Androzentrismus
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Unter Androzentrismus wird eine Sichtweise verstanden, die Männer als Zentrum, respektive als Maßstab und Norm versteht. Androzentrismus kann also als eine gesellschaftliche Fixierung auf den Mann oder das „Männliche“ verstanden werden. Ein androzentristisches Weltbild versteht den Mann als die Norm, die Frau als Abweichung von dieser Norm.
Androzentrismus unterscheidet sich vom Sexismus dadurch, dass er das Weibliche nicht zwangsläufig als minderwertig bezeichnet, sondern einfach als „das Andere“, „das von der Norm abweichende“. Stillschweigend wird dabei Mensch = Mann und die männliche Sicht der Dinge als die Allgemeingültige gesetzt.
Der Begriff Androzentrismus wurde 1911 in diesem Sinne erstmals von Charlotte Perkins Gilman in ihrem Buch „The Man-Made World or Our Androcentric Culture“ verwendet und definiert. Laut Perkins Gilman haben männliche Lebensmuster und Denksysteme den Anspruch der Universalität, d.h. Allgemeingültigkeit, während weibliche Lebensmuster und Denksysteme als Devianz, d.h. Abweichung gelten. Da die Gleichsetzung von Mensch mit Mann weitgehend unbewusst geschieht, ist Androzentrismus nur schwer zu erkennen und sehr oft auch von Frauen tief verinnerlicht.
[Bearbeiten] Androzentrismus in der Wissenschaft
Breite Verwendung fand der Begriff Androzentrismus in der Wissenschaftskritik der achtziger Jahre. Einzelne Themen wurden nicht mehr nur aus feministischer Sicht hinterfragt, sondern die Wissenschaften als Gesamtheit wurde kritisch analysiert. In vier Punkten wurde dem Wissenschaftsbetrieb Androzentrismus vorgeworfen:
- Durch den späten Zugang zu den Universitäten und zum Wissenschaftsbetrieb sei die weibliche Beteiligung insbesondere an der Grundlagenforschung marginal.
- Der dadurch automatisch vorherrschende Androzentrismus führe dazu, dass die zu untersuchenden Problemstellungen einseitig ausgewählt und definiert würden. Dadurch sei Wissenschaft nicht wirklich universell.
- Wissenschaftliche Experimente basierten daher auf einseitig gewählten Faktoren.
- Aufgrund der drei vorhergegangenen Punkte müsse die Objektivität und Rationalität der Wissenschaften infrage gestellt werden, denn auch in den grundlegenden Prinzipien der Wissenschaften seien ausschließlich männliche Sichtweisen und Voreingenommenheiten vertreten.
Diese Art der feministischen Wissenschaftskritik geht weit über die in den 1960er Jahren auftauchende feministische Wissenschaft hinaus, da sie nicht versucht, eine neue Art der Wissenschaft zu etablieren, sondern die herkömmlichen Wissenschaften in ihren Grundfesten kritisiert und ihnen vorwirft, dem eigenen Anspruch an Neutralität und Universalität nicht gerecht zu werden.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Gynozentrismus
- Wissenschaftssoziologie
- Feministische Standpunkttheorie
- Feministische Wissenschaftstheorie
[Bearbeiten] Literatur
- Sandra Harding: Feministische Wissenschaftstheorie. Argument Verlag, 1999. ISBN 3886193845
- Sandra Harding: Das Geschlecht des Wissens. Campus, 1994. ISBN 3593350491
- Evelyn Fox Keller: Liebe, Macht, Erkenntnis. Carl Hanser, 1986. ISBN 3446146520
- Sandra Harding and Merrill B. Hintikka: Discovering Reality - Feminist Perspectives on Epistemology, Metaphysics, Methodology and Philosophy of Science. Synthese Library / Volume 16, 1983. ISBN 90-277-1496-7 Soziale Rolle