Bürostuhl
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Ein Bürostuhl (Bürodrehstuhl) ist ein drehbarer, auf Rollen gelagerter Stuhl mit Rückenlehne. Er ist auf die Benutzung an Schreibtischen optimiert und aus Gründen der Ergonomie höhenverstellbar. Die Höhenverstellung erfolgt mit einer Gasfeder. Eine Höhen- und Neigungsverstellung der Rückenlehne ist meist vorgesehen, oft auch eine Neigungsverstellung der Sitzfläche. Durch die Lagerung auf Rollen kann der Stuhl bequem verschoben werden, ohne dass man dafür aufstehen muss.
[Bearbeiten] Stuhlrollen
Die Stuhlrollen sind bei unbelasteten Stühlen gebremst. Ein Wegrollen des Stuhls durch leichten Stoß vor dem Hinsetzen wird so verhindert. Bei Belastung des Stuhls werden die Stuhlrollen entbremst. Hartbodenrollen sind weich ummantelt und zur leichten Erkennung immer zweifarbig; durch die Ummantelung wird vermieden, dass dunkle Striche durch Abrieb auf Hartboden (Parkett, Fliesen) entstehen. Da aber solch eine Ummantelung an heißen Sommertagen so weich werden kann, dass sie bei Benutzung des Stuhls mit sehr schweren Benutzern (100 - 120 kg) mit vergleichsweise „hartem“ Teppichboden (Nadelfilz) „verkleben“ und dann beim Rollen Fäden aus diesem ziehen können, gibt es noch (stets einfarbige) Teppichrollen aus einheitlich festem Kunststoff. Bei Gestühl für leichte Personen (Kinder) wird der Rollentyp meist nicht unterschieden; die weich ummantelten Rollen werden dann universell für alle Böden eingesetzt.
[Bearbeiten] Fußkreuz
Die Basis, der „Fuß“ dieses Stuhles, an dem die Rollen befestigt sind, heißt Fußkreuz. Kreuz, weil dieses früher vier Arme hatte und deshalb wie ein Kreuz aussah. Aus Gründen der Standsicherheit hat das Fußkreuz heute fünf oder sechs Arme. Die Mitte des Fußkreuzes nimmt eine Gasdruckfeder auf, mit der sich die Sitzhöhe eines Bürostuhls verstellen lässt. Auf dem oberen Ende der Gasdruckfeder lagert eine Stuhlmechanik mit Sitz, Armstützen und Rückenlehne.
[Bearbeiten] Synchronmechanik
Die Synchronmechanik ermöglicht Neigungsänderungen der Rückenlehne und der Sitzfläche. Sie koppelt die Rückenlehne so mit der Sitzfläche, dass beim Neigen der Rückenlehne die Sitzfläche etwas mitgeneigt wird. Wenn beispielsweise die Rückenlehne um 10° nach hinten geneigt wird, sorgt die Synchronmechanik dafür, dass sich die Sitzfläche um 5° nach hinten neigt. Durch diese Kopplung vergrößert sich der Winkel zwischen Oberkörper und Oberschenkel beim Zurücklehnen, so dass sich die Gelenke bewegen, der Körper streckt und damit die Durchblutung erleichtert wird.
[Bearbeiten] Asynchronmechanik
Die Asynchronmechanik ermöglicht im Gegensatz zur Synchronmechanik eine getrennte Einstellung von Sitzfläche und Rückenlehne, was eine individuelle Anpassung der Neigungswinkel von Rückenlehne und Sitzfläche ermöglicht. Ist die Rückenlehne entarretiert, so schwingt sie frei und wird durch eine Feder permanent in Kontakt mit dem Rücken des Benutzers gehalten. Fehlt bei einer solchen Mechanik die Verstellmöglichkeit für den Sitz, so heißt sie „Permanentkontaktmechanik“.
[Bearbeiten] Hemdauszieheffekt
Rutscht die Rückenlehne beim Zurücklehnen entlang des Rückens, so neigt sie dazu, das Hemd eines Benutzers nach oben zu schieben. Dieser sogenannte „Hemdauszieheffekt“ sollte immer so gering wie möglich sein. Diese Forderung gilt insbesondere für Asynchron- und Permanentkontaktmechaniken, bei denen generell die möglichen Öffnungswinkel-Änderungen zwischen Sitzfläche und Rückenlehne und damit der Hemdauszieheffekt besonders groß sein kann. Der Hemdauszieheffekt wird kleiner, wenn der Drehpunkt für Rückenlehnen-Schwenkbewegungen weit vorne liegt - möglichst vor der Position der Gasdruckfeder, die für die Höhenverstellung genutzt wird.
[Bearbeiten] Beckenkontakt der Rückenlehne beim Zurücklehnen
Es gibt technische Anforderungen an Bürostühle, die das sogenannte „Ergonomiesiegel“ erhalten wollen. In dieser Liste heißt es u.a.: „Rückenlehne: Beckenkontaktverlust beim Zurücklehnen: möglichst gering.“ Mit der goldenen Regel „Hintern hinten“ - d.h. heranrutschen an die Rückenlehne - lässt sich der Beckenkontaktverlust beim Zurücklehnen minimieren. Jeglicher Beckenkontaktverlust beim Zurücklehnen - und damit die permanente Unterstützung des Lendenwirbelbereichs, der so häufig von Bandscheibenvorfällen betroffen ist - vermeiden einige Bürostuhlhersteller, indem sie die Rückenlehne mit zwei Drehgelenken lagern. Eines befindet sich unten an der Mechanik, ein weiteres hinter der Rückenlehne in halber Höhe.
[Bearbeiten] Aktiv-dynamisches Sitzen
Beim aktiv-dynamischen Sitzen ist die Sitzposition des Benutzers nicht starr, sondern wird ständig aktiv geändert. Dieses wird durch bewegliche Sitzflächen und Rückenlehnen ermöglicht. Einerseits trainiert dadurch ein Benutzer die Stützmuskulatur seiner Wirbelsäule, was Rückenerkrankungen vorbeugt, andererseits verbessern häufige Positionswechsel beim aktiv-dynamischen Sitzen durch ständigen Wechsel zwischen Belastung und Entlastung in den verschiedenen Regionen der Bandscheiben deren Nährstoffversorgung. Stühle mit den oben genannten Mechanikentypen fördern ein aktiv-dynamisches Sitzen in einer Raumrichtung, nämlich eindimensional nach vorne und hinten.
[Bearbeiten] Neue ergonomische Konzepte
Beispiele für aktiv-dynamische Sitzmöbel, die vorteilhafterweise Bewegungen des Körpers in ALLE Raumrichtungen ermöglichen, sind der sogenannte Pezziball und neuere Bürostühle. In ihnen ist eine Asynchron- oder Synchronmechanik zusätzlich mit einen rundum in alle Richtungen beweglichen Pendelsitz gekoppelt. Das Sitzen auf solchen Bürostühlen ist am Besten vergleichbar dem Sitzen auf einem Gymnastikball.
[Bearbeiten] Was ist ein ergonomischer Bürostuhl?
Spätestens seit dem Siegeszug des Sitzballs Anfang der 90er Jahre wurde der Öffentlichkeit klar, dass ein möglichst dynamisches Sitzen große gesundheitliche Vorteile bringt. Folgerichtig definierte das „Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich“ 1995 produktneutral „Was ist ein ergonomischer Stuhl?“. Diese Schrift geht von der Erkenntnis aus, dass langes Stillsitzen zu Schmerzen führt, d.h. jeder Körper braucht Bewegung. Diese Schrift ist heute mehr denn je relevant.
[Bearbeiten] Einstellmöglichkeiten moderner, ergonomischer Bürostühle
Mit der Weiterentwicklung der ergonomischen Sitzmechaniken der Bürostühle haben sich auch die Einstellmöglichkeiten vermehrt. Musste sich früher der Mensch dem Stuhl anpassen, so vertreten die Hersteller der modernen ergonomischen Stühle die Auffassung, dass sich ein Stuhl dem Menschen und seinem ständigen Bedürfnis nach Bewegung anpassen muss. Da alle Menschen verschieden sind, sollte sich ein moderner Stuhl durch zahlreiche Einstellmöglichkeiten „personalisieren“ lassen.
Bei allen modernen Stühlen lässt sich die Sitzhöhe durch die Verstellung der Gasdruckfeder mittels eines Hebels verstellen. Armlehnen sollten in der Höhe verstellbar sein. Viele Hersteller bieten heute sogenannte Multifunktionsarmlehnen an, die sich auch in der Breite und teilweise in der Richtung verstellen lassen. Ein norwegischer Hersteller hat Armlehnen patentieren lassen, die man nach hinten wegdrehen kann, so dass sie sich dann hinter der Rückenlehne befinden. Ließ sich bei den Synchronmechaniken nur die Neigung des Stuhles in rückwärtiger Position einstellen, so lässt sich bei moderneren Mechaniken auch eine Sitzneigung nach vorne einstellen. Dieses verbessert den Blutfluss in den Beinen. Wichtig ist - besonders für Menschen mit kurzen Oberschenkeln - die Möglichkeit der individuellen Einstellung der Sitztiefe. Die Sitztiefe muss immer so eingestellt sein, dass die Rückenlehne berührt wird, die Kniekehlen aber frei sind, so dass dort keine Einschnürungen entstehen können. Die Rückenlehne des Stuhles sollte ebenfalls in der Höhe verstellbar sein, damit sie dem idealen Verlauf der Wirbelsäule angepasst werden kann. Die meisten Stühle haben einen Arretierhebel, der die Mechanik feststellt. Dieser sollte jedoch nicht benutzt werden, da arretierte Stühle die Bewegung einschränken.
[Bearbeiten] Steuerung der Bewegung durch die Füße
Verschiedene moderne Sitzmechaniken basieren auf der sogenannten „fußgesteuerten Bewegung“. Durch die Bewegung der Füße - dieses geschieht in der Regel unbewusst - wird der Körper angeregt, sich auf dem Stuhl zu bewegen. Pendel- und Balancemechaniken unterstützen diese Bewegung. Die fußgesteuerte Bewegung verbessert die Zirkulation des Blutes. Ein Hersteller aus Bayern hat ein Gesundheitssitzsystem entwickelt, bei dem der Sitzträger an abgefederten Stahlsehnen aufgehängt ist. Dieser Sitz reflektiert die Schwingungen, die durch die Füße ausgelöst werden.
[Bearbeiten] Bürostühle in besonderen Ausführungen
Mehrere Hersteller bieten sogenannte Sattelstühle an. Bei diesen Stühlen ist die Form des Sitzes einem Sattel nachempfunden. Die Rückenlehne zwingt den Benutzer zur aufrechten Haltung.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Pezziball
- Stuhl (Möbel)
- Schaukelstuhl
- Bandscheibenvorfall
- Rückenschmerzen
- Ergonomie
- Wirbelsäule
- Sitzen
- Ergonomie geprüft
[Bearbeiten] Weblinks
Wiktionary: Bürostuhl – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen |
- Was ist ein ergonomischer Stuhl? produktunabhängige Formulierung ergonomischer Anforderungen an Bürostühle und Stühle, ausgezeichnete Entscheidungshilfe formuliert durch das „Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie“ der ETH Zürich.
- Ergonomie Katalog: Bürostuhl/Bürostühle Informationen zur Ergonomie + Verzeichnis der im Katalog werbenden Hersteller
- Ergonomischer Stuhl und dessen Einstellungen zum gesundem Sitzen
- Ergonomische Anforderungen an den Bürodrehstuhl bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin