Generative Semantik
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Die generative Semantik beschäftigt sich mit Grammatiken und kritisiert die Modelle der Transformationsgrammatik (alle Grammatiken, welche mittels Transformationen beschreiben).
Die generative Semantik ist die Weiterentwicklung der generativen Transformationsgrammatik Noam Chomskys. Im Gegensatz zu dessen Theorie werden die den Sätzen einer Sprache zugrunde liegenden abstrakten Tiefenstrukturen nicht als syntaktische verstanden, vielmehr sind sie semantische Repräsentationen (Prädikat-Argument-Strukturen wie in der Prädikatenlogik), die über verschiedene Transformationen, die bislang noch nicht vollständig entwickelt werden konnten, in den normalsprachlichen Satz überführt werden.
Die generative Semantik entwickelte sich als eigenständige Disziplin aus der seit Mitte der 60er andauernden Debatte um die Adäquatheit der von Chomsky aus dem Modell entwickelten Standardtheorie (Aspekte-Modell) in der Transformationsgrammatik und trug entscheidend bei zur Erweiterung des Aspekte-Modells zur erweiterten Standardtheorie.
[Bearbeiten] Abgrenzung von der Transformationsgrammatik
Die generative Semantik vertritt keine einheitlichen Positionen, doch ergeben sich einige gemeinsame Merkmale: Zum einen nimmt die generative Semantik globale Regeln an und verwendet keine "ad-hoc gebildete Annahmen zur Beschränkung transformationeller Prozesse" (Norbert Fries, Berlin). Zum anderen geht die generative Semantik davon aus, dass grammatische "Transformationen Beziehungen zwischen semantischen und phonologischen Repräsentationen explizieren" (Norbert Fries, Berlin). Ein Verfahren, um passende Regeln zu finden, wäre beispielsweise die lexikalische Dekomposition.
Die generative Semantik stellt also in Frage, dass sich eine Grammatik aus zwei unterschiedlichen Regelapparaten zusammensetzt, wie es die interpretative Semantik postuliert. Letztere unterscheidet bezüglich der Regelapparate zwischen einer generativen Syntax und einer interpretativen Semantik, welche die durch die Syntax aufgebauten Strukturen interpretiert.
Anstatt dessen geht die generative Semantik davon aus, dass es nur einen einzigen Regelapparat gibt. Dieser Regelapparat ist als semantisch einzuordnen, weil die generative Semantik zum einen diverse Regelformate, wie etwa die Selektionsregel, als semantisch eingestuft werden. Die Standardtheorie verwendet diese Regelformate als syntaktisch. Zum anderen geht die generative Semantik davon aus, dass in der Transformationsgrammatik als universal deklarierte Regelformate wie etwa Beschränkungen bezüglich logischer Implikationen und Freges »selbstverständliche Voraussetzung« für sprachliche Äußerungen in einer generativen Syntax nicht Verwendung finden.
Die Transformationsgrammatik kritisiert wiederum an der generativen Semantik, dass sie ad hoc semantisch-generativ Ableitungen vornimmt und dass sie nicht unterscheidet zwischen Erscheinungen, welche auf Sprachhandlungswissen aufbauen und solchen, welche sprachsystematischer Natur sind (vgl. Fries 1983).
Durch Verfeinerungen an der erweiterten Standardtheorie und Präzisierung des Autonomieprinzips (Autonomie spezieller Regelsysteme für Sprachsysteme) wurden die von der generativen Semantik kritisierten Punkte am Aspektmodell aus der Standardtheorie bereinigt. Die Kritik beeinflusste auch in die Konzeption neuer Sprachtheorien in der Pragmatik und der kognitiven Linguistik.
[Bearbeiten] Quellen
- N. Chomsky, Current Issues in Linguistic Theory. 1964
- Chomsky, Aspects
- Lepore, The Problem of Adequacy in Linguistics. TL 6, 1979, 161-172.
- W. Abraham & R.I. Binnick (Hgg.), Generative Syntax 1974
- G. Lakoff, On Generative Semantics, 1972, 305-359
- F. Newmeyer, Linguistic Theory in America. 1980
- N. Fries, Syntakt. und semant. Studien zum frei verwendeten Infinitiv und zu verwandten Erscheinungen im Dt. 1983.
- Bibl: H. Krenn & K. Müllner, Bibliographie zur generativen Semantik, 1970, 85-105
- Helmut Glück (Hsg), Metzler-Lexikon Sprache, 2000
[Bearbeiten] Siehe auch
- Noam Chomsky, Allgemeine Linguistik, Semantik
- Analysierbarkeit
- Generative Grammatik
- Generative Transformationsgrammatik
- Chomsky-Hierarchie
- Generative Kapazität
- Syntaktische Komponente
- Semantische Komponente
- Morphologische Komponente