Ausgabe der griechischen und lateinischen Texte von Tischendorf Ea S. 210-486
[Bearbeiten] Literatur
[Bearbeiten] Sachbücher
- Achim Hasser (Hrsg.): Das Evangelium Nicodemi in spätmittelalterlicher deutscher Prosa. Winter, Heidelberg 1987, ISBN 3-533-03612-X
- Heintzelman, Matthew Z.: The acts of Pilate. An isolation force in the Franfurt passion play 1493. UMI, Ann Arbor, Mich. 2000 (zugl. university thesis, Chicago, Ill.)
- Izydorczyk, Zbiegniew: The medieval gospel of Nicodemus. Texts, interprets and contexts in Western Europe. State University, Temple, Ariz. 1997, ISBN 0-86698-198-5
[Bearbeiten] Belletristik
- Lloyd C. Douglas: Das Gewand des Erlösers. Roman. Verlag Heidi Kraus, Hofheim/T. 1992