Rat der Zehn
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Nach der fehlgeschlagenen Verschwörung des Baiamonte Tiepolo, wurde in Venedig am 10. Juli 1310 ein außerordentlicher Gerichtshof mit dem Namen Consiglio dei Dieci gegründet, der die weitverzweigten Machenschaften der Verschwörer aufzudecken und abzuurteilen hatte.
Zunächst sollte das Bestehen dieser provisorischen Institution alle zwei Monate verlängert werden, dann beschloss die Regierung dieses Intervall auf fünf Jahre auszudehnen, was zur Folge hatte, dass das Gremium am 20. Juli 1335 zu einer ständigen Einrichtung wurde.
Das Gremium bestand aus 10 ordentlichen Mitgliedern, die vom Großen Rat (Maggior Consiglio) aus dem Senat gewählt wurden. Erst nach Ablauf eines Jahres durfte ein Mitglied wiedergewählt werden (Contumacia). Abgesehen von den zehn Räten waren auch der Doge, der den Vorsitz bei den Sitzungen hatte, und der kleine „Rat der sechs“ (engste Berater des Staatsoberhauptes) stimmberechtigte Mitglieder der Behörde. Damit die Beschlüsse des Rates der Zehn ordnungsgemäß gefällt wurden, war ein „avogado di comun“ anwesend, eine Art Staatsanwalt, der jedoch kein Stimmrecht besaß und nur über die äußere Form der Entscheidungen zu wachen hatte - gegebenenfalls auch gegen die Zehn.
Während des Prozesses gegen Marin Falier, 1355, wurde das Gremium um die so genannte „Zonta“ (20 Männer) vergrößert. Deren Mitglieder wurden zunächst vom Rat der Zehn selbst bestimmt, später dann vom Großen Rat gewählt. Die Zonta hatte anfänglich nur beratende Funktion und erhielt erst im Laufe der Zeit das volle Stimmrecht.
Monatlich wählte der Zehnerrat drei Hauptmänner (Capi), die für die Geschäftsführung verantwortlich waren. Darüber hinaus wurden drei „Inquisitori di stato“ ernannt, die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zu sorgen hatten und mit den Ermittlungen politischer Delikte betraut wurden.
Anfänglich war der Rat der Zehn der oberste Gerichtshof und (später) Hauptbehörde der Staatspolizei. Er hatte über die Staatssicherheit und die Einhaltung der öffentlichen Ordnung zu wachen. Er hatte Verschwörungen und Spionagefälle aufzudecken und war für die Aburteilung in Fällen des Hochverrats zuständig. War der Rat in seiner Anfangszeit eine häufig tagende Gruppe wechselnder Mitglieder der mächtigsten Clans - ausgestattet mit umfassenden Verfolgungsrechten, die auch Folter, Attentat, Geheimkassen einschlossenen, mit angeschlossenem Gerichtshof und eingegliedertem Ordnungsamt -, kamen im Laufe der Zeit eine Fülle weiterer Kompetenzen hinzu. So kontrollierte er seit dem 15. Jahrhundert die Kanzlei des Dogen, wurde zur Oberbehörde der Streitkräfte (Kriegsministerium), war für die Verfolgung von Verstößen gegen das Duellierverbot zuständig und wurde zur Oberbehörde von Forst- und Montangewerbe. Hinzu kam bald die Oberaufsicht über die Glasbläsereien, die öffentliche Schauspiele, die Prostituierten und die Almosensammlungen.
Bald beschränkte sich die Macht dieses Rates nicht nur auf innere Staatsangelegenheiten, sondern erstreckte sich auch auf die Außenpolitik. So korrespondierte das Gremium, manchmal ohne das Wissen der eigentlichen Regierung, mit den Festlandsrektoren, sowie mit Gesandten und ausländischen Botschaftern. Ende des 15. Jahrhunderts zog der Rat sogar alle Angelegenheiten der venezianischen Finanzpolitik an sich und entwickelte sich zu einer Art Superministerium mit höchster Kompetenz in allen Regierungsangelegenheiten.
Bei einer derartigen Machtansammlung scheint es nicht verwunderlich, dass sich langsam Unmut in breiten Reihen des Patriziats bemerkbar machte. Im Jahre 1529 reduzierte der Rat der Zehn die ursprünglich zwanzigköpfige Mannschaft der Zonta auf 15 und zog sich damit noch mehr Widerstand seitens wichtiger venezianischer Familien zu, da der Einfluss des Zehnerrates durch diese Verkleinerung bei noch weniger Personen lag.
Um der Machtanhäufung des Gremiums entgegen zu wirken, weigerte sich der Große Rat 1582 die Zonta zu wählen. Der Druck des Patriziats wurde immer größer. Die Bürgerschaft verlangte, dass der Rat der Zehn Kompetenzen abzugeben hätte und der Zehnerrat lenkte schließlich ein, um weiter bestehen zu können. Die erste Maßnahme, den Einfluss des Rates einzudämmen, bestand darin, die „inquisitori di stato“ in eine selbstständig arbeitende Behörde umzuwandeln, die dem Senat unterstellt wurde. Bald darauf entzog die Regierung dem Zehnerrat die Oberaufsicht über die „Zecca“ (Münze) und das Finanzwesen.
Der Kompetenzentzug war erst im 17. Jahrhundert abgeschlossen und 1644 war der Rat der Zehn wieder die Instanz, die er eigentlich hätte sein sollen: Ein oberster Gerichtshof für den Adel und für die Aburteilung von Staatsdelikten.
Tatsächlich zog der Rat der Zehn vom 14. Jahrhundert bis ins 16. Jahrhundert hinein immer mehr Befugnisse an sich und akkumulierte beinahe die ganze Regierungsgewalt. Mit verdeckten Ermittlungen, Bespitzelungen und einem noch heute in Venedig sichtbaren „Denunziantenbriefkasten“ am Dogenpalast sorgte der Rat der Zehn für einen innerstaatlichen Spionageterror gegen die eigene Bevölkerung. Besonders die Einmischung in das private Leben der Venezianer aller Gesellschaftsschichten, strenge Verbote und die Verhängung drakonischer Strafen, lassen kein gutes Licht auf diese Behörde fallen. Mit dem Rat der Zehn verband man schon damals den inbegriff staatlicher Kontrolle, was ein venezianisches Sprichwort deutlich zum Ausdruck bringt: „Was drei Venezianer wissen, weiß der Rat der Zehn!“.
Trotzdem sollte man den starken Eigenwillen und das Selbstverständnis der Venezianer nicht unterschätzen, wenn es um die Einhaltung erlassener Vorschriften des Rates der Zehn ging. Am 12. Februar 1339, zum Beispiel, verbot die Behörde dem venezianischen Patriziat das Tragen von Masken (auch in der Karnevalszeit!). Wie sehr das Verbot beachtet wurde, schlägt sich darin nieder, dass der Rat der Zehn es 1458, 1461, 1502 und 1504, 1606, 1608 wiederholen musste. Hier zeigt sich aber auch, wie schwierig es ist, von der Gesetzeslage auf die gesellschaftliche Realität zurückzuschließen.