Koinon
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Als Koinon (Κοινον, dt. Gemeinschaft, Gemeinwesen oder Bund) wird eine Form der politischen Organisation im antiken Griechenland bezeichnet. Es handelte sich entweder um den auf Dauer angelegten Zusammenschluss unabhängiger Stadtstaaten (sgl. Polis) oder um staatsähnliche Gebilde von Stämmen (Ethnos) in abgelegeneren Gebieten, wo die Polis nicht die vorherrschende Form des Gemeinwesens war. Schließlich bezeichnete Koinon manchmal auch die Gemeinschaft jener, die irgendwie zur Teilnahme am politischen Leben berechtigt waren, und zwar insbesondere dann, wenn es sich nicht um Bürger einer Stadt handelte. So gab es zum Beispiel ein Koinon der Makedonen (Κοινον Μακεδόνων). Das war die Gemeinschaft der freien Makedonen, die im Staat dem Monarchen gegenüberstanden und, je nach den Machtverhältnissen, mehr oder weniger Einfluss auf die Politik nehmen konnten, zum Beispiel, wenn sie vom König zur Volksversammlung zusammengerufen wurden.
Zum Zusammenschluss mehrerer Poleis zu einem Bund kam es meist aufgrund äußerer Bedrohung. Das Koinon war also wie die zeitlich begrenzte Symmachie in erster Linie ein Verteidigungsbündnis. Die scharfe Abgrenzung zwischen Symmachie und Koinon ist aber nicht immer möglich. Im Koinon waren die Mitglieder eher gleichberechtigt und die Vereinbarung darüber hatte einen multilateralen Charakter, während sich Symmachien meist um eine starke Polis gruppierten und ihre Mitglieder durch einzelne bilaterale Verträge an den Hegemon gebunden waren.
Zur Stabilisierung nach innen und nach außen übertrugen die autonomen Mitglieder des Koinons neben der Verteidigung weitere Funktionen auf den Bund, so zum Beispiel die Bildung gemeinsamer Gesandtschaften. Das Koinon diente auch zur Streitschlichtung zwischen den Mitgliedern und damit der Friedenswahrung. Um sich der geschaffenen Gemeinschaft zu vergewissern, wurden gemeinsam kultische Handlungen vollzogen. In Dodona z.B. traten das Koinon der Epiroten aber auch andere Bünde mit gemeinsamen Anfragen an das Orakel sowie mit gemeinsamen Opfern und Weihegeschenken in Erscheinung. Oder es wurde gar ein gemeinsames Heiligtum eingerichtet. Berühmt ist das Panionion des Ionischen Bundes in Kleinasien.
Um auf Dauer funktionieren zu können, musste ein Minimum an städteübergreifenden Institutionen für das Koinon gebildet werden. Immer gab es eine Bundesversammlung, die von den Mitgliedern mit Gesandten beschickt wurden. Für den Kriegsfall hatte man einen oder mehrere Strategen, die die Bundestruppen anführten. Manche Bünde hatten auch eine Bundeskasse und damit auch Beamte die diese verwalteten. Wie weit die Befugnisse der Bundesinstitutionen gingen, war sehr unterschiedlich. Genaue Angaben lassen sich dazu mangels Quellen oft nicht machen.
Die Anzahl der zu einem Koinon gehörenden Städte war, wie auch die Dauer der Bündnisse, sehr unterschiedlich. Der bereits erwähnte Ionische Bund umfasste zwölf Städte, er existierte über 200 Jahre und war damit äußerst stabil. Der Aitolische und der Achaiische Bund existierten ohne Unterbrechung jeweils rund 130 Jahre, zum Teil aber mit wechselnden Mitgliedern.
In Epirus und den angrenzenden illyrischen Gebieten gab es eine Reihe Koina die sich um einen Stamm gruppierten oder mehrere Stämme (ethnos) miteinander vereinten. Unter der Führung der Molosser wurde im 4. Jahrhundert das Κοινον των Μολοσσων gebildet, das zuerst zehn und später fünfzehn Stämme umfasste. Hegemon dieses Bundes waren die molossischen Könige, jedoch agierte das Koinon auch unabhängig vom König. Im Unterschied zu den anderen genannten Bünden gab es bei den Epiroten keine autonomen Poleis als Mitglieder. Die Städte verwalteten zwar ihre inneren Angelegenheiten selbst, nach außen wurden sie aber durch das Koinon des Stammes vertreten. Der nach der Beseitigung der Monarchie (231 v. Chr.) neu gebildete epirotische Bund umfasste mindestens 12 Stämme, von denen manche im Inneren wiederum als Koinon organisiert waren, so die Chaonier und die Thesproter.
In römischer Zeit wurde als Koinon der Zusammenschluss von Städten in den östlichen Provinzen bezeichnet, die in einer Art Provinzialversammlung zusammenkamen (z. B. in Asia unter Leitung der Asiarchen). Hauptaufgabe dieser späten Koina war der Kaiserkult; sie fungierten aber auch als Vertretung der Provinz gegenüber dem Kaiser und dem Senat.
[Bearbeiten] Literatur
- Andreas Bastini: Der achäische Bund als hellenische Mittelmacht. Geschichte d. achäischen Koinon in der Symmachie mit Rom. Frankfurt am Main u.a. 1987.
- Hans Beck: Polis und Koinon. Untersuchungen zur Geschichte und Struktur der griechischen Bundesstaaten im 4. Jahrhundert v. Chr. Stuttgart 1997, ISBN 3-515-07117-2.
- Neritan Ceka: Le Koinon des Bylliones. In: Pierre Cabanes (Hrsg.): L’Illyrie méridionale et l’Épire dans l’Antiquité. Actes du colloque international de Clermont-Ferrand 1984. Clermont-Ferrand 1987, S. 136-149.
- Jürgen Deininger: Die Provinziallandtage der römischen Kaiserzeit von Augustus bis zum Ende des dritten Jahrhunderts n. Chr. München 1965.
- Kaja Harter-Uibopuu: Das zwischenstaatliche Schiedsverfahren im achäischen Koinon. Zur friedlichen Streitbeilegung nach den epigraphischen Quellen (= Akten der Gesellschaft für Griechische und Hellenistische Rechtsgeschichte 12). Köln u.a. 1998, ISBN 3-412-11798-6.
- Giuseppe Mafodda: Il koinon beotico in età arcaica e classica: storia ed istituzioni. Rom 1999, ISBN 88-7689-166-8.
- Maurice van der Mijnsbrugge: The Cretan Koinon. 1931 (Reprint: Amsterdam 1989).
- Joseph B. Scholten: The politics of plunder. Aitolians and their koinon in the early Hellenistic era, 279–217 B.C. (= Hellenistic culture and society 24). Berkeley u.a. 2000, ISBN 0-520-20187-6.
- Peter Siewert: Politische Organisationsformen im vorrömischen Südillyrien. In: G. Urso (Hrsg.): Dall’Adriatico al Danubio. L’Illirico nell’età greca e romana. Pisa 2004, S. 53-61, hier online.