Pharmakogenetik
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Die Pharmakogenetik ist ein Teilgebiet der klinischen Pharmakologie und befasst sich mit den vererbbaren Besonderheiten der Pharmakodynamik und Pharmakokinetik von Medikamenten. Grundlage der Pharmakogenetik ist die Erkenntnis, dass sowohl die erwünschten als auch die unerwünschten Wirkungen (UAW, vgl. Nebenwirkung) vieler Medikamente durch angeborene genetische Merkmale beeinflusst werden.
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[Bearbeiten] Geschichte
Die erste Beobachtung eines genetisch begründeten Unterschiedes in der Wirkung eines Arzneimittels stammt aus den 1950er Jahren und betrifft das für Narkosen verwandte Muskelrelaxans Suxamethonium: In seltenen Fällen (1:3500 bei Menschen weißer Hautfarbe) ist die Dauer der durch Suxamethonium verursachten Muskellähmung stark verlängert, weil das zum Abbau des Medikaments erforderliche Enzym Pseudocholinesterase verändert ist.
[Bearbeiten] Grundlagen
Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass viele häufig verordnete Medikamente zum Teil erhebliche interindividuelle Unterschiede ihrer therapeutischen Wirkung und ihrer Nebenwirkungen aufweisen, die nicht mit bekannten Einflussfaktoren wie Alter, Körpermasse, Nieren- oder Leberfunktion erklärt werden können. So sind beispielsweise Betablocker, Statine und Antidepressiva überhaupt nur bei 25-60% der Patienten wirksam. Als Ursache mancher dieser Unterschiede konnten bereits vererbte genetische Merkmale identifiziert werden.
In der Pharmakogenetik wird je nach Häufigkeit des Auftretens zwischen Polymorphismen und seltenen genetischen Varianten unterschieden. Als Polymorphismen werden solche auf einem Gen (monogen) determinierten Merkmale bezeichnet, die in mindestens zwei Genotypen auftreten und deren Allelhäufigkeit mindestens 1% beträgt. Bei einer Häufigkeit von <1% spricht man von seltenen genetischen Varianten.
Wurden anfangs hauptsächlich genetische Unterschiede bei den Arzneimittel abbauenden Enzymen entdeckt, so sind heute auch Polymorphismen und genetische Varianten für andere wirkungsrelevante Prozesse wie Absorption und Verteilung sowie für Transportproteine und Rezeptoren der Arzneimittel bekannt. Auf diese Weise haben genetische Merkmale einen Einfluss auf die Pharmakokinetik und auch die Pharmakodynamik sehr vieler Arzneimittel.
[Bearbeiten] Beispiele
[Bearbeiten] Antidepressiva und CYP2D6
Das Enzym CYP2D6 ist am Metabolismus vieler Neuroleptika und Antidepressiva beteiligt. Bei etwa 7% aller Menschen weißer Hautfarbe besteht eine angeboren deutlich verminderte Aktivität dieses Enzyms, sie werden als schlechte Metabolisierer (poor metabolizer) bezeichnet. Eine normale Dosis der Medikamente führt bei ihnen zur gesteigerten Arzneimittelwirkung bis hin zur Toxizität. Ca. 1,5-5% der Bevölkerung hingegen besitzen drei Allele, was zur erhöhten Aktivität des Enzyms führt (ultraschnelle Metabolisierer). Bei diesen Menschen führt erst eine viel höhere Dosierung der Arzneimittel zur gewünschten Wirkung.
Ultraschnelle Metabolisierer benötigten beispielsweise die ca. 6-fache Dosis des Antidepressivums Imipramin, um eine vergleichbare therapeutische Plasmakonzentration zu erzielen wie schlechte Metabolisierer. Angesichts der geringen therapeutischen Breite und insbesondere der kardialen Nebenwirkungen des Imipramins besteht an der Relevanz dieser Unterschiede kein Zweifel.
[Bearbeiten] CYP2C19 und Protonenpumpenhemmer
Der Protonenpumpenhemmer Omeprazol wird überwiegend über CYP2C19 metabolisiert. Menschen mit einer in Asien häufigen (15-25% der Bevölkerung), in Europa aber selteneren (3-5%) genetisch verursachten CYP2C19-Defizienz zeigten in Studien eine höhere Heilungsrate von Helicobacter-pylori-Infektionen. Als Ursache wird die bei diesen Menschen etwa 10-fach höhere Bioverfügbarkeit von Omeprazol vermutet, die nur wegen der anscheinend geringen Toxizität auch bei höheren Konzentrationen nicht zu vermehrten Nebenwirkungen geführt hat.
[Bearbeiten] Quelle
- Pharmakogenetik - aktueller Wissensstand und klinische Anwendbarkeit Der Arzneimittelbrief, Jg. 39 Nr. 08, August 2005
[Bearbeiten] Literatur
Dr. Rolf Froböse: "Mein Auto repariert sich selbst. Und andere Technologie von Übermorgen". Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2004. ISBN 3527311688 (Das Buch gibt einen guten Überblick über sämtliche Zukunftstechnologien und zeigt auch die Möglichkeiten und Grenzen der Pharmakogenetik auf).
[Bearbeiten] Weblinks
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