Albert J. Reiss
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Albert J. Reiss jr. (* 9. Dezember 1922 in Seattle, Washington; † 27. April 2006 in Hamden, Connecticut) war ein US-amerikanischer Soziologe und Kriminologe.
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[Bearbeiten] Leben
Während des Zweiten Weltkrieges war Reiss Student an der Marquette University in Milwaukee; allerdings unterbrach er sein Studium, um als Meteorologe bei der US-Luftwaffe zu dienen. Nach seiner Promotion in Soziologie an der University of Chicago 1949 lehrte er unter anderem von 1952 bis 1959 an der Vanderbilt University in Nashville, von 1961 bis 1970 an der University of Michigan in Ann Arbor und von 1970 bis zu seiner Pensionierung 1993 an der Yale University in New Haven.
Daneben war Reiss in Regierungskommissionen und staatlichen Ausschüssen tätig (z.B. ernannte ihn Ronald Reagan zum Leiter des National Institute of Justice) und war 1984 Präsident der American Society of Criminology sowie von 1990 bis 1995 Präsident der International Society for Criminology.
[Bearbeiten] Forschung
Reiss' Forschung ist stark empirisch geprägt, wobei er wichtige Beiträge zur Methodologie der Kriminalsoziologie geleistet hat. So leitete er 1966 als Forschungsdirektor einer Regierungskommission eine umfangreiche Untersuchung von über 5.000 Vorfällen mit Polizeibeteiligung, bei denen es in etwa 10 Prozent der Fälle zu Gewalterscheinungen kam. Aus der Studie entstand sein einflussreiches Buch The Police and the Public (1971), in dem er beschreibt, was die Ursachen von Gewalt bei der Begegnung von Polizei und Öffentlichkeit sein kann und wie diese verhindert werden können. Reiss macht hier deutlich, dass ein Polizeieingriff besonders dann häufig ohne Eskalation verläuft, wenn die Polizei durch eine in der Situation beteiligte Person herbeigerufen wurde (‚proaktiv‘), da sich aus die Alarmierung eine Rechtfertigung der polizeilichen Anwesenheit ableitet. Verläuft der Zusammenstoß dagegen reaktiv, also ohne vorherige Herbeirufung durch Beteiligte, kommt es gehäuft zu gewalttätigen Handlungen, da diese Legitimation fehlt. So werden etwa Verhaftungen weniger bereitwillig akzeptiert.
Weiterhin entwickelte Reiss ein Fragebogenverfahren, in dem die Untersuchungsteilnehmer bislang unentdeckte Straftaten angaben (‚self-reported crime surveys‘). Hierbei stellte Reiss fest, dass eine große Anzahl von Jugendlichen der oberen und mittleren Gesellschaftsschicht Straftaten begangen hatten, ohne dass diese jedoch entdeckt oder geahnt wurden. Diese Ergebnisse stellten die Annahme in Frage, dass Straffälligkeit ein besonderes Problem der Unterschicht sei.
[Bearbeiten] Rezeption
Besonders die Untersuchungen zu ‚proactive police work‘ hatten großen Einfluss auf den Umgang mit Kriminalität in den USA. Die hier gewonnenen Erkenntnisse wurden z.B. von Rudy Giuliani während seiner Amtszeit als Bürgermeister von New York aufgenommen und trugen zum Erfolg Guilianis Politik der Kriminalitätsbekämpfung in New York bei.
[Bearbeiten] Auszeichnungen
- 1981: Sutherland Award der American Society of Criminology
- 1990: Beccaria-Medaille in Gold der Neuen Kriminologischen Gesellschaft
- 1998: Prix Durkheim der International Society of Criminology
[Bearbeiten] Publikationen (Auswahl)
- Occupations and Social Status (1961). New York: Free Press.
- Schools in a Changing Society (1965). (ed.) New York: Free Press.
- The Police and the Public (1971). Yale University Press. ISBN 0-300-01646-8.
- Communities and Crime (1987). (ed.) Chicago: University of Chicago Press. ISBN 0-226-80802-2.
- Understanding and Preventing Violence (6. Auflage 1996) (ed.) Washington, DC: National Acad. Press. ISBN 0-309-04594-0.
[Bearbeiten] Weblinks
- Nachruf im Yale Bulletin & Calender
- Lebenslauf und Publikationsliste
- Nachruf des Department of Criminology der University of Pennsylvania
Personendaten | |
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NAME | Reiss, Albert J. |
KURZBESCHREIBUNG | US-amerikanischer Soziologeler |
GEBURTSDATUM | 9. Dezember 1922 |
GEBURTSORT | Seattle, Washington, USA |
STERBEDATUM | 27. April 1922 |
STERBEORT | Hamden, Connecticut, USA |