Managed care
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Managed care ist ein Steuerungsmodell innerhalb des Gesundheitswesens.
Zum Verständnis zunächst eine Zusammenfassung des Gegenteils: In einem nicht regulierten, aber nach dem Sozialprinzip geformten Gesundheitssystem sind Angebot, Nachfrage und Finanzierung weitgehend unabhängig voneinander. Überspitzt formuliert: Kranke verlangen die beste Behandlung ohne Rücksicht auf die Kosten, Ärzte bieten die für sie lukrativste Behandlung ohne Rücksicht auf die Kosten, Versicherer bieten die für sie lukrativsten Versicherungsmodelle ohne Rücksicht auf medizinische Notwendigkeiten und gesamtwirtschaftliche Kosten/Nutzen.
Dieses unabhängige Agieren ist nur deshalb möglich, weil das Sozial-/Gesundheitswesen ein Unikum der freien Marktwirtschaft ist: Nicht der Konsument bezahlt die Rechnung, sondern die Allgemeinheit. Der Anbieter kann sein Angebot unabhängig von den wirtschaftlichen Möglichkeiten seiner Klientel gestalten und definiert sein Einkommen so weitgehend selber. Der versicherte Konsument kann auch überhöhte Bedürfnisse decken, auch wenn er es sich nicht leisten könnte. Der Versicherer wiederum erhöht wenn nötig die Prämien.
Aus diesen Gründen hat in einem so organisierten Gesundheitssystem keiner der Akteure einen Sparanreiz: Arzt und Patient sind an aufwändigen Untersuchungen und teuren Behandlungen interessiert, Versicherer sind an hohen Umsätzen interessiert, ebenso Pharmafirmen und andere Zulieferer des Gesundheitsmarktes.
Managed Care versucht, Angebot, Nachfrage und Finanzierung miteinander zu verknüpfen, ohne die Vorteile des Solidaritätsprinzips im Gesundheitswesen aufzugeben. Dazu gibt es verschiedene Modelle, die folgende Elemente beinhalten:
- Patienten schließen sich einem Managed-Care-System an. Der Grund können finanzielle Anreize wie niedrigere Prämien/Beiträge sein, oder auch Zwänge (beispielsweise in den USA eine mit dem Arbeitgeber zusammenarbeitende Health Maintenance Organization (HMO)), oder auch persönliche Überzeugungen.
- Leistungserbringer werden nicht mehr nach Zahl und Art der selbstverordneten Leistungen bezahlt (Einzelleistungsvergütung). Sie erhalten einen Fixlohn oder ein fixes Budget und/oder sie werden mit einem Anteil an Kosten und Gewinn des Gesamtsystems aus Versicherer/ Leistungserbringer/ Versicherten beteiligt.
Beispiele für Managed-Care-Modelle:
- HMO-Modelle (siehe Health Maintenance Organization).
- Hausarztnetze mit Budgetverantwortung: eine Anzahl von Hausärzten schließt einen Vertrag mit einem oder mehreren Versicherern, in dem ein Kostenrahmen für alle in diesem Vertrag eingeschlossenen Versicherten festgelegt wird. Bei Kostenunterschreitung erhält das Netz einen Bonus, bei Überschreitung einen Malus. Die Versicherten, die sich einem solchen Netz anschliessen, erhalten eine Prämienreduktion.
- Das Hausarztkonzept im niederländischen Gesundheitswesen: Patienten müssen immer zuerst zu einem ihnen anhand der Wohngegend zugeteilten Hausarzt gehen. Zahl und Niederlassungsorte dieser Grundversorger sind strikt reguliert. Die Grundversorger haben nur eine geringe apparative Ausstattung - weder Praxislabor noch Röntgen - und weisen bei Bedarf weiter.
Gelöste und ungelöste Probleme:
- Geringeres Angebot und weniger Reservekapazität. Bei betriebswirtschaftlich rechnenden Managern eines Managed-care-Systems besteht die Tendenz, die Kapazität möglichst knapp zu bemessen, um eine hohe Auslastung zu erreichen. Dies bewirkt eine Kosteneinsparung, aber auch einen Verzicht auf Reservekapazität, was sich in oft langen Wartezeiten äußert. (In den Niederlanden etwa für eine Blutentnahme ein bis zwei Wochen, für nicht lebenswichtige Operationen bis mehrere Monate). Da die Patienten während dieser Wartezeiten oft eingeschränkt oder nicht arbeitsfähig sind und da Spätfolgen einer zu späten Behandlung nicht ausgeschlossen sind, können solche Einsparungen im Gesundheitswesen zu schwer kalkulierbaren gesellschaftlichen Mehrkosten führen.
- Umgekehrtes Anreizsystem. Wenn Leistungserbringer nicht für das Erbringen, sondern zu einem gewissen Teil für das Vermeiden von Leistungen belohnt werden, besteht die Tendenz - mehr oder weniger unbewusst - eigentlich notwendige Leistungen einzusparen. Dies muss durch entsprechende Qualitätskontrollmechanismen kompensiert werden. Entsprechend muss bei den traditionellen Modellen die Versuchung zur Überbehandlung, zu unnötigen und zu teuren Therapien und zur Verschwendung bekämpft werden.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Aktuelle Bedeutung (Schweiz)
In der Schweiz waren am 1. Januar 2004 knapp 500'000 (von insgesamt ca. 7 Mio) Versicherte in Managed-Care-Modellen, 100'000 davon in HMOs, 400'000 in Hausarztnetzen.
Wenn Versicherer Hausarztversicherungen anbieten, treten diesen in der Regel 30 - 50% der Versicherten bei. Bei der HMO sind es weniger, da hier die Aerzte nicht bereits bekannt sind.
Zur aktuellen Entwicklung in der Schweiz siehe Literaturliste.
[Bearbeiten] Aktuelle Bedeutung (Deutschland)
Erste Ansätze zur Verwirklichung von Managed care in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung sind Disease-Management-Programme und die Integrierte Versorgung. Eine deutliche Ausweitung wird im Zusammenhang mit einem Wechsel zum Einkaufsmodell für die stationäre und ambulante Versorgung diskutiert.
[Bearbeiten] Links
Bundesverband Managed Care e.V.
[Bearbeiten] Literatur
- Jürg Baumberger: So funktioniert Managed Care. Thieme, 2001, ISBN 3-13-128391-2
- Daniel Finsterwald: Managed Care - Pionierland Schweiz / Managed Care - La Suisse pionnière. Verlag Schweiz. Gesellschaft für Gesundheitspolitik SGGP, Zürich, 2004, ISBN 385707753 (mit formal falscher ISBN ausgeliefert und katalogisiert, Suche über KVK möglich)
- Peter R. Kongstvedt: The Managed Health Care Handbook, Jones and Bartlett Publishers, 2000, ISBN 0-8342-1726-0
- Hansjörg Lehmann: Managed Care. Rüegger, 2003, ISBN 3-7253-0732-6
- Managed Care. Manfred Haubrock u.a. Hans Huber, 2000, ISBN 3-456-83312-1
- Managed Care - Neue Wege im Gesundheitsmanagement. Volker E. Amelung, Harald Schuhmacher. Gabler, 2004, ISBN 3-409-31500-4
- Managed Care - Ursachen, Prinzipien, Formen und Effekte. Michael Arnold u.a. Schattauer, 2001, ISBN 3-7945-1747-4
- Managed Care in der Schweiz und Übertragungsmöglichkeiten nach Deutschland. Monika Steininger-Niederleitner u.a. Health Economics Research Zentrum, 2003, ISBN 3-936863-00-8
- Michael Wiechmann: Managed Care. Deutscher Universitätsverlag, 2003. ISBN 3-8244-7803-X