Kaddisch für ein nicht geborenes Kind

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Der Roman „Kaddisch für ein nicht geborenes Kind“ wurde von Imre Kertész im Jahre 1990 geschrieben.

Der Erzähler in „Kaddisch für ein nicht geborenes Kind“ ist ein erwachsener Mann, der als Kind ins KZ in Auschwitz gebracht wurden und den Holocaust überlebte. Die Erinnerungen an diese Geschehnisse determinieren sein Leben völlig. Seine Ehe ging kaputt, weil er sich weigerte, Kinder zu zeugen. Mit einem "Nein" antwortete er auf die Frage nach dem Kind. In einem großen Monolog begründet er seine Entscheidung.

Der Protagonist bezeichnet seine Kindheit als eine grausame Zeit. Danach kam die schlimmste Erfahrung seines Lebens und zwar Auschwitz. Deshalb möchte er seinem Kind ein solches Schicksal ersparen. Sein Kind könnte ein hervorragender Fußballspieler bzw. ein bekannter Schriftsteller werden, aber er könnte auch, so wie sein Vater auf dem Appellplatz stehen.

Das ganze Buch ist ein Monolog des Erzählers, der innerlich dazu gezwungen ist, diesen Monolg zu führen. Indem der Protagonist stets etwas durchdenkt, kehren immer wieder grausame Erinnerungen zurück. In seinem Kopf steckt eine gewisse Notwendigkeit zum Nachdenken. Diese Notwendigkeit zum Nachdenken wurde zur Sucht, und diese Sucht wirkt auf den Protagonist vernichtend. Der Zwang zum Nachdenken wird immer gröβer, und deshalb quält sich der Protagonist. Er analysiert sein Leben und erinnert sich an Auschwitz. Eine Erinnerung ruft eine andere hervor.

Das, was der Erzähler in Auschwitz erlebt hat, hat ihn zu der Auffassung gebracht, dass die menschliche Existenz unwichtig ist, also auch sein Leben keine Bedeutung hat. Diese Auffassung wurde zur festen Lebenswahrheit des Mannes.

Der Erzähler ist der Ansicht, dass der Holocaust seine Wurzeln in der europäischen Kultur hat, und diese Wurzeln längst vor dem 2. Weltkrieg entstanden sind. Das Böse, das den Holocaust verursacht hat, steckt in den Menschen und gehört zu ihrer Natur. Die zwischenmenschlichen Beziehungen funktionieren nach den despotischen Prinzipien, immer gibt es einen Machhaber und einen Untertan. Als Vorbild nennt der Erzähler das KZ. Er kommt zu der Schlussfolgerung, dass das Leben vor, während, und nach dem Krieg das gleiche Schema hat, wie das Leben in dem Konzentrationslager. Egal ob in Auschwitz oder nach dem 2. Weltkrieg, streben die Menschen lediglich nach dem Űberleben. Das Ziel des Lebens sei jedoch der Tod, und somit streben die Menschen nach dem Tod, denkt der Protagonist. Die Arbeit hilft dem Erzähler am Leben zu bleiben, das bedeutet also, sie hilft ihm auch sich dem Tode zu nähern.

Der Protagonist ist überzeugt, dass er in Auschwitz ums Leben kommen sollte, und es war nur ein Zufall, dass er überlebt hat. In Auschwitz begann er, sein Grab auszuschachten, und das Kriegsende hat ihn unterbrochen. In Auschwitz hielt demnach sein Dasein an, und jetzt ist seine Existenz sozusagen nur ein halbes Leben. Körperlich ist er zwar da, aber sein Geist und seine Gedanken sind in Auschwitz geblieben. Der Erzähler ist ein Sklave der eigenen Vergangenheit. Egal worüber er nachdenkt, lenken sich seine Gedanken immer auf das Trauma von Auschwitz.

„Kaddisch für ein nicht geborenes Kind“ unterscheidet sich von den anderen Büchern über den Holocaust, weil es nicht direkt von der Shoah handelt. Die Handlung spielt nicht im KZ, sondern viele Jahre danach. Den Holocaust lernen wir somit in diesem Buch aus seinen Folgen kennen, aus den Auswirkungen auf das Leben des Űberlebenden.

Der Protagonist kann nicht und will sich nicht an die sozialen Normen anpassen. Er lässt sich trauen, um festzustellen, dass er in einer Ehe nicht leben kann. Er lebt nur dazu, um seine Meinung zu bestätigen, dass er nicht leben kann. Die Erinnerungen beeinflussen alle Sphären seines Lebens. Er ist nicht in der Lage in der Familie zu leben, weil er sich nur Gedanken über sein eigenes Schicksal macht.

Die Vaterschaft vergleicht er mit der Machtausübung. Aus den wenigen Erinnerungen aus der Kindheit kann man die Schlussfolgerung ziehen, dass sein Vater despotisch war. Deshalb sieht er keinen Unterschied zwischen der Beziehung Vater-Sohn und Täter-Opfer. Der Protagonist traf die Entscheidung, kein Kind zu haben, um es vor Leiden zu bewahren. „Kaddisch für ein nicht geborenes Kind“ ist ein Gebet für das Kind, das er nicht zeugte. Die Spur, die der Holocaust hinterlassen hat, beeinflusst das Leben aller Juden, auch die, die nach dem 2. Weltkrieg geboren sind. Diese Spur wirkt wie ein Gift auf den Erzähler. Die Erinnerung an Auschwitz führt zur psychischen Zerstörung des Mannes. Der Holocaust ist in seinem Kopf und auch in dem ganzen Buch lebendig und verhindert ein normales Weiterleben des Erzählers.

Die Erzählweise des Buches ist ziemlich chaotisch. Einige Sätze, Abschnitte und Worte werden wiederholt. Der Monolog erinnert an eine Beichte bzw. eine Klage. Die Worte des Erzählers werden sehr ernsthaft und oft auch nervös ausgesprochen. „Kaddisch für ein nicht geborenes Kind“ ist eine Beichte, an der der Leser teilnimmt, und gleichzeitig beteiligt er sich an den seelischen Qualen des Erzählers. Das Buch spiegelt wider, wie ein Mensch sein Leben zur psychischen Vernichtung machen kann. Darüber hinaus bringt Kertész zum Ausdruck, wie die Psyche Überlebender des Holocaust funktioniert und wie stark die Folgen eines Traumas das Leben bestimmen können.