Chicken Soup With Barley
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Chicken Soup With Barley - Roots - I'm Talking About Jerusalem ist eine Dramentrilogie von Arnold Wesker (deutscher Titel: "Die Trilogie: Hühnersuppe mit Graupen" - "Tag für Tag" -"Nächstes Jahr in Jerusalem")
[Bearbeiten] Uraufführungen
Alle drei Dramen wurden in Coventry im Belgrade Theatre uraufgeführt: Chicken Soup with Barley: 7. Juli 1958; Roots: 25. Mai 1959; I'm Talking about Jerusalem: 28. März 1960; Erstaufführung als Trilogie: London am 7. Juni, 30. Juni und 27. Juli 1960, Royal Court Theatre. Deutsche Erstaufführungen: 1. Teil am 16. Januar 1963 in Heidelberg; 2. Teil 12. Oktober 1962 in Bremen, 3. Teil Wuppertal 17. September 1963.
[Bearbeiten] Thema
Wesker, ein überzeugter Sozialist, setzt sich in seiner Dramentrilogie mit der Genese der englischen Arbeiterklasse zwischen 1936 und 1959 auseinander. Am Fall der Familie Kahn, einer jüdischen Bauernfamilie aus London, macht er deutlich, weswegen die revolutionäre Klasse im modernen Großbritannien in die Krise geraten ist. Alle drei Teile sind formal und inhatlich eng miteinander verschränkt. Im ersten Teil wird der Entwicklungsgang in seiner Gänze dargelegt (1. Akt London, 1936; 2. Akt: London 1946/47; 3. Akt: London 1955/56), die beiden anderen vertiefen bestimmte Phasen, wobei Roots einen Zeitraum von vierzehn Jahren fokussiert (Norfolk, späte 50er) und I'm Talking about Jerusalem die Nachkriegsgeschehnisse in mehreren kurzen Zeitabschnitten dokumentiert (1. Akt: Norfolk, 1946; 2. Akt: Norfolk, 1947 und 1953; 3. Akt: Norfolk, 1956 und 1959).
[Bearbeiten] Handlung und Interpretation
Chicken Soup with Barley beginnt mit revolutionärer Aufbruchsstimmung. Die Kellerwohnung der Kahns im Londoner East End ist Treffpunkt überzeugter Kommunisten, die dem Anglo-Faschismus um Sir Edward Mosley den Kampf angesagt haben und sich bei Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges spontan zu den Internationalen Brigaden melden. Sarah Kahn verkörpert die Generation von Aktivisten, die die Herrschaft der Arbeiterklasse mit Gewalt herbeiführen wollen. Ihr Ehemann Harry lässt sich von diesem Enthusiasmus nicht anstecken, während Tochter Ada vom revolutionären Überschwang erfasst wird. 1946 schließlich scheint die Zeit für den Triumph der Arbeiterklasse gekommen: Hitler-Deutschland ist besiegt, in England regiert der Gewerkschafter Atlee und große soziale Reformen stehen bevor. Sarah Kahn und ihr Jüngster, Ronnie, der Schriftsteller sein möchte, blicken optimistisch in die Zukunft. Anders Ada und ihr Mann, Dave Simmonds, der jahrelang in Spanien gegen Franco gekämpft hat. Beide hat der Krieg ihren Enthusiasmus gekostet. Desillusioniert mussten sie feststellen, dass das Ende des Faschismus nicht gleichbedeutend ist mit dem Anbruch besserer Zeiten für die Arbeiterklasse, sondern dass diese in der modernen Industriegesellschaft vor Probleme gestellt wird, die mit den alten Lösungen nicht bewältigt werden können. Ihre Mutter kritisiert die Inkonsequenz, nur die Herrschaftsverhältnisse ändern zu wollen, nicht aber das System von Herrschen und Beherrscht-Werden verändern zu wollen. Auch Ronnie durchläuft einen Desillusionierungsprozess. Von entscheidender Bedeutung für ihn sind dabei drei Erfahrungen: die Invasion der Russen in Ungarn 1956, seine deprimierenden Erlebnisse als Koch in Paris und das Scheitern Adas und Daves als seine Vorbilder.
Der Versuch, auf dem Land, fern den großen Industriezentren, eine Reformsiedlung zu gründen, die nicht den Regeln der kapitalistischen Gesellschaftsordnung unterworfen ist, ist das Thema von I'm Talking about Jerusalem. Das Experiment erfolgt aus der Sehnsucht die eigenen Wurzeln zu entdecken, einem Bestreben, das sie mit einem wahrhaft sozialistischen Gemeinwesen zu verwirklichen trachten: einem Gemeinwesen, das Sozialismus lebt und ihn nicht nur diskutiert. Doch dieses neue Jerusalem schöpferischer Selbstverwirkichung ist zum Scheitern verurteilt, weil Dave, der von seiner Hände Arbeit leben will und die Verwendung von Maschinen ablehnt, als kleiner Tischer nicht mit der Industrie konkurrieren kann. Am Ende sehen er und Ada sich gezwungen, nach London zurückzukehren. An ihrem Beispiel will Wesker demonstireren, dass nur Veränderung im großen Stil, in globalem Ausmaß, nur eine Änderung der Verhältnisse, die umfassend ist zur Befreiung des Inidivduums führen kann. Organisierter Kampf setzt Einsicht in die politischen Zusammenhänge voraus. Daran mangelt es dem Wohlstandsproletariat. Viele einstige Aktivisten sind zu unkritischen Bürgern geworden, ein großer Teil des Landproletariats hat sich mit den herrschenden Verhältnissen abgefunden, ist seiner Wurzeln beraubt, d.h. in die Rolle von angepassten Konsumenten und politischen Komparsen gedrängt worden.
Diesem Teil der Arbeiterklasse ist das Mittelstück der Trilogie, Roots, zugedacht. Die Handlung ist minimalistisch, in ihrem Zentrum figuriert die junge Beatie Bryant, die aus einer Landarbeiterfamilie in Norfolk stammt, in London als Kellnerin arbeitet und mit Ronnie Kahn befreundet ist. Er, dessen Intellektualität sie bewundert, hat versucht, sie zu lehren, dass Sprache Wissen ist und dass die Benachteiligten ihre Lage nur verbessern können, wenn sie konsumorientietes Verhalten aufgeben und ihre wahrhaften, ihre menschlichen Bedürfnsise wiederentdecken. Als Beatie in ihrem Heimatdorf ihre Eltern und Verwandten von diesen Ideen überzeugen will, muss sie erfahren, dass sie sich ihnen nicht verständlich machen kann.
Bildungsfeindlichkeit, wie sie Beaties durch die zermürbenden Zwänge des Alltags abgestumpft Familie an den Tag legen, ist nach Weskers Dafürhalten die Hauptursache für die Krise der Arbeiterklasse, weil sie diese wirtschaftlich und politisch manipuierbar macht. Im Gegensatz zu ihren Verwandten gelignt es Beatie schließlich, ein neues Selbstbewusstsein aufzubauen: sie löst sich von Ronnie und findnet ihre eigene Sprache. Am Ende steht Ronnie vor dem Scherbenhaufen seiner Ideale - ein Linksintellektueller der feststellen muss, dass Reden alleine keine Veränderung herbeiführt. Damit wird aber nicht nur die Wirkungsmöglichkeit des Intellektuellen in Frage gestellt, sondern auch die des politischen Theaters. Wesker hat sich diesem Theater in der erklärten Absicht verschrieben, wie sein Vorbild Brecht den Zuschauer mit Thesen konfrontiert und durch Tatsachen triggeriert. Um das Theater vom Hauch der bildungsbürgerlichen Muffigkeit zu befreien, gründete Wesker das "Center 42" ein Kulturzentrum, das speziell die Arbeiter ansprechen sollte. In seiner Trilogie hat er das Dilemma der Arbeiterkasse dargestellt und zugleich sein eigenes: die Kommunikationsschwierigkeit zwischen dem politisch engagierten Autoren und dem Publikum der Wohlstandsgesellschaft.