Forensische Psychiatrie
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Die forensische Psychiatrie ist ein Teilgebiet der Psychiatrie und befasst sich mit juristischen Fragen wie der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit.
Die forensische Psychiatrie soll Fragen der Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt des Maßregelvollzugs sowie Fragen der Betreuung klären. Als Institution und Exekutivorgan dient sie der psychiatrischen und psychotherapeutischen Therapie von Straftätern im Rahmen des Maßregelvollzugs sowie der Verwahrung nicht therapierbarer psychisch kranker Straftäter.
Forensische psychiatrische Einschätzungen bewegen sich in ihrer Grunddisposition in der Schnittmenge empirisch-induktiver und normativ-deduktiver Entscheidungsvorgänge. Für die Tat soll eine Einschätzung getroffen werden hinsichtlich der subjektiven Verfassung des Täters: Vor, während und nach der Tat. Es versteht sich von selbst, dass ein rein empirisch-induktives versus ein normativ-deduktives Vorgehen nicht die Mitte zwischen den Bereichen eines determinierten bzw. autonomen Verhaltens treffen wird. Für diese Einschätzung bedient sich das Gericht bei vermutlichem Vorliegen einer heteronomen Störung des Forensischen Psychiaters. Dieser ist verpflichtet, abwägend in seinen Einschätzungen zwischen Auto- und Heteronomie, vorzugehen vor dem Hintergrund des gegenwärtigen medizinischen Erkenntnisstands.
[Bearbeiten] Unterschiede
Im Gegensatz zu anderen medizinischen Berufen ist der forensische Psychiater verpflichtet den aktuellen medizinischen Erkenntnisstand kritisch in Hinsicht einer möglichen Einschränkung des Individuums für sein Handeln zu reflektieren. Eine einheitliche Richtlinie kann hier weder medizinisch noch juristisch sinnvoll zur Gänze getroffen werden. Denn die forensisch psychiatrische Fragestellung ist keine absolute oder exkludierende, sondern notwendig eine graduelle. Der Freiheitsgrad des Täters in seiner Handlung wechselt nach Betrachtung, ähnlich bei der Betätigung eines Schiebereglers, von negativ empirisch-induktiv auf null und bei Hochschieben auf den Relativismus einer allgemeinen Erkenntnis auf hundert Prozent. So ist die forensisch psychiatrische Kunst, die nach dem Maß des hierin stattfindenden methodisch verursachten Perspektivwechsels.
Es genügt dem Forensischen Psychiater in seiner Einschätzung also nicht die Berufung auf ein noch so hoch evidenzbasiertes medzinisches Wissen. Dieses Wissen stellt nur die Antipode zu einer der allgemeinen medizinischen Wissenschaft nicht vertrauten methodischen Vorgabe, der normativ-juristischen, dar. Im Irgendwo zwischen Allgemeinen und Besonderen gilt es in der forensisch-psychiatrischen Frage sich festzulegen.
Die Verfahren, welche bei der Prognoseerstellung zur Anwendung kommen, sollten hier nicht in einem methodischen Entweder-Oder ausgewählt werden, sondern finden sich in der Frage der individuellen Schnittmenge der Anwendung der Methoden, oder anders der jeweils individuell zu beurteilenden Handlungsautonomie, wieder.
[Bearbeiten] Lehrstühle für forensische Psychiatrie
- Institut für Forensische Psychiatrie (Rheinische Kliniken Essen) der Universität Duisburg-Essen
- Institut für Forensische Psychiatrie am Universitätsklinikum - Georg-August-Universität Göttingen
- Institut für Forensische Psychiatrie am Universitätsklinikum Benjamin Franklin der Freien Universität Berlin
- Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
- Abteilung für Forensische Psychiatrie der Universitäts-Nervenklinik Würzburg
die freiberuflich tätigen forensischen Psychiater sind organisiert im Arbeitskreis freiberuflicher psychiatrischer und psychologischer Sachverständiger e.V. AFPPS
[Bearbeiten] Literatur
- Maren Lorenz, Kriminelle Körper - Gestörte Gemüter. Die Normierung des Individuums in Gerichtsmedizin und Psychiatrie der Aufklärung, Hamburg 1999.
- Nedopil, N. (2000). Forensische Psychiatrie. Thieme, Stuttgart.
- Foerster, K. (Hrsg.): Psychiatrische Begutachtung. München: Elsevier, 2004.
- Müller, T.: Störungen der Impulskontrolle – Alter Wein in neuen Schläuchen?. In: Baer, R., Joraschky, P., Kaschka, W.P., Witkowski, R.J. (Hg.): Wege psychiatrischer Forschung. Erlangen: Perimed, 1990.
- Schaumburg, Cornelia: Maßregelvollzug (Basiswissen). Psychiatrie-Verlag, Bonn, 2. Aufl. 2005, ISBN 978-3-88414-334-6
- Wulff, Erich: Das Unglück der kleinen Giftmischerin und zehn weitere Geschichten aus der Forensik. Psychiatrie-Verlag, Bonn 2. Aufl. 2006, ISBN 978-3-88414-390-2
- Zentrum für Psychiatrie Bad Schussenried (Hrsg.), "Forensik-Fibel. Kleines ABC des Maßregelvollzugs", 2. Aufl. 2003 [1]