Jürgen Kuczynski
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Jürgen Kuczynski (* 17. September 1904 in Elberfeld; † 6. August 1997 in Berlin) war ein deutscher Historiker und Wirtschaftswissenschaftler.
Jürgen Kuczynski war der Sohn des Statistikers Robert René Kuczynski und der Malerin Bertha Kuczynski, geb. Gradenwitz. Er studierte in Erlangen, Berlin und Heidelberg Philosophie, Statistik und Politökonomie und war ab 1926 Forschungsstudent in den USA. 1929 kehrte er nach Deutschland zurück und lebte fortan in Berlin. Seit 1930 war er KPD-Mitglied. Von Sergej Bessonow, einem Mitarbeiter der sowjetischen Botschaft, wird er für die sowjetische Spionage gewonnen. 1936 verlässt Kuczynski das nationalsozialistische Deutschland und ging nach England ins Exil. Dort wird er vom US-amerikanischen Geheimdienst Office of Strategic Services (OSS) rekrutiert. Kuczynski gelang es, Klaus Fuchs als sowjetischen Spion zu gewinnen. Seine Schwester Ruth Werner wurde dessen Führungsoffizier [1]. 1944/45 arbeitete er als Statistiker in der US-Army im Rang eines Colonels. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wurde er 1945 Präsident der Zentralverwaltung für Finanzen in der sowjetischen Besatzungszone. 1946 wurde er auf den Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte an der Berliner Universität berufen und leitete bis 1956 das dortige Institut für Wirtschaftsgeschichte. Am 30. Juni 1947 wurde er zum ersten Vorsitzenden der Gesellschaft zum Studium der Sowjetunion (Vorläufer der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft GDSF) gewählt. Vermutlich aufgrund aus der Sowjetunion kommender antijüdischer Tendenzen wurde er aus dieser Position 1950 wieder entfernt. 1949 bis 1958 war er Mitglied der Volkskammer.
Zugleich war er einer der prominentesten und produktivsten Wissenschaftler der DDR. 1955 war er Begründer und Leiter der Abteilung Wirtschaftsgeschichte im Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften bzw. des dann auf ihn zugeschnittenen Instituts für Wirtschaftsgeschichte. Er war langjähriges Mitglied des ZK der SED.
Als 1968 emeritierter Professor konnte er sich in den 1980er Jahren erfolgreich als „Querdenker und fröhlichen Marxisten“ insbesondere bei jüngeren Regimekritikern darstellen. Ausgangspunkt dafür war sein 1983 erschienenes, damals viel gelesenes, für die damaligen Verhältnisse sehr kritisches Buch „Dialog mit meinem Urenkel“. Kuczynski musste in Zusammenhang mit diesem Werk sogar eine Parteistrafe hinnehmen. Seine öffentlichen Vorträge waren sehr populär. Aufgrund seines „revolutionären Hochadels“ und hohen Alters besaß er zuletzt in der DDR eine gewisse Narrenfreiheit. Zuletzt war er im PDS-Ältestenrat aktiv tätig.
Er besaß eine der mit ca. 70.000 Bänden größten und wertvollsten Privatbibliotheken der DDR (diese wurde 2003 von der Zentral- und Landesbibliothek Berlin übernommen und ist in den Historischen Sammlungen aufgestellt).
Kuczynski hatte drei Kinder: Thomas (wie sein Vater Hochschullehrer und Wirtschaftshistoriker), Peter (lange Jahre Amerikanist an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) und Madeleine.
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[Bearbeiten] Auszeichnungen
1949 und 1974 Nationalpreis; 1969 Karl-Marx-Orden; 1979 Stern der Völkerfreundschaft; 1984 Vaterländischer Verdienstorden; 1989 Ehrenspange zum Vaterländischen Verdienstorden
[Bearbeiten] Veröffentlichungen
Von Jürgen Kuczynski stammen 3.000 – 4.000 Veröffentlichungen, die er zum Teil gemeinsam mit anderen Autoren schrieb. Davon sind nach eigener Aussage „etwa 100 Bücher oder stärkere Broschüren“; die sechzig wichtigsten davon listet Mario Kessler (vgl. Link unten) auf.
Wissenschaftliche Hauptwerke sind:
- Geschichte der Lage der Arbeiter unter dem Kapitalismus (40 Bände)
- Studien zur Geschichte der Gesellschaftswissenschaften (10 Bände)
- Geschichte des Alltags des deutschen Volkes (5 Bände) ISBN 3894381914
Belletristisch u.a.:
- Jürgen Kuczynski: Dialog mit meinem Urenkel. 19 Briefe und ein Tagebuch. 2. Auflage Berlin 1984
- Jürgen Kuczynski: Fortgesetzter Dialog mit meinem Urenkel: Fünfzig Fragen an einen unverbesserlichen Urgroßvater. Berlin 2000
- Jürgen Kuczynski: Ein treuer Rebell. Memoiren 1994-1997; Berlin 1998
Er war regelmäßiger Autor der Wochenzeitung „Die Weltbühne“.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Shareen Blair Brysac: Mildred Harnack und die „Rote Kapelle“. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Frau und einer Widerstandsbewegung. Scherz-Verlag, Bern 2003, ISBN 3-502-18090-3 , p.509
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Jürgen Kuczynski im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Kurzbiographie
- Kurzbiographie der Berlin-Brandenburg. Akademie
- Mario Kessler: Jürgen Kuczynski – ein linientreuer Dissident?
- Günther Kröber - J.K. und der Nobelpreis
- Zur Bibliothek
- Der Kuczynski-Nachlass in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Personendaten | |
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NAME | Kuczynski, Jürgen |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Historiker und Wirtschaftswissenschaftler |
GEBURTSDATUM | 17. September 1904 |
GEBURTSORT | Elberfeld |
STERBEDATUM | 6. August 1997 |
STERBEORT | Berlin |