Prozessmanagement
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Prozessmanagement /-ˈmænɪdʒmənt/, auch Geschäftsprozessmanagement beschäftigt sich mit Steuern, Herausfinden, Gestalten, Dokumentieren und Verbessern von Geschäftsprozessen. „Wer macht was wann und womit?“ ist eine zentrale Fragestellung. Zur Verbesserung und Steuerung werden entsprechende Kennzahlen verwendet.
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[Bearbeiten] Ziele und Aktivitäten
Ziel des Geschäftsprozessmanagements ist, die in jedem Unternehmen existierende Information zu den eigenen Geschäftsprozessen zu nutzen, um sich auf den Kunden auszurichten und als Ergebnis die Unternehmensziele besser zu erreichen. Insbesondere gehören dazu:
- Kennen der eigenen Geschäftsprozesse.
- Gestalten und Verbessern der Prozesse, Geschäftsprozessoptimierung.
- Dokumentieren der Abläufe, weil es z. B. das Gesetz vorschreibt.
- So flexibel wie nötig sein, sodass die Ausnahme zur Regel werden kann.
- Klare Schnittstellen zwischen Prozessen festlegen, sodass Prozessketten und Verschachtelungen von Prozessen einfach gebildet werden können.
Geschäftsprozessmanagement umfasst daraus folgend im wesentlichen drei Teile:
- Planen und Modellieren der Prozesse
- Durchführen der bzw. Arbeiten nach Prozessen, und
- Überwachen der Prozesse.
Die Erkenntnisse aus dem Überwachen fließen idealerweise in einem Kreislauf wieder in die Planung ein.
[Bearbeiten] Planen und modellieren der Geschäftsprozesse
In der Planungsphase geht es darum, die Geschäftsprozesse zu identifizieren. Dabei können entweder existierende Prozesse herausgefunden bzw. dokumentiert oder die Prozesse auch neu geplant werden.
In einem ersten Schritt können nur Regeln zum Dokumentieren des Prozessablaufs entwickelt werden. Damit kann man Daten gewinnen, um später im Zuge der Überwachung seine eigenen Prozesse mittels Process Discovery bzw. Process Mining herausfinden und als Grundlage für weitere Planungen verwenden.
Diesen identifizierten Geschäftsprozessen können dann verantwortliche Personen zugeordnet werden, sogenannte "Prozessverantwortliche". Für die gesamte Koordination über alle Geschäftsprozesse hinweg existiert manchmal auch die Rolle des "Prozesskoordinators".
Dargestellt werden Geschäftsprozesse mittels Ablaufdiagrammen, Geschäftsregeln und ähnlichem. Detaillierter wird dieser Themenbereich in Geschäftsprozessmodellierung und Prozessorganisation betrachtet.
[Bearbeiten] Durchführen der Prozesse
Die Planung fließt in die Prozessdurchführung ein. Die klassischen Mittel zum Organisieren der Ablauforganisation können zum Einsatz kommen.
Je nach Geschäftsart wird das Durchführen mehr oder weniger elektronisch durch Workflow-Management-Systeme, Business Rule Engines und auch Spezialsoftware wie z.B. CRM-System unterstützt.
[Bearbeiten] Überwachen der Prozesse
[Bearbeiten] Kurz- und langfristige Aktivitäten
Das Überwachen von Geschäftsprozessen beinhaltet einerseits kurzfristige Aktivitäten wie z.B. festzustellen, dass ein Team mit Aufträgen überhäuft ist, anderseits auch längerfristige Aktivitäten wie Kennzahlen zu erzeugen, die wieder in die Planung einfließen können.
[Bearbeiten] Process Mining
Ebenso zu diesem Bereich gehört das Herausfinden seines eigenen tatsächlichen Geschäftsprozesses. Dazu werden die gesammelten Daten aus der Prozessausführung benutzt, mit modernen Methoden können die tatsächlichen Prozesse auch grafisch dargestellt werden.
Gespeichert werden die Prozessdaten in einem Prozesslager (Process Warehouse). Das ist ein Datawarehouse, in dem die Geschäftsprozessdaten eine ausgezeichnete Rolle spielen. Auch Auswertungen dieser Daten werden von vorn herein angeboten, während sie in einem Datawarehouse erst implementiert werden müssen.
[Bearbeiten] Kennzahlen
Kennzahlen vor allem aus der Logistik lassen sich generell auch für das Management von Geschäftsprozessen anwenden. Beispiele sind:
- Durchlaufzeit: um festzustellen wann man mit einem Ergebnis rechnen kann,
- Liegezeit: wieviel Verbesserungspotenzial steckt allein von der Zeit her in einem Prozess,
- Einarbeitungszeit, oder Rüstzeit: muss ein Prozessbeteiligter zu oft die Aufgabe wechseln, steigt diese Zeit,
- Kommunikationskennzahlen (wer schickt zu wem, redet mit wem): es kann zweckmäßig sein, räumliche Nähe herzustellen,
- Arbeitszeit: wie lange braucht jemand um eine Aufgabe zu erledigen.
All diese Kennzahlen werden erst durch Aufsummieren oder Berechnung des Durchschnitts aussagekräftig. Außerdem können somit Kosten zugeordnet werden.
[Bearbeiten] Dokumentieren und Nachvollziehen
Speziell in der Arzneimittel- und Halbleiterindustrie wird großer Wert auf Nachvollziehbarkeit gelegt. Gesetzliche Vorschriften verlangen, dass man z. B. feststellen kann, wer wann was in genau diese Packung Medikament gemischt hat. Auch in anderen Sparten wird auf die Nachvollziehbarkeit zunehmend Wert gelegt, indem Verantwortliche eine höhere Haftung übernehmen müssen.(Organisationsverschulden)
Stichworte in diesem Bereich sind (lean) Six Sigma, Total Quality Management.
[Bearbeiten] Folgen der Prozessorientierung
Die Konsequenzen der Prozessorientierung werden in folgenden drei Bereichen ersichtlich.
[Bearbeiten] Organisation des Unternehmens
- Zunehmende Verlagerung von Befugnissen in niedrigere Hierarchieebenen. Dadurch werden größere Entscheidungsfreiräume geschaffen und Verantwortung auf die einzelnen Mitarbeiter übertragen.
- Zusammenfassung funktional getrennter, aber prozessual zusammengehöriger Aufgaben, wodurch den Mitarbeitern Einblicke in die eigentliche Tätigkeit vor- und nachgelagerter Bereiche ermöglicht wird.
[Bearbeiten] Technische Infrastruktur
- Überprüfung bestehender Informationssysteme auf Prozessunterstützung
- Einführung neuer Systeme
[Bearbeiten] Führungsaufgaben
- Prozessmanagement verlangt eine neue und verbesserte Form der Unternehmensführung. Prozesse werden ausschließlich am Kunden ausgerichtet - der Kundenprozess verbindet einzelne Abteilungen miteinander.
- Der Mitarbeiter wird im Prozess durch zusätzliche Verantwortung, größeren Handlungsspielraum und steigende Erfolgserlebnisse motiviert. Er muss aber auch über die Richtung der Entwicklung informiert werden. Deshalb wird eine Übertragung der Visionen, der strategischen Leitlinien und operativen Handlungsziele auf alle Mitarbeiter, durch geeignete Kommunikationsmittel und Weiterbildung zunehmend wichtig.
[Bearbeiten] Entwicklung
Der Gedanke des Prozessmanagements ist nicht neu - bereits in den 30er Jahren weist F. Nordsieck in folgendem Zitat auf die Notwendigkeit einer an Prozessen ausgerichteten Unternehmensgestaltung hin: „Der Betrieb ist in Wirklichkeit ein fortwährender Prozess, eine ununterbrochene Leistungskette. ..anzustreben ist in jedem Fall eine klare Prozessgliederung“ (Nordsieck 1932). Nordsieck begründet damit zwar noch kein prozessorientiertes Konzept, bildet aber immerhin die gedankliche Grundlage, denn er erkennt den abstrakten Betriebsprozess als Grundlage für die Strukturierung der Aufbauorganisation. Lange Zeit beschäftigte man sich ausschließlich mit der Gestaltung der Aufbauorganisation. Dies führte zu einer Entfremdung vom Kunden sowie zu mangelnder Flexibilität und Schlagkraft am Markt und damit verbundenen Wettbewerbsnachteilen. Deshalb kam es zu einer Fokussierung auf die Qualität im Unternehmen und somit gewann auch die Prozessorientierung wieder an Bedeutung. Erste Arbeiten zu diesem Thema werden jedoch erst in den 80er Jahren u.a. von Michael Gaitanides und August-Wilhelm Scheer veröffentlicht.
[Bearbeiten] Verwandte Begriffe
- Optimierung von Geschäftsprozessen - oft im Zusammenhang mit Workflow-Management
- Business Process Reengineering - Ansatz zu eher radikaler Veränderung der Geschäftsprozesse
- Prozessorientierte Ansätze zur kontinuierlichen Verbesserung: Kaizen/KVP, Six Sigma, Total Quality Management, Total Cycle Time, ....
- Angewandtes Prozessmanagement in Bildungsinstitutionen: Bildungsprozessmanagement
[Bearbeiten] Verbindung zur ICT
Der Begriff ist in Bezug auf die ICT in das folgende Umfeld einzuordnen:
- Business Service Management (BSM): Die Verbindung zwischen Prozessmanagement und ITSM.
- IT-Service-Management (ITSM): Methoden, die nötig sind, um die bestmögliche Unterstützung von Geschäftsprozessen (GP) durch die IT-Organisation zu erreichen. Der hier bekannte de-facto Standard ist die IT Infrastructure Library (ITIL).
- Prozessmanagement (auch Geschäftsprozessmanagement, GPM): Die Definition der Prozesse des Business, die durch die IT unterstützt werden.
- Serviceorientierte Architektur (SOA): Ein Managementkonzept für eine dienstorientierte Architektur der ICT.
[Bearbeiten] Literatur
- Becker, Jörg; Kugeler, Martin; Rosemann, Michael: Prozessmanagement. Ein Leitfaden zur prozessorientierten Organisationsgestaltung, 5. Aufl., Springer, Berlin 2005. ISBN 3-540-23493-4
- Ralf Helbig: Prozessorientierte Unternehmensführung. Physica Verlag, Heidelberg 2003, ISBN 3-7908-0040-6
- Thomas Allweyer: Geschäftsprozessmanagement. W3L, Bochum, 2005, ISBN 3-937137-11-4
- Hermann J. Schmelzer, Wolfgang Sesselmann: Geschäftsprozessmanagement in der Praxis: Kunden zufrieden stellen - Produktivität steigern - Wert erhöhen. Hanser, München/Wien 2006, ISBN 3-446-40589-5
- Dr. Guido Fischermanns: Praxishandbuch Prozessmanagement, 6.Auflage, 2006, Verlag Dr. Götz Schmidt, Gießen, ISBN 3-921-313-686