Logik der Forschung
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Die Logik der Forschung (1935 laut Impressum, in Wirklichkeit jedoch bereits 1934 erschienen) bzw. The Logic of Scientific Discovery (1959) ist das erkenntnistheoretische Hauptwerk von Karl Popper. Sie wurde ursprünglich auf Deutsch verfasst, Popper selbst übertrug sie jedoch einige Jahre später ins Englische. Er kritisiert in dem Buch den logischen Empirismus, den Induktivismus und den Naturalismus, wie sie von Mitgliedern des Wiener Kreises vertreten wurden, und argumentiert, dass die empirische Wissenschaft eine falsifikationsbasierte Methode verwenden sollte. Denn keine noch so große Anzahl von Experimenten kann eine Theorie beweisen, jedoch kann der Ausgang eines einzelnen Experiments bereits im Widerspruch zur Theorie stehen. Er folgert daraus, dass in der Wissenschaft nur solche Theorien zulässig sein sollten, die falsifizierbar sind. Richard Wollheim (New Scientist) und Peter Medawar (The Observer) bezeichnen die Logik der Forschung als eines der wichtigsten Bücher des 20. Jahrhunderts.
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[Bearbeiten] Entstehung
[Bearbeiten] Grundmotivation
Wie Popper in den 1960er Jahren in autobiographischen Anmerkungen und Kommentaren zu früheren Veröffentlichungen schrieb, hatte er sich ab 1919 mit dem Thema Pseudowissenschaft beschäftigt, und im Rahmen dieser Beschäftigung sein so genanntes Falsifikationskriterium entwickelt: „I wished to distinguish between science and pseudo-science; knowing very well that science often errs, and that pseudo-science may happen to stumble on the truth.“[1] Dabei machte er klar, dass er in seiner ersten Näherung an das Phänomen der Pseudowissenschaften nicht die Frage der Wahrheit für vorrangig hielt. Auch fehlende Exaktheit oder Messbarkeit seien nicht sein Grundproblem gewesen. Er habe vielmehr intuitiv empfunden, dass es Theorien gibt, die sich als Wissenschaften gerierten, tatsächlich jedoch mehr mit Mythen gemein hätten als mit Wissenschaft. Als Beispiele nannte Popper den Marxismus, die Psychoanalyse, die Individualpsychologie und die Astrologie, als Gegenbeispiel nannte er Einsteins Relativitätstheorie.
In der veröffentlichten Version erwähnt Popper jedoch nichts über Pseudowissenschaft, sondern grenzt stattdessen die empirische Wissenschaft allgemein von Metaphysik im weitesten Sinn ab, d.h. auch von Religion, Logik, Mathematik, Philosophie und Ähnlichem.
[Bearbeiten] Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie
Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Logik der Forschung und dem Buch Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie, das Popper vorher verfasst hatte, das aber erst sehr viel später veröffentlicht wurde. Der genaue Zusammenhang ist umstritten. Während Popper selbst angab, dass die Logik der Forschung hauptsächlich eine gekürzte Fassung des zweiten Bandes ist, führte Malachi Haim Hacohen einige Argumente für die These an, dass das Buch gegebenenfalls unabhängig entstand.[2] Der Interpretationsspielraum ergibt sich deshalb, weil die entscheidenden Teile des Manuskripts der Grundprobleme entweder fehlen, weil sie für das Manuskript der Logik verwendet wurden, wenn man der Auffassung von Popper folgt, oder nach Hacohens Standpunkt nie vorhanden waren.
[Bearbeiten] Rezeption
[Bearbeiten] Missverständnisse
Ernüchtert hat Popper immer wieder festgestellt, dass die Rezeption des Buchs erheblich von Missverständnissen der verschiedensten Art geprägt war. Gewehrt hat er sich insbesondere gegen die folgenden Sachverhalte:
- Dass das Buch von Personen kritisiert wurde, die es offenkundig nicht gelesen hatten. Als extremes Beispiel nannte Popper die Behauptung, dass er darin versucht hätte, als Kriterium für die Wissenschaft ihre Fälschbarkeit einzuführen.
- Dass die ursprüngliche Veröffentlichung in einer Buchreihe des Wiener Kreises dazu führte, dass sich über unzählige Fußnoten das Gerücht verbreitete, er sei ein Positivist (was schließlich in der Bezeichnung des so genannten Positivismusstreits gipfelte).[3]
- Dass er in der Logik der Forschung die endgültige Widerlegbarkeit von wissenschaftlichen Theorien vertreten hätte. (Siehe auch Naiver Falsifikationismus.)
- Dass er die Falsifizierbarkeit als Sinnkriterium habe einführen wollen.
- Dass er Kriterien für die dynamische Gesamtheit der nach dem Stand der Forschung allgemein akzeptierten Theorien finden wollte, statt einem statischen Kriterium.[4]
- Dass sich die im Buch beschriebene Methode aus der Wissenschaftsgeschichte ergeben würde.
[Bearbeiten] Hans Jürgen Wendel
Für den Philosophen Hans Jürgen Wendel erscheinen in einer Kommentierung der Logik der Forschung Metaphysik und Pseudowissenschaft „zumindest verwandt, partiell vielleicht sogar identisch und daher aus ähnlichen Gründen problematisch zu sein.“[5] Er glaubt, dass die Eingrenzung auf das Problem der Metaphysik in erster Linie aufgrund der Diskussionen mit dem Wiener Kreis erfolgte, in dessen Umfeld die Publikation erfolgte.[6]
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Auf Deutsch etwa: Ich wollte zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft unterscheiden, wohl wissend, dass sich auch Wissenschaft irrt und Pseudowissenschaft durchaus über die Wahrheit stolpern kann. Popper: Science, Pseudo-Science, and Falsifiability (Vortrag aus dem Jahre 1953), in: Conjectures and Refutations, (1962), 1978, S. 33
- ↑ LdF, 11. Ausg., Nachwort des Herausgebers
- ↑ Wider die großen Worte
- ↑ In der Einleitung der Veröffentlichung der Grundprobleme kommentierte Popper seine Intention zur Entwicklung eines Abgrenzungskriteriums mit den Worten: „Das Ziel der Abgenzung [wurde] völlig mißverstanden und es wurde angenommen, das ich die 'gegenwärtig anerkannten' Theorien der empirischen Wissenschaften charakterisieren wollte; während es meine Absicht war, alle empirisch-wissenschaftlich diskutablen Theorien, einschließlich der überholten oder widerlegten, also aller wahren 'und falschen' empirischen Theorien von den pseudo-wissenschaftlichen Theorien abzugrenzen, aber auch von der Logik, der reinen Mathematik, der Metaphysik, der Erkenntnistheorie, und überhaupt der Philosophie“", Troels, Eggers, Hansen (Hg.), Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie. Aufgrund von Manuskripten aus den Jahren 1930-1933", Tübingen 1979, S. XXVII
- ↑ „Metaphysik und Pseudowissenschaft scheinen demnach zumindest verwandt, partiell vielleicht sogar identisch und daher aus ähnlichen Gründen problematisch zu sein.“ (Herbert Keuth, S. 3)
- ↑ Hans Jürgen Wendel (Klassiker Auslegen: Karl Popper, Logik der Forschung, hrsg. von Herbert Keuth, 2. Aufl. 2004 , S. 2f.): „Das Abgrenzungsproblem sieht Popper in erster Linie darin, erfahrungswissenschaftliche Aussagenzusammenhänge von anderen, nicht erfahrungswissenschaftlich zu nennenden, durch eine Charakterisierung der Eigenart der Erfahrungswissenschaft abzugrenzen. Klärungsbedürftig ist dabei allerdings, wogegen Popper die erfahrungswissenschaftliche Erkenntnisart abgrenzen will. Am deutlichsten wird Popper in seiner Autobiographie, wo er rückblickend davon spricht, ursprünglich sei es ihm darum gegangen, Wissenschaft gegen pseudowissenschaftliche Unternehmungen wie den Marxismus oder die Psychoanalyse abzugrenzen (Popper 1979a, S. 52). Dieses Interesse an der Abgrenzung der Wissenschaft von Pseudowissenschaft erregte auch Poppers Aufmerksamkeit für die Gedanken des 'Wiener Kreises', dessen Vertreter die Metaphysik der Erfahrungswissenschaft nicht nur als Pseudowissenschaft, sondern im Hinblick auf ihren Erkenntniswert sogar als etwas Sinnloses gegenüberstellten. In der Auseinandersetzung mit den Überlegungen des 'Wiener Kreises' wird das Abgrenzungsproblem daher auch hauptsächlich zu einem der Abgrenzung von Erfahrungswissenschaft und Metaphysik. Popper schienen einerseits, als er sich mit den Gedanken des 'Wiener Kreises' auseinandersetzte, starke innere Verbindungen zwischen Pseudowissenschaft und Metaphysik offensichtlich vorhanden, so daß er nach eigenem Bekunden dazu kam, sein Abgrenzungskriterium 'auch auf die Metaphysik' anzuwenden. Wohl wegen dieser Nähe und der Tatsache geschuldet, daß der primäre Adressat der Kritik des 'Wiener Kreises' die Metaphysik ist, scheint Popper daher das Abgrenzungsproblem andererseits nurmehr das einer Abgrenzung zwischen Erfahrungswissenschaft und Metaphysik zu sein. Diesen Zusammenhang zwischen Pseudowissenschaft und Metaphysik deuten auch seine späterhin Rudolf Carnap zustimmenden Bemerkungen in der Autobiographie an, 'daß die meisten philosophischen Systeme auf den Menschen wissenschaftlicher Gesinnung niederdrückend wirken'; in die gleiche Richtung weisen die Bemerkungen in der Logik der Forschung, daß, ohne Abgrenzung, 'die Gefahr eines Abgleitens der empirischen Wissenschaften in Metaphysik entsteht'.“
[Bearbeiten] Literatur
- Herbert Keuth: Karl Popper, Logik der Forschung (Akademie-Verlag, Mai 2004), 274 Seiten, ISBN 3050040858.
[Bearbeiten] Weblinks
- The Logic of Scientific Discovery: Webseite von des Verlags Routledge über die englischsprachige Fassung des Buchs.
- Logik der Forschung: Webseite des Verlags Mohr Siebeck über die deutsprachige Fassung des Buchs.