Katharsis (Psychologie)
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Katharsis (griechisch κάθαρσις, „die Reinigung“) erklärt in der Psychologie die Befreiung von inneren Konflikten und verdrängten Emotionen. Unterdrückte Wünsche und Gefühle können ihre störende Wirkung verlieren, wenn sie frei ins Bewusstsein treten. Dies jedoch kontrolliert durch bestimmte Techniken herbeiführen zu wollen, ist in der Regel ein aussichtsloses Projekt. Das kathartische Erleben tritt im Gegenteil oft unvorbereitet und unerwartet ein. Strategien, die durch ein gezieltes „Abreagieren“ auf eine Katharsis hinführen wollen, sind fragwürdig. In der Katharsis gelingt es dem Subjekt, sein Selbst neu zu bestimmen, insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis von Selbst und Selbstlosigkeit und (erneut) fähig zu werden, zu lieben und zu arbeiten (Freud). Damit tritt das Sich-Treiben-Lassen zurück. Lebensziele und gelebte Werte treten deutlicher hervor. Überschüssige Wut und unverstandene orgiastische Ausbrüche von Hass verlieren ihre Bedeutung.
Der Katharsis-Begriff findet sich schon bei Aristoteles und bezeichnet eine durch die Tragödie befreiende Wirkung besonders in Bezug auf Furcht oder Wut. In modernen Theorien wurde dieses Prinzip von Josef Breuer und Sigmund Freud sowie den Ethologen Konrad Lorenz und Irenäus Eibl-Eibesfeldt aufgegriffen.
In der Psychoanalyse bezeichnet die kathartische Methode ein Verfahren, in dem der Klient durch Offenlegen der Gefühle diese abbaut und sich dadurch von krankmachenden Affekten und neurotischen Symptomen befreien kann.
Ein Katharsiseffekt sagt generell aus, dass das Ausüben z. B. aggressiver Handlungen (z. B. das Boxen auf einen Sandsack nach vorangegangener Frustration) ärger- und wutreduzierende Effekte habe.
Die Katharsistheorie als Methode des gesteuerten Abreagierens ist empirisch allerdings nicht haltbar. Zahlreiche Replikationsversuche früher Experimente, mit denen Feshbach und Singer, durch welche die Katharsisthese Einzug in die moderne experimentelle Psychologie fand, Anfang der 1960er hypothesenkonforme Resultate erzielten, führten nicht zum Erfolg, sondern zu gegenteiligen Ergebnissen. Begründet wurde dies in Metaanalysen durch eine unzureichende Kontrolle von potentiellen Störvariablen seitens Feshbach und Singers, weshalb sich Mitte der 1980er sogar Feshbach selbst von der These distanzierte. In neueren Studien zur Katharsisthese zeigten unter anderem Bushman et. al. (2001), dass Probanden, die auf den Katharsisglauben geprimed wurden oder deren Katharsisglaube bewertet wurde, ein erhöhtes Aggressionspotential im Vergleich zur Kontrollgruppe hatten. Dies legt den Schluss nahe, dass bewusst evozierte aggressive Handlungen sich selbst durch Feedback-Effekte unbewusst auch auf kognitiver Ebene verstärken.
In der Praxis bedeutet dies nicht, dass Katharsis generell nicht existiert, sondern sie lediglich in einem sehr spezifischen Kontext tatsächlich reinigend wirken kann. Dazu gehört aber sicherlich nicht das bewusste Ausleben von Aggressionen, obgleich dies stellvertretend geschieht, da jeder Mensch durch ein aktives Gestalten seiner Umwelt dafür sorgt, dass latent vorhandene Einstellungsvariablen tatsächlich verhaltensrelevant werden. Sprich, dass jemand mit der Einstellung, „herausgelassene“ Aggression würde helfen, diese los zu werden, auch eher dazu tendiert von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, was sich wiederum in erhöhter Gewaltbereitschaft widerspiegelt.